Wasserstoff und seine Derivate spielen eine zentrale Rolle in der Energiewende und beim Klimaschutz. Als vielseitiger Energieträger können sie in Form von Methanol oder Ammoniak fossile Brennstoffe in zahlreichen Anwendungen ersetzen und ermöglichen eine nahezu emissionsfreie Energieversorgung. Voraussetzung ist, dass sie mit erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden oder das bei der Herstellung anfallende Kohlendioxid aufgefangen und nachhaltig genutzt (Carbon Capture and Utilization) oder dauerhaft gespeichert wird (Carbon Capture and Storage). Durch seine chemische Vielseitigkeit lässt sich Wasserstoff relativ einfach in verschiedene Derivate wie Ammoniak, Methanol, flüssige organische Wasserstoffträger (LOHC), verflüssigter Wasserstoff (LH2) und synthetisches Erdgas (SNG) umwandeln, die – direkt oder rückgewandelt in Wasserstoff – in der Industrie, im Transportwesen, in Wärmeanwendungen oder zur Speicherung von Energie genutzt werden können.
Ammoniak: Erprobter Transport
Ammoniak wird aufgrund seiner hohen Energiedichte und der Möglichkeit, als Flüssigkeit bei nur –33 °C transportiert zu werden, als dominanter Trägerstoff für Wasserstoff betrachtet. Ammoniak kann mehr Wasserstoff pro Volumeneinheit transportieren als H2 in reiner Form und die meisten der anderen Derivate, da er bei normalen Bedingungen dichter und stabiler ist, was ihn für den globalen Transport und Import in Bedarfsländer praktikabler macht. Im Importland kann der Wasserstoff dann durch sogenanntes Cracking wieder aus Ammoniak herausgelöst und für viele Anwendungen bereitgestellt werden. Überdies kann Ammoniak als kohlenstofffreier Energieträger in Kraftwerken oder als Kraftstoff in der Schifffahrt eingesetzt werden. Die entsprechenden Umrüstungsmöglichkeiten bestehender Anlagen oder von LNG-Infrastrukturen für die Speicherung nach dem Ammoniakimport sind vielversprechend, obwohl Herausforderungen wie Toxizität und Leckage-Risiken bestehen. Diese aber sind technisch bereits sehr gut beherrschbar. Da Ammoniak seit Langem als Rohstoff für die Düngemittelindustrie benötigt wird, existieren bereits solide und langjährig erprobte Infrastrukturen und Technologien, die das Handling sicher machen.
Die Herstellung von grünem Ammoniak erfordert ebenfalls erneuerbaren Wasserstoff, der in der Regel durch Wasserelektrolyse hergestellt wird. In den sonnen- und windreichen Herstellerländern ist die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien und nachhaltig demineralisiertem Wasser entscheidend für Produktionskosten einerseits und andererseits für die Herkunftsnachweise, die die Grüneigenschaften auf Basis geltender Regularien belegen. Zudem stellt die Volatilität erneuerbarer Energien eine Herausforderung für die kontinuierliche Ammoniakproduktion dar. Dennoch bietet Ammoniak einen Kostenvorteil gegenüber anderen Derivaten, da es hohes Speicherpotenzial hat und die Kosten der Rückumwandlung relativ gering sind.
Methanol und SNG: Effiziente Energieträger
Methanol und SNG zeichnen sich durch ihre Effizienz bei der Speicherung und dem Transport erneuerbarer Energien aus. Methanol hat eine höhere volumetrische Energiedichte als reiner Wasserstoff, Ammoniak und als fossile Kraftstoffe. Allerdings bietet Ammoniak die geringsten Umwandlungsverluste zur Bereitstellung des enthaltenen Wasserstoffs.
Methanol bleibt bei Raumtemperatur flüssig, was den Transport und die Lagerung einfacher macht, da weder hoher Druck noch eine Kühlung erforderlich sind. Auch ist er einfach in der Handhabung: Im Vergleich zu Ammoniak ist Methanol weniger giftig, was die Sicherheitsanforderungen beim Umgang erleichtert. Ein Vorteil von SNG ist, dass es über Erdgaspipelines transportiert werden kann. Beide Derivate benötigen jedoch eine Kohlenstoffquelle für die Synthese, und die Rückumwandlung ohne dauerhafte Speicherung (CCS) emittiert CO2. Methanol bietet den Vorteil, dass es in flüssiger Form leicht zu handhaben ist und bereits in vielen industriellen Prozessen eingesetzt wird. Es lässt sich außerdem leichter in bestehenden Verbrennungsmotoren nutzen und hat im Vergleich zu Ammoniak eine stabilere Verbrennung, wodurch es einfacher einsetzbar ist. SNG hingegen kann in bestehenden Erdgasinfrastrukturen genutzt werden, was seine Attraktivität als Übergangslösung erhöht, bis vollständig erneuerbare Alternativen verfügbar sind.
LOHC und LH2: Innovative Transportlösungen
LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) ermöglichen den einfachen Transport von Wasserstoff, sind jedoch eine noch nicht im industriellen Maßstab ausgereifte Technologie und erfordern viel Energie für die Rückumwandlung. Sie haben den Vorteil, dass sie bei Umgebungstemperatur und -druck gelagert werden können, was die Handhabung vereinfacht und die Sicherheitsrisiken minimiert. LH2, also flüssiger Wasserstoff, verfügt über einen hohen Wirkungsgrad in der Wertschöpfungskette, LH2 benötigt für Speicherung und Transport –253 °C, was ihn unattraktiver als Ammoniak und Methanol machen dürfte. LH2 gewinnt als potenziell sauberer Energieträger zunehmend an Bedeutung, insbesondere für Sektoren, in denen die Elektrifizierung eine Herausforderung darstellt, wie zum Beispiel in Fernverkehr und Schwerindustrie. LOHC und LH2 können Relevanz für den internationalen Wasserstoffhandel haben, allerdings stellt die Effizienz bei Herstellung, Transport und Speicherung eine große Herausforderung dar.
Fazit
Wasserstoffderivate wie Ammoniak, Methanol und andere bieten vielseitige Einsatzmöglichkeiten, aber auch unterschiedliche Vor- und Nachteile. Wichtig ist bei allen Technologien, Handelsmechanismen und Transportrouten, dass einheitliche Zertifizierungssysteme die Grüneigenschaften belegen, um Transparenz, Vertrauen, Marktintegration und Wettbewerbsfähigkeit zu erlauben sowie Möglichkeiten zum Greenwashing zu vermeiden. Die Tüv Nord Group begleitet den Markthochlauf hier mit verschiedenen Labels und Produkten, um entlang der Wertschöpfungskette Herstellern, Logistik und Endanwendern auf Basis digitaler Herkunftsnachweise und Gütesiegel Transparenz, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu bestätigen. Die Wahl des geeigneten Wasserstoffderivats hängt von (umwelt-)technischen, finanziellen, gesetzlichen und politischen Bedingungen ab. Das ist auch eine der Kernaussagen der Ammoniakstudie, die der Tüv Nord für den Weltenergierat Deutschland 2023 erstellt hat. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Studie: Ammoniak als Energieträger für die Energiewende.