Lagerwey – der Name steht für ein Stück Windgeschichte. 1973 entwickelte Firmenchef Henk Lagerweij die ersten Windenergieanlagen. In den 80er-Jahren begannen die Niederländer mit Zweiblatt-Turbinen. Kaum ein Windturbinen-Designer hat seither so viele Innovationen hervorgebracht und für so viele Turbinen die Ausgangstechnologie geliefert.
Mitte der 90er-Jahre entwickelte Lagerwey dann als erste Firma einen getriebelosen direkt getriebenen Dreiflügler mit Permanentmagnet-Generator. Ein beeindruckender technologischer Sprung, dem in den 2000er-Jahren unter anderem auch Siemens gefolgt ist. Gleichwohl liefen die Geschäfte irgendwann nicht mehr gut. „2003 sind wir in Konkurs gegangen“, erzählt Henk Lagerweij. Der hochgewachsene Niederländer ist vor allem ein Techniktüftler, die geschäftliche Seite war nie seine Leidenschaft.
2006 startete die Firma dann am Standort in Barneveld neu durch – mit Gründer Lagerweij und drei Partnern, die zuvor Mitarbeiter der Lagerwey Windturbine BV waren. Die neue Lagerwey Wind BV verkauft nicht nur Lizenzen, sondern produziert auch Windturbinen.
Ist das Unternehmen nun gut aufgestellt, um im Wettbewerb der Turbinenbauer zu bestehen? Heute gehört Huib Morelisse als CEO mit zum Team, der zuvor als CEO der Vattenfall-Tochter Nuon und der niederländischen RWE tätig war. Also ein Manager mit Erfahrungen. Vor allem aber hat die Lagerwey Group Ende Dezember 2014 einen Investitionsvertrag mit niederländischen informellen Investoren abgeschlossen. Der Kapitalinvestition steht eine Minderheitsbeteiligung in der Lagerwey Group gegenüber. Diese Investition stärkt die Vermögensposition der Firma und ermöglicht neues Wachstum.
Technologisch sind die Niederländer ebenfalls gut aufgestellt. Die Firma Lagerwey stellte auf der Wind Energy in Hamburg eine sich selbst errichtende Anlage mit Kletterkran vor. Henk Lagerweij steht am Messestand und begrüßt am laufenden Band alte Freunde aus der Windszene. Jetzt gerade spricht er mit dem niederländischen Windexperten und Ehrendoktor der Uni Oldenburg, Jos Beurskens. Der wiederum zeigt sich angetan von den Neuigkeiten, die sein Landsmann berichtet: Die erste Lagerwey vom Typ L136 soll im März 2017 in Eemshaven, Niederlande, installiert werden. Henk Lagerweij verrät: „Die Anlage hat 4,5 Megawatt, wird aber für den optimalen Schallpegel auf 4 Megawatt abgeregelt.“
Modularer Stahlturm mit 166 Metern
Der Turm mit wahlweise 120, 132 oder 166 Meter Höhe wird nach dem sogenannten Modular-Steel-Tower-Konzept gebaut. Dabei werden bis zu 80 einzelne Segmente zu einem Stahlturm zusammengesteckt. Lagerwey wirbt damit, dass durch das modulare Design bei einem 135 Meter hohen Turm nur 19 Lkw-Transporte zur Baustelle nötig sind, während es bei Fertigbetonteilen 80 Transportladungen seien. Henk Lagerweij verweist auf die Notwendigkeit des modularen Konzepts ab einer gewissen Größe. „Bei einem Turmfuß-Durchmesser von 4,20 Meter geht gar nichts mehr. Das heißt, wer höher als 100 Meter bauen will, der muss sich etwas einfallen lassen.“ Am Ende der Lebensdauer lassen sich die Stahlsegmente zudem gut zurückbauen.
Von der Vorgängerturbine L100 wurden bisher rund 30 in den Niederlanden und Finnland errichtet. Sie verfügt über 2,5 Megawatt und misst 100 bis 135 Meter Nabenhöhe. Weitere Turbinen sind bestellt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von älteren Lagerwey-Designs, die heute noch drehen oder sogar noch gebaut werden. So hat die Firma die Technologie für die Zweiflügler mit 80 Kilowatt Leistung verkauft. Rund 600 Turbinen dieses Typs wurden insgesamt installiert.
Der von Henk Lagerweij erdachte Permanentmagnet-Direktantrieb ist in den 2000ern zum Beispiel über Lizenzen in eine Reihe von Turbinen gewandert: Der niederländische Hersteller von Zwei-MW-Anlagen Zephyros wurde 2005 von der japanischen Harakosan gekauft, die wiederum von der koreanischen STX Windpower übernommen wurde.
Eine weitere Lizenz ging an XEMC Darwind. Die Chinesen haben mehr als 1.500 Anlagen der getriebelosen Zwei-MW-Klasse in der Volksrepublik aufgestellt und bieten inzwischen auch Vier- und Fünf-MW-Turbinen an.
Multirotor unter neuen Vorzeichen
Derzeit bekommt Vestas viel Aufmerksamkeit für einen Entwicklungsversuch: Der Hersteller hat eine Multirotorturbine mit vier V29-225-kW-Köpfen errichtet. Jos Beurskens erklärt dazu, die Idee sei uralt – unter anderem von Honnef, Heronemus und Lagerwey. Umgesetzt hat sie Henk Lagerweij in den 80er-Jahren mit zwei, vier und sechs Rotorköpfen: „1986 hatte ich eine Anlage mit sechs Rotoren am Hafen von Rotterdam installiert. Die ist allerdings ziemlich bald bei einem Sturm kaputtgegangen.“ Für die Firma Lagerwey war die Technologie später nicht mehr interessant, weil Lagerweij sie als visuell unharmonisch empfand. „Das Multirotorkonzept war auch aus dem Grund überholt, weil Großanlagen pro Quadratmeter bestrichene Rotorfläche billiger wurden“, so Beurskens. Man konnte also durch Entwicklungsverbesserungen gleich einen einzigen Kopf mit der vierfachen Leistung auf den Turm stellen.
Und heute? „Jetzt gibt es eine neue Situation, die es erforderlich macht, darüber nachzudenken, ob Multirotoren Sinn machen“, so Beurskens. Ein Grund sei die Transportinfrastruktur. „Anlagen mit einer bestimmten Größe können nicht mehr transportiert werden.“ Allerdings ist die Technologie anspruchsvoll: „Die Dynamik dieses Anlagentyps ist sehr kompliziert. Die Turmstatik ist sehr schwierig.“ Das heißt, im Turm muss überproportional mehr Material eingesetzt werden als bei einer Anlage mit gleicher Leistung und nur einem Rotor. (Nicole Weinhold) Dieser Artikel ist eine Kostprobe aus unserer Print-Ausgabe 7/2016. Holen Sie sich jetzt das E-Magazine mit weiteren spannenden Geschichten jetzt im Abo.