Herr Wedepohl, mit welcher Marktentwicklung rechnen Sie im kommenden Jahr?
Wir rechnen mit einer weiterhin positiven Marktentwicklung in vielen EU-Ländern. Viele Länder werden versuchen, mit zusätzlichen Photovoltaik-Installationen die Erneuerbaren- Ziele für 2020 zu erreichen. Auch in europäischen Ländern, die nicht zur EU gehören, beobachten wir eine hohe Nachfrage, insbesondere in Südosteuropa, aber auch in der Ukraine und in Russland. Das große Angebot am Weltmarkt dürfte zu einem großen Angebot an preisgünstigen Modulen führen. Während der Intersolar Europe im Mai 2018 prognostizierten wir für 2018 in Europa noch ein Wachstum von unter 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr mit 9,2 GW. Vor dem Hintergrund der jüngsten Marktentwicklungen wird der europäische Solarmarkt jedoch stärker wachsen als erwartet. Die jährliche installierte Kapazität wird in Europa um deutlich über 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen, in den EU-Mitgliedstaaten um über 60 Prozent
Wo ist mit einer stärkeren Nachfrage nach Solaranlagen zu rechnen, wo schwinden die Chancen für die Photovoltaik?
In Europa findet insgesamt ein zunehmender Diversifizierungstrend im Energiemarkt statt, wobei mehrere Länder ihre Märkte vergrößern und zu Gigawattmärkten werden. Die Photovoltaik entwickelt sich vielerorts zu einer relevanten Größe. Wachsende Märkte in verschiedenen Anlagenklassen beobachten wir beispielsweise hier in Deutschland. Mit voraussichtlich 3 Gigawatt installierter Leistung in 2018 ist Deutschland nach einigen Jahren wieder der größte Markt in Europa – allerdings drohen gerade deutliche Einschnitte. Auch der französische und niederländische Markt wachsen deutlich und werden dieses Jahr 1,5 beziehungsweise 1,3 GW installieren. Ein weiterer vielversprechender Markt ist nach vielen mageren Jahren Spanien, wo wir aufgrund positiver Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und sehr wettbewerbsfähiger PV-Preise einen kleinen Boom erleben werden – für 2018 werden 750 Megawatt erwartet, doch mehrere Gigawatt Solarparks sind geplant oder im Bau. Das macht Spanien zu einem möglichen Kandidaten für den größten europäischen Markt im Jahr 2019.
Es gibt aber auch noch immer relativ schwache Entwicklungen. Der britische Markt, der in den letzten Jahren das Wachstum in Europa vorangetrieben hat, verzeichnet derzeit einen starken Rückgang aufgrund von Gesetzesänderungen. Auch Polen bleibt weit unter seinem Potential. Und die Türkei gilt momentan als Wackelkandidat, vor allem wegen der hohen Unternehmensverschuldung sowie der Wirtschaftskrise. Nach dem Rekordjahr 2017 ist dort mit einem Rückgang zu rechnen, dieses Jahr erwarten wir noch rund 1,5 Gigawatt an Installationen.
Welche Marktsegmente sehen Sie als die vielversprechendsten an – Dachanlagen, Freiflächen etc. und warum?
Wir gehen davon aus, dass einige EU-Länder kurzfristig Ausschreibungen starten werden, dementsprechend vielversprechend ist das Segment der großen Anlagen, sowohl auf Dächern als auch ebenerdig installiert. In einigen Ländern wie etwa in Spanien werden auch verstärkt Eigenverbrauchsanlagen möglich sein. Insgesamt hängt es aber sehr von den regulatorischen Rahmenbedingungen und den Strompreisen ab, wo neue Märkte entstehen. Die Segmentierung des Solarmarktes in Europa zeigt nach wie vor ein uneinheitliches Bild. In Märkten, in denen große Einspeisetarifprogramme durch ein Auktionssystem ersetzt wurden, ist die Verteilung auf die Segmente gleichmäßiger. In einer Reihe von Märkten, wie zum Beispiel Österreich, der Schweiz und den Niederlanden, sind Aufdachanlagen dominant. In Europa sind laut Solar Power Europe etwa 70 Prozent des Marktes Dachanlagen.
In welchen europäischen Märkten sind die Rahmenbedingungen immer noch schlecht für die Photovoltaik, wo spüren Sie die größten Hürden?
In Großbritannien ist es schwierig, in osteuropäischen Märkten, zum Beispiel in Polen läuft viel nur über EU-Mittel. Alle Länder sind sehr darauf bedacht, den Ausbau streng zu kontrollieren. Dahinter steht die oft unbegründete Furcht, dass Umlagesysteme oder Netze übermäßig beansprucht werden könnten. Neue Entwicklungen bei der Speicher- und Netztechnik werden in den Regularien leider nicht berücksichtigt.
Erste Länder Europas wie jüngst Spanien haben die ersten Hürden abgebaut. Wird es in den kommenden Monaten und Jahren einen Trend hin zu einfacheren Rahmenbedingungen geben?
Das hängt unter anderen von der politischen Stimmungslage, dem Design des Förderrahmens und der Finanzierung ab. Hier wird es insbesondere für Bürger, die in umweltfreundliche Energie investieren werden, oft kompliziert. Die Regelungen für den Mieterstrom in Deutschland sind ein Beispiel dafür, wie mit vielen komplizierten Regeln ein sinnvolles Marktsegment kleingehalten wird. Mutlose Politik, wie wir sie in Deutschland gerade wieder erleben, ist leider auch in anderen Ländern immer wieder zu beobachten.
Worauf ist das zurückzuführen – auf den Druck aus Brüssel zur Umsetzung der versprochenen Zubauziele oder durch die sinkenden Kosten für Solarstrom?
Sinkende Stromgestehungskosten sind ein wichtiger Aspekt. Es wird für Regierungen zunehmend schwierig zu erklären, warum sie die Menschen an der Selbstversorgung mit günstigem und klimafreundlichem Strom hindern möchte. Die Preise spielen auch eine Schlüsselrolle. Der BSW-Solar beobachtet mit seinem Preisindex den Markt für Module und fertig installierte Anlagen seit 2006. In dieser Zeit ist der Preis einer fertigen Solaranlage um über 75 Prozent gesunken, der für Module sogar um über 85 Prozent. Solarstrom ist heute eine der kostengünstigsten Energiequellen in Europa und der Welt.
Eine wichtige Rolle spielen auch regulatorische Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die EU-Klima- und Energieziele. Diese verpflichten die Mitgliedstaaten, den Einsatz von Erneuerbaren Energien zu erhöhen. Aus diesem Grund erwarten wir bis spätestens 2020 ein deutliches Wachstum des EU-Marktes.
Welche Themen werden in den kommenden Monaten für die Solarbranche an Bedeutung gewinnen? Stichwörter sind ja hier immer Speicher, Eigenverbrauch, Smart Home und Sektorkopplung.
Diese Themen hängen eng miteinander zusammen und bestimmen die Branche schon heute. Vor allem die Speicherung wird sicherlich noch an Bedeutung gewinnen, weil eben auch der Eigenverbrauch immer wichtiger werden wird. Auch die Ladeinfrastruktur in Wohn- und Gewerbegebieten als Schnittstelle zur Elektromobilität wird den Markt in den nächsten Jahren deutlich beleben können. Dabei müssen auch hier die richtigen Anreize gesetzt werden. Ohne dezentral erzeugten Strom, der lokal die Infrastruktur entlastet, wird es nicht gehen.
Warum werden diese Themen in den nächsten Monaten wichtiger werden und wie wirken sie sich vor allem auf die Marktentwicklung in der Solarbranche aus?
Die Nachfrage nach günstigem und klimafreundlichem Strom ist hoch – und Solarstrom ist nun mal klimafreundlich und inzwischen auch äußerst günstig. Mittelfristig werden wir vielerorts eine Vervielfachung der Zubauzahlen beobachten. Kurzfristig sind die von der Bundesregierung geplanten Einschnitte kontraproduktiv (siehe auch unsere aktuellen Pressemitteilungen www.solarwirtschaft.de/start/pressemeldungen.html).
Mit welcher Preisentwicklung rechnen sie im kommenden Jahr?
Auf einem globalen Markt, der nach wie vor stark von politischen Entscheidungen abhängt, sind seriöse Aussagen über die Preisentwicklung kaum möglich. Grundsätzlich geht die technologische Entwicklung aber weiter und die Preise fallen, wenn voraussichtlich auch nicht mehr so dramatisch, wie in der Vergangenheit.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Eine Analyse der Solarbranche über die Entwicklung in den kommenden Monaten lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN.