Reynalda Arguello lächelt. Ja, sagt sie, die Biogasanlage hat nur Vorteile. „Es geht jetzt viel schneller, die Tortillas zuzubereiten, Bohnen, Reis oder auch den Kaffee.“ Die 79-Jährige lebt auf einer Farm in der Region Chontales im Herzen von Nicaragua. Welliges grünes Land breitet sich im Hintergrund aus – begrenzt am Horizont von der Kette der zentralamerikanischen Kordilleren. Strom gibt es bei den Arguellos nicht. Zu weit weg liegt das Anwesen von der Hauptstraße, an der auch die Stromleitung entlangführt. Unter 20 Minuten ist der Schotter- und Lehmweg hinauf nicht zu schaffen.
Ungesunder Rauch beim Kochen
Aus Mangel an Strom und sonstigen Alternativen wurde in der Küche der nicaraguanischen Familie – wie bei vielen Millionen anderen Landwirten auf der Welt auch – in der Vergangenheit ausschließlich mit Brennholz gekocht. „Das war sehr ungesund und hat die Lungen krank gemacht“, erinnert sich die rüstige Dame an die Küche voller Rauch und Qualm. Das änderte sich, als ihr Sohn Geovani, der mit seiner Frau und zwei Kindern nur einen Steinwurf weit entfernt wohnt, vor drei Jahren mit der Biogasidee nach Hause kam. Er hatte von einem Programm erfahren, das die niederländische Nichtregierungsorganisation SNV durchführt, um Landwirten einfache Biogastechnologien nahezubringen. „Ich habe mich unterweisen lassen und dann den Biogasreaktor selbst gebaut“, sagt er und setzt sich neben seine Mutter. Beide nicken zufrieden. Jetzt kann jeder in seinem Haus den Gasherd andrehen und auf blauer Flamme statt über loderndem Feuer kochen.
Zwischen ihren beiden Häusern, die ein paar hundert Meter auseinanderliegen, neben Koppel und Stall, arbeitet die Anlage eingelassen in den lehmigen Untergrund. Es handelt sich um ein sogenanntes Festkuppelsystem (fixed dome) in einer speziell von der SNV und einheimischen Experten entwickelten Variante. Herzstück ist ein gemauerter Fermenter, der in die Erde eingegraben wird. Nur die Kuppel liegt überirdisch. Familie Arguello hat sich dabei für ein Gärvolumen von neun Kubikmetern entschieden. Grundsätzlich gibt es auch kleinere und größere Einheiten. Der Fermenter hat eine Verbindung zu einem zweiten Behälter, der ebenfalls unterirdisch angelegt wurde, dessen Tiefe aber geringer ist.
Kuhdung und Wasser im Fermenter
In den Fermenter füllen die Betreiber über eine seitliche Zuführung eine Mischung aus Kuhdung und Wasser, aus der die in der Gülle enthaltenen Bakterien unter Sauerstoffabschluss Biogas produzieren. Das Gas steigt in die Kuppel, wo es über eine Leitung abgenommen werden kann, und drängt die Flüssigkeit in den Ausgleichsbehälter. Wird Gas entnommen, schwappt die Flüssigkeit zurück. Die schweren Bestandteile der Mischung setzen sich im Fermenter an einem dafür vorgesehenen Tiefpunkt ab. Flüssige Gärreste sammeln sich im Ausgleichsbehälter. Die besonders wertvollen Anteile können über einen separaten Überlauf entnommen werden.
Geovani Vargas zeigt das: Er entfernt ein Stück Wellblech, das er zum Schutz mit einem Stein beschwert auf den Überlauf gelegt hatte. Jetzt wird eine zähflüssige gelbbraune Masse sichtbar, die oben auf der Flüssigkeit schwimmt. „Das ist unser Biodünger“, sagt er und schaufelt ein paar Spaten in einen bereitstehenden Eimer. Zwei Schritte entfernt schießen Bananenstauden in die Höhe. Geovani verteilt die schlammigen, aber geruchsfreien Reste aus dem Reaktor um die Stämme. „Sehen Sie, wie kräftig die Bananenbäume sind. Dieser Dünger ist von sehr guter Qualität.“
Das ist ein wichtiger Grund, warum sich der Biogasreaktor neben dem Effekt, die Lebensqualität zu verbessern und Holzressourcen zu schonen, auch rein ökonomisch rechnet. Nach einer chemischen Analyse von SNV produziert ein System wie das der Landwirtfamilie Arguello jährlich Dünger im Wert von rund 300 Euro. Nur alleine damit würde sich das Festkuppelsystem in dreieinhalb Jahren amortisiert haben. Weil SNV mit Unterstützung der Interamerikanischen Entwicklungsbank und des skandinavischen Nordic Development Funds die Investition mit einem Zuschuss von 20 Prozent anreizt, hat sich das für Familie Arguello schon jetzt bezahlt gemacht. Auch Geovanis Schwester Justina, die zu Besuch gekommen ist, um die Kinder zu sehen und die Hühner zu füttern, lobt die Anlage. „Sie hat nur Vorteile. Allerdings kann sie sich trotzdem nicht jeder leisten.“
Denn Nicaragua ist ein armes Land. Deshalb sind die finanziellen Anreize notwendig. Bisher wurden rund 6.000 solcher Biogaseinheiten gefördert. Viel mehr sollen es nicht mehr werden. „Es geht darum, mit dem Nationalen Biogasprogramm einen selbsttragenden Markt aufzubauen mit lokalen und internationalen Anbietern auf der einen und Abnehmern auf der anderen Seite“, sagt Guillermo Largaespada, der die Landwirte als Berater der SNV regelmäßig besucht. Dafür hat die Organisation 120 Maurer ausgebildet, um die Kuppel-Biogasanlagen zu bauen. Geovani Vargas ist einer von ihnen und hat schon 30 solcher Anlagen realisiert. Manche der Bauern hätten sich auch ohne finanzielle Unterstützung dafür entschieden.
Größere Anlagen lohnen sich
Für größere Anlagen gibt es ohnehin keine Förderung. Die lohnen sich auch so, wie Wilmer Fernandez erzählt. Er ist Chef der nationalen Milchwirtschaftskammer und Eigentümer von Farmen mit mehreren hundert Tieren. Er betreibt seit letztem Sommer eine vom Prinzip her ähnliche Anlage wie die der Arguellos, nur mit dem dreifachen Fermentervolumen. „Das Gas nutzen wir neben der Küche auch für einen Gasmotor, der die Melkmaschine antreibt und die Wasserpumpe zur Bewässerung der Felder“, erzählt er im Gespräch auf seiner Veranda. Außerdem erhitzt das Biogas Wasser in einem Boiler zur Desinfektion der Milchkannen. Fernandez spart Strom, Diesel, Transportkosten für die Rinder, die in der Trockenzeit nun nicht mehr auf feuchtere Höhen gekarrt werden müssen, und Feuerholz.
„Die Investition wird sich in zwei Jahren bezahlt machen“, sagt er und lehnt sich entspannt zurück. Biogas in Nicaragua, so scheint es, sorgt bei allen Beteiligten für Zufriedenheit.
(Oliver Ristau)
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