In Dettenheim bei Karlsruhe wurde ein Thermalwasserreservoir in 3.600 bis 3.700 Metern Tiefe identifiziert.
Herbert Pohl, CEO der Deutschen Erdwärme GmbH, sieht wachsende Nachfrage nach Geothermielösungen für die Wärmeversorgung.
Nicole Weinhold
Saubere Wärmeversorgung erfährt im Zuge der kommunalen Wärmeplanung nur spürbar Aufmerksamkeit. Einer der größten privaten Entwickler und Betreiber von Erdwärmeanlagen, die Deutsche Erdwärme GmbH, verfügt über das nötige Know-how und die Technologien. Wir sprechen mit CEO Herbert Pohl.
Wie wird das Potenzial der tiefen Geothermie endlich gehoben? Die Gemeinden warten auf Lösungen in der kommunalen Wärmeplanung.
Herbert Pohl: De facto spielt die tiefe Geothermie immer noch eine Nebenrolle, auch in der Wärmewende. Dabei sind etwa zwei Drittel der Fläche in Deutschland grundsätzlich für Geothermie geeignet. Dort lassen sich Projekte der tiefen Geothermie realisieren. Was sind die Restriktionen? Zum einen brauchen wir Wärmenetze. Es reicht mir nicht, wenn ich eine vielversprechende Wärmequelle habe. Ich brauche auch eine Wärmeabnahme. Und die Wärmenetze sind häufig noch zu klein und nicht miteinander verbunden. Wir befinden uns im Rahmen der Wärmewende erst im Aufbau.
Ein weiteres wichtiges Thema, an dem Politik beziehungsweise Länder arbeiten, ist die Datengrundlage. Man bohrt ja nicht so auf gut Glück mal zwei, drei Kilometer tief, sondern das setzt vorherige Erkundungen voraus. Diese sogenannten seismischen Daten, idealerweise ergänzt durch Daten von realen Bohrungen, sind da vorhanden, wo früher die Öl- und Gasindustrie aktiv war. Das heißt also in Teilen von Norddeutschland, in Niedersachsen, teilweise in Rheinland-Pfalz, in Bayern. In weiten Teilen von Deutschland haben wir diese Daten aber nicht. Die Datenlage muss grundsätzlich verbessert werden. Das sind entscheidende Voraussetzungen, um Geothermie erfolgreich zu entwickeln.
Eine dritte Restriktion, mit der wir uns sehr intensiv auseinandersetzen müssen: Wenn wir mehrere Geothermieprojekte entwickeln, stellen wir fest, dass die entsprechende Industrie nicht mehr vorhanden ist, um diese Projekte umzusetzen. Wir hatten in den 50er-, 60er-Jahren hier eine sehr aktive Öl- und Gasindustrie. Wenn Sie sich Standorte anschauen, wie beispielsweise in Celle – da waren viele große Unternehmen angesiedelt. Die sind mittlerweile abgewandert. Heute müssen wir die entsprechenden Ressourcen aus Schottland, aus Rumänien, aus Norwegen holen.
Wenn wir wirklich hochskalieren und 15 Projekte pro Jahr realisieren wollen, müssen wir die Engpässe überwinden.
Was für Ressourcen meinen Sie? Bohrer?
Herbert Pohl: Bohrgeräte kann man bauen. Das dauert anderthalb Jahre, dann hat man zusätzliche Bohrgeräte. Sie brauchen die Mannschaften, die sie bedienen. Und nicht nur eine, sondern immer vier Mannschaften, weil man im 24-Stunden-Betrieb arbeitet, das sind schon mal zwei, und alle 14 Tage Austausch. Sie haben aber neben der Bohrung selbst etwa 15 weitere Gewerke, die für eine Bohrung erforderlich sind: Zementierung, bestimmte Analysen während der Bohrung, Spülungsservices, Richtbohren und Ähnliches. Das sind alles spezialisierte Serviceunternehmen, die es mittlerweile kaum noch in Deutschland gibt. Ich gebe Ihnen ein ganz konkretes Beispiel: Wir haben unser Projekt in Graben-Neudorf zeitgleich gebohrt mit den Hamburger Stadtwerken, die damals ein Geothermieprojekt in Hamburg realisiert haben. Und wir hatten zu dem Zeitpunkt schon einen Engpass an spezialisierten Lastern. Da ergab sich die Frage: Fährt der Laster nach Hamburg oder Richtung Karlsruhe? Wenn wir wirklich hochskalieren und 15 Projekte pro Jahr realisieren wollen, müssen wir diese Engpässe überwinden. Ich glaube, das sind drei Themen, die man klar adressieren muss.
Braucht es dafür von der Politik gewisse Signale? Eine Anfangsförderung?
Herbert Pohl: Es geht vor allem um ein Signal. Man muss einfach deutlich machen, dass man es mit der Wärmewende ernst meint. Diese Projekte sind sehr langfristig. Die Entwicklung dauert deutlich länger als eine Legislaturperiode. Das heißt, sie brauchen auch eine gewisse politische Stabilität, einen gewissen Konsens, so wie wir ihn beispielsweise über Jahrzehnte beim EEG hatten. Das EEG ist ja in den verschiedenen Konstellationen immer wieder verlängert worden im Bundestag. Grundsätzlich hat keiner am EEG-Konzept gerüttelt und gesagt, alle vier Jahre wird das abgeschafft oder wieder neu eingeführt.
Gab es für Geothermie nicht auch eine EEG-Förderung?
Herbert Pohl: Ja, es gab auch eine EEG-Förderung. Aber die Potenziale der Geothermie sind im Bereich Wärme insgesamt deutlich größer als für die Stromversorgung.
Muss es also eine Wärmeförderung sein?
Herbert Pohl: Es heißt ja Erdwärme und nicht Erdstrom. Wärme ist die geeignetere Art, diese Energieform zu nutzen. Mit viel höherer Effizienz. Es bedarf aus meiner Sicht tatsächlich eines deutlichen Signals. Deshalb habe ich auch in der Vergangenheit einen Geothermiegipfel gefordert, auf dem von der Politik klargestellt wird, dass die Rahmenbedingungen weitergeführt und Unternehmen in den Genehmigungsprozessen unterstützt werden. So könnten Geothermieunternehmen sehen, dass es sich lohnt, nach Deutschland zu kommen.
Viele Stadtwerke sind ja nicht so liquide; gleichzeitig ist die Tiefengeothermie schon ein Kostenfaktor. Die würden wahrscheinlich lieber oberflächennahe Geothermie machen – mit überschaubaren Kosten. Was würden Sie dem entgegensetzen?
Herbert Pohl: In einem ersten Schritt muss man sich immer sehr nüchtern anschauen, wo die lokalen Gegebenheiten wirklich eine Geothermielösung favorisieren. Geothermie ist eine Grundlast. Das ist ein großer Vorteil. Sie hat eine langfristige Preisstabilität. Das ist ein Vorteil. Sie ist regional begrenzt. Ich muss unterirdisch die Reservoire finden und das kann dazu führen, dass ich ein hervorragendes geothermisches Potenzial habe, das aber 20 Kilometer vom Wärmenetz entfernt ist. Da muss man sehen, ob sich das noch lohnt.
Die Stadtwerke stehen vor der Herausforderung eines enormen Finanzierungsbedarfs. Und viele Stadtwerkechefs, mit denen ich in letzter Zeit spreche, sagen: „Wir haben jahrelang ausgeschüttet und jetzt gehen wir auf einmal in unseren Aufsichtsrat hinein und wollen eine Kapitalerhöhung. Wir müssen unser Wärmenetz umstrukturieren, unsere Stromversorgung dekarbonisieren und, und, und.“
Das spielt uns auch ein bisschen in die Karten, weil wir beides bieten: Wir finanzieren den Bau von diesen Anlagen und gleichzeitig übernehmen wir das komplette Projektmanagement und die Realisierung. Wir sagen: Ihr müsst nur einen Wärmevertrag abschließen. Das ist unsere Lösung dafür. Das Thema Finanzierung für eine Ausweitung der Geothermieindustrie ist meines Erachtens machbar. Wenn Sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dann werden Sie auch Kapital finden. Das große Geld kommt von Versicherungen, Pensionskassen und Ähnlichem. Diese suchen langfristige, stabile Renditen. Und was gibt es da Schöneres, als einen 30-, 40-jährigen Wärmevertrag mit einem Stadtwerk? Das sind keine absurd hohen Returns, aber sie sind stabil und verlässlich.
Auf der einen Seite habe ich eine Preisstabilität für das Stadtwerk, auf der anderen Seite eine Einkommensstabilität für den Investor. Ich glaube, das Kapital lässt sich mobilisieren.
Wenn Sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dann werden Sie auch Kapital finden. Das große Geld kommt von Versicherungen, Pensionskassen und Ähnlichem.
Und jetzt haben Sie ja schon einige größere Projekte in der Pipeline. Wie sieht da die Wirtschaftlichkeit aus?
Herbert Pohl: Wir bewegen uns bei Geothermieprojekten im Versorgungsbereich. Und da sind die Returns grundlegend begrenzt. Das ist einfach ein Fakt. Letztlich werden die Wärmepreise von Endverbrauchern gezahlt, und damit haben Sie sofort eine soziale Komponente in der Diskussion. Es gibt ja große Diskussionen über unterschiedliche Wärmepreise in Deutschland. Wir arbeiten mit einem großen Investor zusammen, der Kapital zur Verfügung stellt, solche Projekte zu realisieren. Dieses Modell ist durchaus replizierbar.
In Baden-Württemberg ist die kommunale Wärmeplanung so gut wie abgeschlossen. Inwiefern sind Sie dort denn jetzt berücksichtigt worden?
Herbert Pohl: Wir haben mit vielen Gemeinden deren kommunale Wärmeplanung besprochen und dabei die klare Rückmeldung bekommen, dass die Wärmewende in diesen Gemeinden nur mit Geothermie gelingen wird, da sie kaum auf industrielle Abwärme zurückgreifen können. Sicherlich kann man in einem gewissen Maße mit Wärme- und Flusspumpen arbeiten, aber gerade in Baden-Württemberg, gerade im oberen Rheingraben, also auf der ganzen Strecke zwischen Frankfurt und Freiburg, lässt sich mit tiefer Geothermie gut eine Grundlast zur Versorgung der Gemeinden erzeugen. Daraus hat sich sehr klar ergeben, dass Geothermie der „make or break“ für die Wärmewende ist.
Dank der hohen Temperaturen im Oberrheingraben können Erdwärmeanlagen hier sowohl Strom erzeugen als auch Wärme zum Heizen auskoppeln.
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