Der neue Renewable Energy Country Attractiveness Index (RECAI) bestätigt nur wenige länger anhaltende klare Entwicklungen. Dazu gehört das für Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen zunehmend bessere Klima in den zwei süd- und mittelamerikanischen Ländern Chile und Mexiko. So hatte Chile schon im Mai einen über ein Jahr währenden kontinuierlichen Aufstieg von Rang Elf – Indexwert vom März 2015 – auf Rang Vier hinter sich. Nun bestätigte das Andenland diese Stabilität erneut: Zum zweiten Mal steht es nun als Vierter einen Platz vor dem führenden Land Europas, vor Deutschland, und nur noch hinter den auf dem Spitzenplatz notierten USA, hinter China, hinter Indien. Mexiko rückte laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst amp; Young (EY), die den RECAI führt, im selben Zeitraum sogar von 22 auf 6 direkt nach Deutschland vor. Für beide Länder spricht offenbar ein gut funktionierender marktwirtschaftlicher Wettbewerb: In den jeweils jüngsten nationalen Ausschreibungsrunden akzeptierten die Investoren oder Projektplaner niedrigste langjährige Einspeisepreise für den aus Wind- oder Solarparks in die Netze gelieferten Strom als ausreichend für ihr angelegtes Geld.
Auktionen mit Rekord-Tiefstpreisen für grünen Strom
Die erste Grünstromauktion habe in Mexiko den Abschluss von Stromlieferverträgen für ein Erzeugungsvolumen von zwei Gigawatt (GW) erbracht, betonte EY schon vor einem halben Jahr. Dies sei bei „hochwettbewerbsfähigen Preisen, basierend auf schon starken makroökonomischen Bedingungen und einem weitreichenden Energie-Reformprogramm“ geschehen. Nun sehen sich die Wirtschaftsprüfer durch die zweite Auktionsrunde bestätigt. Diese habe die Erwartungen noch übertroffen, urteilt EY nun. Ein durchschnittlicher Einspeisepreis von 33 US-Dollar pro Megawattstunde (MWh) beziehungsweise 3,3 US-Cent pro Kilowattstunde (kWh) habe den Durchschnittspreis der ersten Auktion um 32 Prozent noch unterboten. Für Mexiko spreche auch, dass der südliche Nachbarstaat der USA sich dazu bekannt hat, mit den nördlichen Anrainerstaaten USA und Kanada auf ein gemeinsames Erneuerbare-Energien-Ziel hinzuarbeiten: und zwar schon 2025 mindestens die Hälfte der benötigten Elektrizität aus sauberen Quellen zu beziehen.
Für Chile wiederum hält EY einen US-Dollar- beziehungsweise US-Cent-Einspeisepreis von 29,1 pro MWh beziehungsweise 2,91 Cent pro kWh fest: Die jüngste Grünstrom-Auktion in dem Andenstaat habe somit nun die niedrigsten je gesehenen Stromliefer-Gebote für erneuerbare Energien erbracht. Dass Chile nicht weiter vorrücken konnte, um eventuell sogar noch Indien als attraktiven Markt zu überholen, liegt laut EY am Stromnetzausbau. Hier habe die Regierung in Santiago ihre Hausaufgaben bisher nicht gemacht.
Südafrika und Marokko folgen ebenfalls stabilem Aufwärtstrend
Aber auch Südafrika rückte in diesen eineinhalb Jahren kontinuierlich in der Attraktivität für die Investoren von Rang 13 auf zuletzt Rang 9 vor. Auch wenn es etwas Schwierigkeiten im Ausschreibungssystem gegeben habe, argumentieren die Wirtschaftsprüfer knapp, halte die Attraktivität des Landes für die Investoren erkennbar an.
Ein ebenfalls noch stabiler Aufsteiger ist Marokko: Von Rang 27 ist es seit März 2015 in jedem neuen RECAI um noch ein paar Plätze auf jetzt Rang 13 emporgeklettert.
Europa: Großbritannien und Polen verlieren konstant Attraktivität
Unter den europäischen Ländern wiederum gibt es nur wenige Langzeit-Konstanten – und die sind negativ: So ist Großbritannien seit März 2015 kontinuierlich von Rang 8 auf Rang 14 zurückgefallen. Und Polen verliert ebenfalls an Reiz - wenngleich erst seit einem zwischenzeitlichen Bestwert im RECAI_Index im September 2015. Damals, also vor gut einem Jahr, war Polen bei EY noch Nummer 26. Nun steht das Land hier noch auf Rang 36.
In Großbritannien sei die Unsicherheit infolge des Brexits für den Abwärtstrend mitverantwortlich, heißt es bei EY: Der angekündigte Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) nach einer Volksabstimmung im Sommer gehöre zu den Gründen hierfür. Auch die Abschaffung des Ministeriums für Klimapolitik im Sommer sowie die Zustimmung zum Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C hätten einen empfindlichen Schlag gegen den UK-Erneuerbaren-Sektor bedeutet. Lediglich die Zustimmung Londons zum 1,8-Gigawatt-Projekt Hornsea 2 stehe auf der positiven Seite. Der Offshore Windpark soll der größte Meereswindpark weltweit werden. Für das Absacken Polens enthalten sich die EY-Autoren einer speziellen Bewertung.
Brasilien verliert nach Regierungsumsturz
Auch im lange Zeit für Investoren sicherlich am verlockendsten erscheinenden Markt Südamerikas, Brasilien, haben die politischen Entwicklungen eine deutliche Wirkung erzielt. So erklärt EY das Abstufen des größten Erneuerbare-Energien-Marktes Südamerikas von Rang 6 auf Rang 8 mit dem Absetzungsverfahren gegen die Präsidentin Dilma Rousseff. Die hier siegreichen rechten, eher traditionellen Konzern-Wirtschaftsstrukturen verpflichteten politischen Kräfte seien für die Investoren in Sachen Erneuerbare ein Risikofaktor: Der neue Energieminister Fernando Coelho Filho könnte die nächste Ausschreibungsrunde mit dem Argument einer mangelnden Stromnachfrage wieder absagen.
Ägypten: große Diskrepanz zwischen Zielen und Realität
Das Beispiel Ägypten zeigt indes, wie weit politische Aussagen und Hoffnung auf einerseits und die Wirklichkeit andererseits voneinander abweichen können. Im RECAI sackte der nordafrikanische Hoffnungsmarkt auf Rang 19 ab, nachdem er im Mai schon einmal Platz 16 erreicht hatte. Seit März 2015 hatte Ägypten zuvor nur gewonnen. Von Rang 39 an war es rasch aufwärts gegangen. Nun notieren die EY-Analysten: Die Verweigerung der Regierung in Kairo, internationale Schlichtung bei den Stromlieferverträgen zuzulassen, entmutige die Investments in Erneuerbare wieder.
Möglicherweise aber haben die an Investments interessierten Kapitalbesitzer nur gemerkt, wie groß Anspruch und Wirklichkeit in dem Land auseinanderklaffen. Das Branchenanalyse-Unternehmen Make Consulting urteilt nun, Ägypten sei langsam im Umsetzen. So habe Ägypten erst 755 Megawatt von bis 2020 geplanten 7,2 Gigawatt Windkraft installiert. Zwar steckten in den Projektentwicklungspipelines bereits zehn GW geplanter Windparks. Doch weniger als weitere 500 Megawatt seien in einer schon vorangeschrittenen Projektentwicklungsphase, meldet Make Consulting.
(Tilman Weber)