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Anything goes

Die drei schizophrensten Energiewende-Projekte

1. Beispiel: Klimaschutzalternative Diesel

Ausgerechnet im Energiewende-Erfinderland darf der derzeit als dreckigster fossiler Treibstoff verschrieene Diesel sich wieder zur „sauberen“, Klimaschutzzielen dienenden Alternative im Verkehrssektor erhoben sehen. Zumindest versuchten entsprechendes die Lobbyisten des US-amerikanischen Diesel Technology Forum, als sie die auf der Baumaschinenmesse in München präsentierte Dieseltechnologie zum wichtigen Akteur der Reduzierung der Treibhausgasemissionen erklärten. „Die fortgesetzte Einführung von hybriden und Energiespeicher-Systemen, in denen Dieselmaschinen so gut wie elektrische Generatoren funktionieren, zur Treibstoffeffizienz im Dauermodus laufen, ist hier ein Trend“, sagte Allen Schaeffer, der Direktor des Forums: „Es geht darum, mehr Arbeit mit weniger Treibstoff zu tun – und diese Clean-Diesel-Technologien tragen auch dazu bei, die Emissionen deutlich zu eliminieren.“

Bewährter Marketingtrick: Werben mit dem Schwachpunkt

Dass Branchen und produzierende Unternehmen ihre Produkte mit genau den Eigenschaften anpreisen, die am meisten ihre Akzeptanz bedrohen – ist in der Werbung nicht neu. So werben Autohersteller mit unberührten und vor Luftverschmutzung bewahrten Landschaften statt dem Straßenverkehr, Süßwarenproduzenten mit schlanken statt dicken Menschen oder Fastfood-Ketten mit Tradition statt zerstörter Esskultur. Doch dass Clean Diesel für eine Pressebotschaft von immerhin 7.700 Zeichen sogar für das Energiewende-geprägte deutsche Publikum wieder geeignet ist, dürfte nicht zuletzt Botschaften wie der Breakthrough Energy Coalition des Internetkonzern-Gründers Bill Gates zur Pariser Weltklimakonferenz im vergangenen Herbst zu verdanken sein. Dort verpflichteten sich Länder auch ohne bekannte Klimaschutzambitionen vor allem zur Förderung sauberer Energie, die nicht erneuerbar sein muss: Gemeint ist Energie auch aus Brennstoffen, wenn diese auf irgendeinem Wege eine reduzierte Emission von CO2 zu versprechen scheint – wie „saubere“ Kohlekraft, Atomenergie oder eben auch Diesel. Auch das Vorbereitungstreffen der Energieminister der Internationalen Energieagentur in Paris Mitte November vor der Klimakonferenz stieß mit der Abschlusserklärung ins selbe Horn: „Innovation for a Clean, Secure Energy Future“ lautete ihr Arbeitstitel – „Innovation für eine saubere, sichere Energiezukunft“.

Auch nicht neu sind die Vorstöße der weiterhin auf fossile Großkraftwerke setzenden Energiekonzerne ins Erneuerbaren-Milieu. Diese hatten in Deutschland bekanntlich die Erneuerbaren erst als Alibi-Projekte genutzt, dann als Ergänzung ihrer immer unrentableren konventionellen Energieproduktion – und schließlich als Fluchtweg, um zugleich die Altlasten der konventionellen Erzeugung möglichst schnell und verlustarm abstoßen zu können. So versuchen sich derzeit RWE, Eon, Vattenfall und Co im schnellen Abschalten unrentabler Kohlekraftwerke oder im Auslagern des verlustreichen konventionellen Geschäfts in neue Firmen wie Uniper. Kritiker befürchten bereits, Firmen wie Uniper könnten zum Pleite gehen gemacht sein, um von der Politik Subventionen zu ihrer Rettung zu erschleichen.

Doch noch einmal anderer Qualität sind zwei weitere schizophren anmutende neue Energiewende-Projekte:

2.Beispiel: lokale Akzeptanz fürs Offshore-Windfeld nur mit dem AKW

So haben in Großbritannien jetzt die Entwickler des Offshorewindparks Galloper mit dem EDF-Kernkraftwerk Sizewell einen gemeinsamen sogenannten Community Fonds zur Förderung lokaler Projekte mit einem Volumen von 85.000 Pfund eingerichtet. Der gemeinsame Fonds war eine Bedingung für die Galloper-Projektgesellschaft dafür, dass diese eine Umspannplattform des Kernkraftwerks an Land zum Anschluss des Stromübertragungskabels aus dem Offshore-Windpark mitnutzen darf.

Das 1,5 Milliarden britische Pfund kostende Projekt Galloper ist eigentlich ein Erweiterungswindpark des Seewindparks Greater Gabbard. Das Projekt-Konsortium besteht aus RWE Innogy UK, der UK Green Investment Bank, dem Siemensfinanzierungsdienst Siemens Financial Services und dem Private-Equity-Unternehmen Macquarie Capital. Greater Gabbard soll mit einer Erzeugungskapazität von 336 Megawatt (MW) ab 2018 ins britische Netz einspeisen. Die Liaison zwischen Kern- und Windkraft passt allerdings just in Großbritannien: Das Vereinigte Königreich hat 2014 eine bislang einzigartige Beihilfeerlaubnis von der Europäischen Kommission für das Neubauprojekt des AKW Hinkley Point erhalten. Das für 2023 geplante AKW darf demnach zu einer garantierten sehr hohen Einspeisevergütung seinen Strom ins Netz liefern, während dieselbe EU diese Sicherheit und Vergütungshöhen den Erneuerbaren künftig nicht mehr gewähren will.

3. Beispiel: Menü aus zwei Hauptgängen - Kohle und Erneuerbare

Nicht weniger bizzar dürfen die heute veröffentlichten Erneuerbare-Energien-Investitionspläne des tschechischen Kohleverstromers CEZ anmuten. Der Konzern hatte gerade noch um das Braunkohlegeschäft des Vattenfall-Konzerns in Deutschland mitgeboten. Doch dann waren ihm die Preisvorstellungen des schwedischen Energieversorgers Vattenfalls zu hoch – und möglicherweise öffentliche Proteste gegen ihn in Deutschland suspekt. Das Braunkohlegeschäft wird nun stattdessen an den erst 2009 gegründeten tschechischen Versorgungskonzern und Stromkohlespezialisten EPH verkauft. CEZ nimmt dennoch gerade Tschechiens modernstes und angeblich klimafreundliches Braunkohlekraftwerk Ledvice in Betrieb und betreibt auch Atomkraftwerke im Land.

Zu Wochenanfang erst beim Kaufpoker um Vattenfalls deutsches Braunkohlegeschäft gescheitert, erklärte der angeblich achtgrößte europäische Energieversorger heute schon, er wolle rund zwei Milliarden Euro in „neue Energielösungen“ in Deutschland, Polen und Frankreich und Großbritannien sowie eventuell „weiteren europäischen Ländern“ investieren. Das Geld solle „vor allem in erneuerbare Energiequellen, neue Energietechnologien sowie in innovative energiewirtschaftliche Kundenlösungen fließen“. Genauer wird CEZ nicht, doch prüfe der Konzern bereits Projektoptionen mit einer Erzeugungskapazität von insgesamt 2,6 Gigawatt. In Rumänien betreibt CEZ bereits den größten europäischen Windpark an Land, Fantanele, mit knapp 500 MW. Insgesamt sind 623 MW Windkraft im CEZ-Erzeugungs-Portfolio. Vor allem gehören dem Konzern 2,3 GW Wasserkraft.

(Tilman Weber)