433 Gigawatt Onshore-Windenergie-Leistung waren Ende 2015 weltweit installiert. Nur wenige wissen, dass der Plan für mehr als jede zehnte der rund 200.000 Anlagen aus einem Ingenieurbüro in Schleswig-Holstein stammt: In Rendsburg entwickelt die Aerodyn Energiesysteme GmbH seit 1983 Windturbinen. Ende 2015 erreichten die Anlagen aus der Feder von Aerodyn eine Stückzahl von 33.778 installierten Windkraftanlagen oder 45.092 Megawatt installierter Leistung.
In Schleswig-Holstein etablierte sich schon früh eine Szene aus Tüftlern und Idealisten, die das Land zwischen Nord- und Ostsee zu einer Wiege der Windkraft machten. Aus den Verfechtern einer ökologischeren Welt sind rund 2.300 Firmen auf dem Sektor der regenerativen Energien geworden, die ein agiles Innovationsnetzwerk bilden.
Firmen und Politik zusammenbringen
Der Wunsch nach Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Atomkraftwerken ist bis heute geblieben. Neue Ideen kommen täglich dazu – und die Erkenntnis, dass zu ihrer Umsetzung Geld und Kooperationspartner gebraucht werden. Hier kommt die staatliche Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (EE.SH) ins Spiel: Mit ihren Netzwerk- und Informationsveranstaltungen, gemeinsamen Messeständen, Publikationen und Beratungsmöglichkeiten bringt sie Unternehmer untereinander, Firmen und Politik, Betriebe und Fördermittelgeber zusammen. Das Innovationsmanagement, also die Förderung der betrieblichen Innovationskraft, ist ein zentraler Arbeitsschwerpunkt der Agentur. Gibt es innovative Ideen, die wissenschaftlich erforscht oder zu einem Prototyp entwickelt werden sollen, vermittelt EE.SH weiter an das neu gegründete „Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien und Klimaschutz“ (EEK.SH), das die passenden Hochschul-Arbeitsgruppen kennt. Werden Fördermittel benötigt, stellt EE.SH Kontakt zu den Förderlotsen der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein (WT.SH) oder der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) her. So wird der Aufwand für den Antragsteller durch einen festen Ansprechpartner so gering wie möglich gehalten. Über Veranstaltungen, Vorträge und Publikationen bringt EE.SH das Wissen aus den Innovationsprojekten dann wieder zurück zu den Anwendern.
Projektträger von EE.SH sind die Wirtschaftsförderung Nordfriesland und die Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein (WT.SH), der landesweite Wirtschaftsförderer des nördlichsten Bundeslandes. Finanziert wird EE.SH vom schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium aus Mitteln aus dem EU-Fonds für regionale Entwicklung und von Kooperationspartnern. Das sind weitere regionale Wirtschaftsförderungen sowie Firmen und Verbände. EE.SH ist aus der Netzwerkagentur Windcomm Schleswig-Holstein hervorgegangen, die über zehn Jahre lang als Förderagentur für die Windindustrie fungierte. Die Erkenntnis, dass ohne Biomasse, Solar, Speicher, erneuerbare Wärmekonzepte und Elektromobilität keine Energiewende zu schaffen ist, sowie der steigende Innovationsdruck in der Branche führten zu einer Erweiterung des Projekts.
2.800 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 5.600 Megawatt drehen sich inzwischen in Schleswig-Holstein. Rein rechnerisch decken sie schon jetzt mehr als 100 Prozent des Bruttostrombedarfs des Landes. Rund 16.000 Menschen arbeiten in meist kleinen Firmen an innovativen Lösungen. Darunter sind Ingenieurbüros wie 8.2, Projektierer wie Denker amp; Wulff, GEO mbH, getproject oder WKN sowie Service-Dienstleister wie Connected Wind Services oder Deutsche Windtechnik. Firmen wie die Arge Netz, GP Joule und EE-Technik aus Nordfriesland arbeiten an Themen wie virtuellen Kraftwerken, Speicherkonzepten und verbesserter Netzintegration von Anlagen, um den steigenden Ansprüchen des Energiemarkts gerecht zu werden. Der Stromhändler Nordgröön in Medelby bei Flensburg bietet die ersten regionalen Energieprodukte an, damit Erzeugung und Verbrauch enger zusammenrücken. Im Rahmen des bundesweiten Schaufensterprojekts NEW 4.0 (Norddeutsche Energiewende), an dem die ARGE Netz und weitere 50 Firmen, Hochschulen und Institutionen aus Hamburg und Schleswig-Holstein beteiligt sind, wird versucht, mit intelligentem Verbrauchs- und Erzeugungsmanagement den Energiebedarf der norddeutschen Großstadt mit Strom aus den zahlreichen Erneuerbare-Energien-Quellen im Umland zu decken.
Erprobung neuer Technologien
Die Erprobung neuer Technologien hat in Schleswig-Holstein seit Growian in den 1980er-Jahren Tradition. Aufgrund der sehr guten Testbedingungen wurde 2014 ein Windtestfeld in Nordfriesland gegründet, das hauptsächlich von öffentlichen Institutionen getragen wird. Die Unternehmen, die hier einen Prototyp aufstellen wollen, werden danach ausgewählt, ob sie Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Schleswig-Holstein generieren oder erhalten. Das Testfeld liegt nur zwei Kilometer vom Gelände der Leitmesse HUSUM Wind entfernt. Im vergangenen Jahr hat EE.SH erstmals für Messebesucher Exkursionen zum Windtestfeld organisiert, die sehr gut angenommen wurden. Diese Ausflüge in die Entwicklungspraxis sind auch für die HUSUM Wind 2017 geplant. (Nicole Weinhold)
Innovationsthemen wie zum Beispiel die Sektorenkopplung und Nutzung des abgeregelten Stroms rücken immer mehr in den Fokus der Arbeit von EE.SH. Die Vermarktung innovativer Produkte und Dienstleistungen im Ausland bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit. Frankreich und Nordamerika sind Beispiele für Exportmärkte, auf denen Firmen aus Schleswig-Holstein bereits aktiv sind. EE.SH unterstützt zusammen mit der WT.SH, die Schleswig-Holstein-Stände auf internationalen Messen organisiert, und externen Partnern Firmen bei ihrem Engagement in neuen Märkten. (Nicole Weinhold)