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Gut beraten

Blick in die Glaskugel: Erträge von Kleinwindanlagen

Erfolgreiche Windenergie-Projekte hängen von guten Ertragsprognosen ab. Der Einsatz von professioneller Planungssoftware, langfristigen Windmessungen am zukünftigen Standort und unabhängigen Wind- und Ertragsgutachten ist bei Multimegawattprojekten selbstverständlich – bei kleinen Windenergieanlagen (KWEA) sind sie eine Ausnahme. Darum werden die erhofften Erträge kleiner Anlagen in der Praxis oft deutlich überschätzt. Um die künftigen Erträge von KWEA richtig einschätzen zu können, müssen interessierte Kleinwindanlagenbetreiber viele Herausforderungen bewältigen.

KWEA mit Rotordurchmessern bis 16 Meter und Nennleistungen bis 75 Kilowatt sind vielseitig einsetzbar. Die Bandbreite reicht von mobilen Einheiten mit einigen hundert Watt Nennleistung, die Batterien speisen, bis zu netzgebundenen Hofanlagen landwirtschaftlicher Betriebe mit Nennleistungen von zehn Kilowatt und mehr.

Vor dem Hintergrund steigender Strompreise und dem zunehmenden öffentlichen Bewusstsein globaler Herausforderungen wie Ressourcenverknappung und Klimawandel, gewinnen KWEA in Deutschland derzeit Aufmerksamkeit. Interessierte und potenzielle Betreiber äußern vor allem den Wunsch, einen Teil des eigenen Strombedarfs – analog zu Photovoltaikanlagen – mit KWEA nachhaltig, wirtschaftlich und verbrauchsnah selbst decken zu können. Allerdings ist die Planung und Umsetzung einer KWEA im Vergleich zu einer Photovoltaikanlage verhältnismäßig komplex. Dies lässt sich an zwei wesentlichen Herausforderungen veranschaulichen, die bei der Realisierung einer KWEA bewältigt werden müssen: Eine Herausforderung besteht in der Bewertung der Windressourcen am zukünftigen Standort. Bei der Standortwahl großer Windparks sind das Windangebot und eine exponierte Lage ausschlaggebende Kriterien. Der Standort von KWEA lässt sich jedoch nicht nach den Windbedingungen optimieren, sondern ist an die Nähe des Verbrauchers gebunden. Und hier, in der Nachbarschaft von Häusern, weht in der Regel weniger Wind. Aber wie viel? Lokale Windkarten liefern zwar ein Indiz für die Windbedingungen in einer Region, sind aber für die Qualifizierung der Windressourcen auf Nabenhöhe der geplanten Anlage zu ungenau. Denn die Topographie in der unmittelbaren Umgebung, geprägt durch Geländeform und Hindernisse, wie Bäume und Gebäude, beeinflusst die Anströmung eines potenziellen Standortes und somit das Windangebot erheblich. Je komplexer ein Gelände ist, desto mehr wird der Wind gerade in niedrigen Höhen verwirbelt und abgebremst. Die Bewertung des Windangebotes ist schwierig, da zum einen die Wechselwirkung zwischen lokalem Wind und umliegenden Hindernissen sehr komplex ist. Zum anderen existieren für den geplanten Standort in der Regel keine Windmessdaten. Ein Standortgutachten, inklusive Ertragsprognose, ist aber mitunter teurer als die KWEA selbst. Kommt eine Windmesskampagne deshalb aus Kosten- und/oder Zeitgründen nicht in Frage, ist es daher empfehlenswert, einen erfahrenen, möglichst unabhängigen Experten zu Rate zu ziehen.

Der Markt ist unüberschaubar


Eine zweite, wesentliche Herausforderung besteht darin, auf dem unüberschaubaren Kleinwindmarkt die passende Anlage auszuwählen. Unabhängig getestete und typengeprüfte KWEA sind heute leider noch immer in der Minderzahl. Der Käufer einer KWEA sieht sich mit zahlreichen Herstellern konfrontiert, die verschiedenste technische Lösungen unterschiedlicher technischer Reife und Qualität mit zum Teil fragwürdigen Produktangaben zum Verkauf anbieten. Wer eine KWEA erwerben will, sollte sich deshalb im Internet, zum Beispiel in Foren für Kleinwindanlagen informieren und sich an etablierte Hersteller und Installateure wenden, die Referenzanlagen vorweisen können.

Eine gute Ertragsprognose erfordert Kenntnisse über das verfügbare Windangebot sowie präzise und belastbare Daten zum Leistungsvermögen der geplanten Anlage. Die Praxis zeigt aber, dass die geplanten Erträge oft deutlich überschätzt werden – und demnach mindestens eine der zwei zuvor beschriebenen Herausforderungen nicht gemeistert wird. In einer aktuellen Befragung des Fraunhofer IWES wurden 51 Betreiber von KWEA zu ihren Erfahrungen interviewt. Die hierbei betrachteten KWEA, mit mehrjährigen Betriebszeiten zwischen fünf und 20 Jahren, decken den Nennleistungsbereich von 2,5 bis 75 Kilowatt ab. Lediglich 25 Prozent der befragten Betreiber hat angegeben, dass ihre KWEA die Ertragserwartungen erfüllt haben. In vielen Fällen betrug die tatsächliche Jahresstromproduktion nur 50 bis 75 Prozent, in Ausnahmen sogar nur 25 Prozent des vor der Installation prognostizierten Ertrages. Auch wenn die Gründe dafür nicht in jedem Fall scharf benannt werden konnten, nannten die Betreiber vorwiegend eine Überschätzung des Windangebotes und eine unzureichende technische Reife der KWEA als Ursache. In einem Fall wurden erst befriedigende Erträge erzielt, nachdem der Turm der Anlage um sechs auf 24 Meter erhöht wurde.

Die Genauigkeit der Ertragsabschätzung hängt wesentlich vom Wissen über das lokale Windregime ab. Dabei ist die durchschnittliche Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe die maßgebliche Kenngröße zur Qualifizierung der Windressourcen eines Standortes. Ist die durchschnittliche Windgeschwindigkeit hinreichend bekannt, lässt sich bereits mittels einfacher Annahmen der Ertrag einer KWEA grob abschätzen. Die erste Annahme betrifft die Häufigkeitsverteilung der Windge­schwindig­keit, welche sich mathematisch mit der Weibull-Funktion be­schreiben lässt. Im folgenden Beispiel wird die Häufigkeitsverteilung mit dem Weibull-Formfaktor k = 2 berechnet. Die resultierende Häufigkeitsverteilung, auch Rayleigh-Verteilung genannt, stellt für viele Standorte in Deutschland eine gute Näherung dar.

Die einfache Ertragsvorhersage


Die zweite Annahme betrifft den Jahresausnutzungsgrad (Erntegrad) einer KWEA. Im Folgenden wird von einem Erntegrad von 20 Prozent ausgegangen. Das heißt, dass 20 Prozent der für die KWEA im Jahr verfügbaren Windenergie, bezogen auf die Rotorfläche der Anlage, in elektrischen Strom umgewandelt wird. Verschiedene Faktoren, wie die Leistungs­charakteristik und die technische Verfügbarkeit der KWEA, be­stimmen den Erntegrad. Ein Wert von 20 Prozent entspricht den gesammelten Erfahrungen mit KWEA und ist ein guter Ausgangspunkt für eine erste grobe Ertragsabschätzung, welche lediglich die mittlere Windgeschwindigkeit und die Rotorgröße als Eingangsparameter erfordert.

Abbildung 1 zeigt, basierend auf den oben beschriebenen Annahmen, den spezifi­schen Jahresertrag in Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr als Funktion der mittleren Windgeschwindigkeit. Um den Jahresertrag für eine KWEA abzuleiten, muss zunächst der Wert für die entsprechende Windgeschwindigkeit abgelesen werden. An einem Standort mit fünf Metern pro Sekunde mittlerer Windgeschwindigkeit können das pro Quadratmeter 250 Kilowattstunden jährlich sein. Dieser Wert wird mit der Rotorfläche der geplanten KWEA multipliziert. Für eine Anlage mit einem Rotordurchmesser von fünf Metern und eine Rotorfläche von 20 Quadratmetern, ergibt sich ein geschätz­ter Jahresertrag von rund 5000 Kilo­watt­­stunden.

Kostenlose Prognosehilfe


Damit die Erträge von KWEA nach der oben beschriebenen Methode einfach abgeschätzt werden können, hat das Fraunhofer IWES das Excel-Werkzeug „Small Wind Turbine Yield Estimator“ entwickelt. Das Programm steht unter www.wind­monitor.de in der Kategorie „Kleine Wind­energieanlagen“ als freier Download zur Verfügung. Der Benutzer des Programms kann Erntegrad und die Weibull-Parameter frei wählen und zusätzliche Eingangsgrößen in die Berechnung der Ertragsabschätzung einfließen lassen: Um die lokale Topographie zu berücksichtigen kann er aus einer Liste von Geländearten die passende auswählen. Überdies enthält das Excel-Werkzeug synthetische Leis­tungs­kurven fiktiver KWEA mit Rotordurchmessern zwischen einem und zehn Metern und es verfügt über eine Eingabemaske, in die die Leistungskurven von KWEA eingeben und abgespeichert werden können. Anhand des Erntegrades – der sich lediglich auf die Rotorfläche bezieht – und der eingegebenen Leistungs­kurve, ermittelt das Programm jeweils die Jahreserträge und stellt sie einander gegenüber.

Der Small Wind Turbine Yield Estimator berechnet nicht nur den Ertrag der ausgewählten KWEA für die gewünschte Nabenhöhe. Die mittleren Windgeschwin­digkeiten und die entsprechende Erträge werden zusätzlich für alternative Nabenhöhen abgeschätzt. Für die Ermittlung sinnvoller Turmhöhen und Rotorgrößen kann die Berechnung der Erträge in alternativen Nabenhöhen sehr hilfreich sein. Die Ergebnisse werden in einer Ausgabetabelle und in verschiedenen Diagrammen dargestellt. Das Programm gibt unter an­derem den zu erwartenden Mehrertrag für alternative Nabenhöhen an und kann die Jahresdauer verschiedener Betriebszustände wie Leerlauf oder eine reduzierte Leistung abbilden.

Es braucht hochwertige Daten


Prinzipiell lässt sich der Small Wind Turbi­-ne Yield Estimator für unterschiedliche Zwecke nutzen. Einsteiger in die Windenergienutzung können testen, welche Kenngrößen den Ertrag einer KWEA maßgeblich bestimmen, indem sie verschiedene Szenarien durchspielen und unterschiedliche Werte für die mittlere Windgeschwindigkeit, die Geländeform, den Rotordurchmesser und die Turmhöhe der KWEA ausprobieren. Des Weiteren können Leistungskurven unterschiedli­cher am Markt angebotener KWEA eingegeben, auf Plausibilität geprüft und miteinander ver­glichen werden. Letztendlich können auch tatsächliche Ertragsabschätzungen durchgeführt werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ertragsabschätzung bei der Planung von KWEA neutral bestätigte, technische Anlagendaten, sowie Windinformationen aus der unmittelbaren Nähe des geplanten Standortes erfordert. Dabei hängt die Genauigkeit der berechneten Erträge maßgeblich von der Qualität der Eingabedaten ab. Andernfalls kann eine KWEA schnell zur Fehlinvestition werden. Wer sich am Kauf einer Kleinwindanlage lange erfreuen will, sollte deswegen nicht die Mühen scheuen, realitätsnahe Prognosen mit präzisen Eingangsdaten zu erstellen.