Wer im Norden Deutschlands regelmäßig Biogemüse verzehrt, wird ihn kennen: den Westhof aus Friedrichsgabekoog in Dithmarschen. Ob Möhren, Kohl, Tomaten oder Paprika – bei vielen Discountern und Marken-Supermärkten im Norden zählen die Bioprodukte von der Westküste Schleswig-Holsteins zum Sortiment.
Mit einer Anbaufläche von 1.000 Hektar ist der Westhof einer der größten Biobauernhöfe der Republik. Geschäftsführer Rainer Carstens ist ein fröhlicher Mensch, offenbart Nehmerqualitäten, als ihn Fotografen bei einem Pressetermin bitten, sich auf einem Feld mit Kleegras niederzulassen: „Mein Knie ist zwar lädiert, aber das schaffe ich noch“, sagt er, beugt die Knie und lacht in die Linse. Eine steife Brise weht über das flache Feld. Ein paar Windräder in der Ferne drehen sich.
Hier ist Kampfgeist gefragt
Durchhaltevermögen ist bei Biobauern eine nützliche Eigenschaft. Nicht nur, weil sie in den Jahren der Umstellung vom konventionellen auf den Ökolandbau erst einmal weniger Erträge erzielen, was der Westhof allerdings schon lange – seit 1989 – hinter sich hat. Sondern weil das Anbautempo von der Natur vorgegeben wird. Beispiel Kleegras: Weil mineralische Dünger im Bioanbau genauso verboten sind wie chemische Insektizide und Pestizide, müssen die Böden auf natürliche Weise mit Nährstoffen versorgt werden.
„Ohne vernünftige Fruchtfolge funktioniert kein Biolandbau“, sagt Carstens, der mittlerweile wieder steht, und erklärt: Zwei Jahre lang binden Kleegras und Blühwiese Nährstoffe im Boden, die die Feldfrüchte später brauchen. So nimmt Kleegras aus der Luft Stickstoff auf und reichert ihn über seine Wurzeln im Erdreich an: je Hektar und Jahr etwa 150 bis 300 Kilogramm. Das ist die Grundlage für das Wachstum in den nächsten vier Jahren. Bei Carstens kommen erst Kohl oder Spinat, im folgenden Jahr zum Beispiel Rote Beete, dann Möhren und schließlich Erbsen oder Spinat zum Einsatz, bis das Kleegras wieder übernimmt. Nicht immer reichen die natürlichen Nährstoffe. „Wenn der Kohl einen Nachschlag braucht, gibt es extra Dünger“, sagt Carstens. Der stammt auch vom eigenen Hof, genauer aus dem Gärrest der hofeigenen Biogasanlage.
Und auch dabei spielt der grüne Klee wieder eine Hauptrolle. Denn nachdem die Pflanzen ihre Aufgabe bei der Bodenverbesserung verrichtet haben, werden sie geschnitten und als Silage für den Fermenter aufbereitet. Sie haben immer noch so viel Stickstoff, dass der Gärrest zum nährstoffreichen Biodünger taugt.
Es duftet nach frischen Rüben
Weitere Rohstoffe für die Biogasanlage sind Abfälle des Biogemüses. Und weil die Konsumenten anspruchsvoll sind, gibt es davon reichlich. Einmal über das Kleegrasfeld, dann präsentiert Carstens die Anlagen, in denen gerade Möhren verarbeitet werden. Überall liegt der Duft der frischen Rüben in der Luft. Zwischen den Wasch- und Sortieranlagen stehen Zuber auf dem Boden, bis zum Rand gefüllt mit Exemplaren, die in kräftigem Orange leuchten. Obwohl sie für den Laien nach guter Ware aussehen, ist das Ausschuss: „Die einen sind zu klein, die anderen haben Flecken. Sehen Sie“, sagt Carstens und zeigt auf eine Möhre mit dunkler Verfärbung.
Ein Teil der als Frischware nicht geeigneten Qualität kann noch in der eigenen Tiefkühlkostabteilung verwertet werden. Der Rest wird gesammelt, in einem Häcksler zerkleinert und dann in den Fermenter gegeben. Insgesamt 13.000 Tonnen fallen jährlich an – Kleegras und eigenes Biogemüse der sogenannten Klasse C zusammengenommen. Wenn diese Menge für den eigenen Bedarf nicht reicht, beschafft sich Carstens Ausschussgemüse extern. Während Carstens den Häcksler präsentiert, wird gerade eine Charge aussortierter Dosenmais mit den eigenen Möhren zerkleinert.
Mediterranes Klima durch Ökogasanlage
Seine Anlage produziert jährlich rund zwei Millionen Kubikmeter Biogas. Der Strom, den das Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer elektrischen Leistung von 549 Kilowatt daraus erzeugt, wird nach EEG ins Netz eingespeist. Die übrigen Produkte der Ökogasanlage kann der Westhof direkt nutzen.
Vor allem die Wärme ist kostbar, denn Dithmarschen verfügt nicht gerade über mediterranes Klima. Carstens braucht daher für Tomaten und Paprika ein Gewächshaus. Das steht gleich neben dem BHKW. Nach Passieren einer Hygieneschleuse bezieht Carstens vor den Panoramascheiben des 40 Hektar großen Pflanzareals Position. Drinnen recken sich Stauden mit grünen Paprika in die Höhe. Hier herrscht eine mollige Temperatur. Die Wärme kommt über Rohre aus dem BHKW.
Um das Ökogemüse vor Mäusen und Ratten zu schützen, leben im Gewächshaus vier Katzen. „Wir haben das mit den Behörden diskutiert, die wegen der Tiere skeptisch waren“, erzählt Carstens die Anekdote. „Aber sie haben das akzeptiert, weil sie eingesehen haben, dass Katzen besser für das Biogemüse sind als Rattengift.“
Die 800 Tonnen Paprika, die hier pro Erntezyklus wachsen, brauchen neben diesen Aufpassern aber auch Nährstoffe. So zum Beispiel Kohlenstoff für das Wachstum, das die Pflanzen über Photosynthese und den Stoffwechsel von Kohlendioxid (CO²) aus der Luft aufnehmen. Um ein Niveau von 400 bis 600 ppm CO² im Gasgemisch der Luft zu gewährleisten, liefert die Biogasanlage auch CO² zu. Das vom Methan des Biogases abgeschiedene Klimagas kann der Hof so je nach Wachstumsphase des Gemüses zu bis zu 50 Prozent verwerten. Zuletzt bleiben 10.000 Kubikmeter Gärrest übrig, der als Biodünger auf die Felder zurückkommt.
Der Kreislauf funktioniert, freut sich Carstens. „Wir wollen mit unserem Betrieb energieneutral sein und die notwendigen Rohstoffe selbst erzeugen“, sagt er. Noch sind solche Ökogasanlagen wie die des Westhofs in Deutschland eine Seltenheit. Nach Schätzung von Agrarberatern der Landberatung Mitte sind deutschlandweit nur 180 Anlagen im ökologischen Landbau installiert. Das ökonomische Potenzial liege beim Fünffachen.
(Oliver Ristau)
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