Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will sich nicht beeilen mit Maßnahmen, wenn es um die gemeinsame Festlegung auf das Ziel von 65 Prozent Regenerativstromanteil bis 2030 geht. Und auch nicht bezüglich der Sonderausschreibungen, um den Einbruch bei den Ausbauzahlen in den Jahren 2019 und 2020 zu verringern. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Hier sollen je vier Gigawatt Onshore-Windenergie und Photovoltaik sowie ein Offshore-Windenergiebeitrag zugebaut werden, je zur Hälfte wirksam in 2019 und 2020." Zu hören ist, dass Altmaier überlegt, die Ausschreibungen auf vier Runden zu strecken. Aber wann das sein soll, ist unklar.
Soviel zur ohnehin schwierigen Ausgangssituation in der aktuellen Energiepolitik. Nun kommt der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen daher und erklärt, man müsse den Windkraftausbau vorübergehend wegen Verzögerungen beim Netzausbau stoppen. Im Focus heißt es, Koeppen habe der Deutschen Presse-Agentur erklärt, die Akzeptanz der Energiewende sei bereits an ihre Grenzen gestoßen. Umfragen in der Bevölkerung zeigen hingegen regelmäßig, dass die Windkraft einen starken Rückhalt in der Bevölkerung genießt. Ein Akzeptanz-Problem könnte sich künftig etablieren, weil durch die von Altmaier forcierten Ausschreibungen Bürgerenergieprojekte kaum noch eine Chance haben.
Gleichwohl, Koeppen warnt im Focus, die Energiewende stehe vor wichtigen Weichenstellungen. Wenn bei der Akzeptanz und Verfügbarkeit der Energie nicht gegengesteuert werde, gleite der Regierung das Unterfangen Energiewende aus den Händen. Anlagen würden abgeregelt, wenn die Netzkapazitäten nicht frei sind. Die Rechnung dafür müsse der Stromkunde über die EEG-Umlage bezahlen. Dazu muss man zum einen sagen, dass wir zwar die Erneuerbaren ausbauen, aber gleichzeitig kein Kohlekraftwerk vom Netz nehmen. Die Überkapazität aus Kohle wird daher exportiert und verstopft die Netze. Dabei kann man sich daran erinnern, dass bei den Verhandlungen zur ersten geplanten Koalition sich FDP, Union und Grüne einig waren, sieben Gigawatt Kohlekraftwerksleistung sofort vom Netz zu nehmen. Dieser erste Ansatz zur Verbesserung der CO2-Bilanz bei gleichzeitiger Netzentlastung scheint derzeit vergessen. Jedenfalls fordert Koeppen ein Moratorium, also einen Ausbaustopp für Windkraftanlagen, „bis die Herausforderungen der Energiewende gelöst seien.“ Die Netzbetreiber Tennet und Co. leisten derweil gute Arbeit, um den weiteren Ausbau der Großtrassen voranzubringen. Gerade haben sie die Ausschreibung für die Suedlink-Verkabelung gestartet.
Und dann kommt Koeppen noch mit der Forderung, die Abstände der Windkraft zur Wohnbebauung zu erhöhen. In Anlehnung an die 10H-Regel, mit der Horst Seehofer den Windkraftausbau in Bayern komplett lahmgelegt hat. Der CDU-Politiker will dafür die Öffnungsklausel für die Länder reaktivieren, die damals auch Bayern die Erhöhung der Abstände ermöglichte. „Im Jahr 2015 gestattete die Länderöffnungsklausel im Bundesgesetz den Ländern, eigene Abstandsregelungen festzusetzen. Diese Möglichkeit wurde nur von Bayern in Anspruch genommen. Daher plädieren wir jetzt dafür, erneut eine Länderöffnungsklausel zu ermöglichen, um die Abstände zwischen Windenergieanlagen und der Wohnbebauung landesspezifisch festzulegen“, so Koeppen gegenüber DPA. Und schließlich fordert er noch, dass die Privilegierung von Windkraft überprüft wird.
Offensichtlich will hier jemand am rechten Rand Punkte sammeln. In dem Zusammenhang sei das Sommerinterview mit dem AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland im ZDF erwähnt, in dem er gestern unkommentiert erklären durfte, dass der Klimawandel nicht vom Menschen gemacht sei und der Mensch auch keinen Einfluss darauf habe. Ist das ZDF nicht in der Lage, solche Falschaussagen zu entkräften?
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie, sieht in den Äußerungen von Koeppen ein großes Maß an Populismus. Er sieht Parallelen zwischen Klima- und Asylpolitik. „In der AfD wird der Klimawandel stark bestritten. Notwendige Maßnahmen werden nicht unterstützt.“ Zynisch fügt er an: „Ich verstehe das nur schwer, Windenergie ist doch ‚völkische Energie‘.“ Die Erzeugung finde in Deutschland statt, viele Wirtschaftskreisläufe seien national.
Die Politik der AfD hat jedenfalls Einfluss: Im rechten Flügel der Union wird stark auf die AfD geschaut. Meinungsbilder der AfD werden aufgegriffen: Das trifft möglicherweise auf die Aussagen von Koeppen zu. „Da kommt auch noch Horst Seehofer ins Spiel, wenn Koeppen erklärt, der Windenergie- Zubau sei vorbei. Bezüglich der 10H-Regel schließt sich Herr Koeppen dem offenbar an.“
Allerdings hat die Union einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, und sie verliert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie die gemeinsam beschlossenen Aktivitäten nun boykottiert. (Nicole Weinhold)