Die Corona-Pandemie trifft die verschiedenen Wirtschaftszweige in höchst unterschiedlichem Ausmaß. Während einige Branchen wie die Luftfahrtindustrie oder das Messewesen fast vollständig lahmgelegt wurden, verzeichneten IT-Unternehmen und Online-Handel rasante Umsatzzuwächse. Die Windenergiebranche liegt zwischen diesen beiden Extremen. Reisebeschränkungen und Lieferengpässe werden sich zwar vorübergehend in den Bilanzen bemerkbar machen, doch in den angekündigten Konjunkturpaketen von Bundesregierung und EU-Kommission kommt eine klare Zielsetzung zum Ausdruck: Durch die konsequente Förderung von erneuerbaren Energien sollen die EU-Staaten ihre selbst gesteckten Klimaschutzziele erreichen und Arbeitsplätze sichern. Der Windkraft kommt dabei eine doppelte Funktion zu: Neben der Stromerzeugung soll sie in großen Offshore-Anlagen auch zur Produktion von Wasserstoff genutzt werden, der als vielseitig einsetzbarer Energieträger der Zukunft gilt.
Damit ein Unternehmen von den sich abzeichnenden Veränderungen und Chancen profitieren kann, muss dessen Führungsriege mutige Entscheidungen treffen. Das ist leichter gesagt als getan, weshalb es an dieser Stelle lohnt, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen. Die Fähigkeit, auch in einer unsicheren Situation Chancen und Risiken angemessen beurteilen zu können und Entscheidungen zu treffen, ist eine der Führungseigenschaften schlechthin. Weil sich Technik und Gesellschaft schneller denn je ändern, wird Mut bei Entscheidungen in der gesamten Wirtschaft weiter an Bedeutung gewinnen. Mut stellt dabei im besten aristotelischen Sinne eine Tugend dar, die zwischen Feigheit und Tollkühnheit liegt. Denn die Vermeidung oder das Aufschieben von Entscheidungen ist in Führungspositionen ebenso fehl am Platz wie die Inkaufnahme zu großer Risiken, die den Unternehmensbestand gefährden.
Es gibt viele wissenschaftliche Arbeiten, die die Fähigkeit, mutige Entscheidungen zu treffen, mit persönlichen Eigenschaften verbinden. Neben dem Selbstwertgefühl gehört dazu auch die Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit. Das Eingestehen und Überwinden von Ängsten, die mit dem Treffen von Entscheidungen von großer Tragweite einhergehen, gehört ebenfalls dazu. Mut zu Entscheidungen kann man sich wie einen Muskel vorstellen. Manche Menschen kommen mit besseren Muskeln zur Welt als andere, aber grundsätzlich kann jeder die Leistung seiner Muskeln verbessern, in dem er trainiert. Das heißt, über eigene Entscheidungen in der Vergangenheit nachzudenken und im Austausch mit Experten die Gründe für bestimmte Entscheidungen, die sich später als richtig oder falsch herausstellten, zu reflektieren.
Team- und Kommunikationsfähigkeit sind zwei weitere wichtige Faktoren: Wer sich vor der Entscheidungsfindung mit Kollegen aus der Führungsriege austauscht, verbreitert seine Wissensbasis und kann sich mit Gegenargumenten auseinandersetzen. Das Gute an diesen geschilderten Eigenschaften ist, dass man sie nicht nur durch Eignungsdiagnostik ermitteln, sondern durch Coaching und Training gezielt verbessern kann. Und anders als bei den Anlagen zur Energieerzeugung muss man dafür nicht auf günstigen Wind warten.
Der Autor dieses Artikels, Volker Schulz, ist Director Board & Executive bei der Unternehmensberatung Mercuri Urval. Dieser Artikel ist in unserem Printmagazin erschienen. Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeheft und finden Sie dort weitere spannende Artikel.