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Bedroht der Fachkräftemangel die Energiewende?

Etwa die Hälfte des in Deutschland erzeugten Stroms stammt heute aus erneuerbaren Quellen. Geht es nach dem Wirtschaftsminister, dann soll dieser Anteil bis 2030 auf 80 Prozent steigen. Das bedeutet in absoluten Zahlen weit mehr als eine Steigerung der regenerativ erzeugten Strommenge um 60 Prozent, denn es ist davon auszugehen, dass der Stromverbrauch durch die vermehrte Nutzung von E-Autos sowie das Heizen mit Wärmepumpen deutlich steigen wird.

Um das Ziel trotzdem zu erreichen, müsste der Ausbau der erneuerbaren Energie daher wesentlich schneller erfolgen als das in den vergangenen Jahren der Fall war.

Hohe Gehälter sind zwar eine feine Sache für die vorhandenen Beschäftigten, aber sie locken keine Bewerber an, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht gibt.

151.300 offene Stellen

Neben den Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren, technischen Herausforderungen wie fehlenden Transport- und Speicherkapazitäten sowie Lieferengpässen beim Baumaterial gibt es vor allem einen Hemmschuh: Wer soll die vielen benötigten Anlagen bauen und installieren? Laut des jüngst veröffentlichten VDI-/IW-Ingenieurmonitors gab es im ersten Quartal 2022 in Deutschland 151.300 offene Stellen in den Ingenieur- und Informatikberufen – das ist ein neuer Rekordwert. Auch im Handwerk sieht die Situation nicht besser aus, denn dort wurden nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zuletzt ebenfalls rund 150.000 offene Stellen gemeldet. Der Fachkräftemangel hat deshalb definitiv das Potenzial, die Energiewende auszubremsen.

Weniger Absolventen auf dem Arbeitsmarkt

Mit Geld allein wird das Problem nicht zu lösen sein, denn hohe Gehälter sind zwar eine feine Sache für die vorhandenen Beschäftigten, aber sie locken keine Bewerber an, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht gibt. Die Hoffnungen auf den Nachwuchs zu setzen, ist ebenfalls nicht zielführend, denn laut des Instituts für Wirtschaft in Köln ist die Zahl der Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften und Informatik in den vergangenen fünf Jahren um rund 15 Prozent zurückgegangen. Dementsprechend werden in naher Zukunft weniger Absolventen auf den Arbeitsmarkt strömen.

Abbau bürokratischer Hürden

Den Abbau bürokratischer Hürden bei der Anwerbung von nicht aus der EU kommenden Fachkräften haben Unternehmen zwar nicht in der Hand, aber sie können einiges dafür tun, um EU-Bürgern den Schritt nach Deutschland zu erleichtern. Sei es durch die Unterstützung bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen, der Kinderbetreuung oder durch gute Onboarding-Prozesse. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind Frauen, die gerade in den IT-Berufen noch besser gefördert werden können. Und auch Quereinsteiger sollten künftig öfter eine Chance bekommen. Wichtiger als das angesichts des rasanten technischen Wandels schnell veraltende Fachwissen ist das Potenzial, sich in neue Arbeitsgebiete und Aufgaben hineinarbeiten zu können. Die Vorstellung, nur Kandidatinnen und Kandidaten mit einem „perfekten Lebenslauf“ zu rekrutieren, hat angesichts des steigenden Fachkräftemangels ausgedient.

Im Recruiting neue Wege gehen

Es ist höchste Zeit, auch im Recruiting neue Wege zu gehen, um überhaupt den Kontakt zu potenziellen Mitarbeitern zu bekommen. Am besten sind dafür diejenigen geeignet, die ohnehin schon da sind: die eigene Belegschaft und im speziellen die Führungskräfte. Eine von Mitarbeitern als positiv eingeschätzte Unternehmens- und Führungskultur zahlt sich hier doppelt aus, denn sie erhöht nicht nur die Mitarbeiterbindung, sondern auch die Bereitschaft, für das eigene Unternehmen als Arbeitgeber zu werben. Und das ist ein vielversprechender Weg, um wenigstens für sich den Fachkräftemangel abzuwenden.

Volker Schulz, 
Partner & Director sowie Teamleiter in Hamburg, Mercuri Urval

Mercuri Urval

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