Wie der Bundesverband Soalrwirtschaft (BSW Solar) mitteilt, hat ein Solarunternehmen aus Hessen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen den Solardeckel eingereicht. Der Kläger wird dabei von über 100 weiteren Unternehmen der Branche unterstützt. Das klagende Unternehmen sieht seine Existenz durch den immer noch gültigen Förderstopp für neue Photovoltaikanlagen, wenn in Deutschland insgesamt Solaranlagen mit einer Leistung von 52 Gigawatt installiert sind.
Die Branche macht Druck
Diese Marke wird noch in den Sommermonaten erreicht. Dann wird der Zubau einbrechen und damit die Auftragsbücher der Solarunternehmen leer bleiben – mit entsprechenden Konsequenzen für die Arbeitsplätze und den Fortbestand der Unternehmen in der Branche. Das verletze das Grundrecht auf Eigentum aus dem Artikel 14 des Grundgesetzes. Die zur Beschwerde bevollmächtigte Berliner Rechtsanwaltskanzlei von Bredow Valentin Herz verweist in ihrer Begründung zudem auf Paragraph 49 Absatz 6 im Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Die Zeit drängt
Dort ist geregelt, dass die Bundesregierung vor Erreichen des Solardeckels eine Nachfolgeregelung vorschlägt – und zwar rechtzeitig. Dies ist allerdings nicht geschehen und damit verstößt die Bundesregierung gegen die von ihr selbst eingeführten rechtlichen Bestimmungen. Angesichts der Tatsache, dass die Abschaffung des Solardeckels auch in dieser Woche nicht auf der Tagesordnung des Bundestages steht, bleibt nur noch die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause, um den Weg für den weiteren Ausbau der Photovoltaik frei zu machen. Das wird aber knapp. Denn der Bundesrat muss noch zustimmen. Schafft er das in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 3. Juli 2020 nicht, ist der nächstmögliche Termin am 18. September 2020. Bis dahin ist aber der Solardeckel erreicht.
Der Ball liegt im Bundestag
Auf solche unsicheren zeitlichen Konstellationen will sich die Solarbranche aber nicht mehr verlassen. Sie will mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine einstweilige Anordnung erwirken. Mit dieser soll sichergestellt werden, dass die Bundesregierung die seit Monaten angekündigte aber immer wieder verschobene Abschaffung des Solardeckels umgehend umsetzen muss.
Es ist offen, ob die Beschwerde tatsächlich Erfolg hat. Denn der Ball liegt derzeit im Bundestag. Dort hat der zuständige Wirtschafts- und Energieausschuss schon die Beseitigung des Förderstopps für neue Solaranlagen beschlossen. Doch zur Abstimmung steht das Thema noch längst nicht. „Mit der Verfassungsbeschwerde zieht die Solarbranche die Reißleine am Rettungsschirm, um in letzter Sekunde den Aufprall zu verhindern”, begründet Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar, die jüngste Brancheninitiative.
BSW befürchtet Halbierung der Nachfrage
Denn sollte der Solardeckel nicht vor der Sommerpause des parlamentarischen Systems in Berlin abgeschafft werden, rechnet der BSW Solar mit einer Halbierung des Solarmarktes. Schon eine vorübergehende Förderunterbrechung würde massive Schäden in der Solarwirtschaft verursachen. Vor allem die Investitionen in große, gewerbliche Solaranlagen mit einer Leistung von mehr als zehn Kilowatt wird durch den Wegfall der Sicherheit durch die Einspeisevergütung zu einem großen Teil wegbrechen. Die Marktanalysten von EuPD Research rechnen hier mit einem Rückgang um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr.
Solarbranche könnte sich noch übers Jahr retten
Die Bonner Marktforscher haben für ihre Analyse zwei Szenarien betrachtet – eins mit und eins ohne Solardeckel. Im Ergebnis gehen sie davon aus, dass in diesem Jahr Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 3,1 Gigawatt installiert werden – in beiden Szenarien. Denn einerseits geht mit Solardeckel die Nachfrage nach großen Photovoltaikanlagen zurück. Doch die Nachfrage nach schnell geplanten und aufgebauten kleinen Anlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt wird in diesem Jahr auch mit Solardeckel um ein Drittel steigen.
800 Megawatt für das nächste Jahr prognostiziert
Der Zusammenbruch kommt dann aber im nächsten Jahr, sollte es keine Einspeisevergütung für neue Solaranlagen geben. Dann wird die Zubau von Aufdachanlagenleistung insgesamt auf 800 Megawatt zurückgehen, prognostizieren die Bonner Marktforscher. Das wäre dann sogar ein Rückgang um 80 Prozent. Zum einen werden kaum noch Gewerbebetriebe in die Photovoltaik investieren. Zum anderen wird die Leistung der einzelnen Anlagen – auch bei Privatpersonen – sinken, um den Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen und damit die Wirtschaftlichkeit des Generators über die eingesparten Stromkosten zu sichern.
Marktwachstum geht nur ohne Solardeckel
Sollte der Solardeckel wegfallen, wird der Zubau im Jahr 2021 hingegen auf 4,1 Gigawatt ansteigen. Hier spielt neben der Investitionssicherheit auch ein Nachholeffekt aufgrund der Coronakrise in diesem Jahr eine Rolle. „Der Fortbestand des Solardeckels kommt demnach einer Bankrotterklärung der deutschen Energiewende gleich”, fasst Martin Ammon, Geschäaftsführer von EuPD Research, die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. „Die Verzögerungspolitik der Bundesregierung vernichtet Arbeitsplätze und einzigartiges Know-How einer Schlüsselbranche für eine nachhaltige Zukunft.”