Stefan Dohler, Chef des nordwestdeutschen Energieversorgers EWE
Über Herausforderungen beim Thema Wasserstoff spricht Stefan Dohler. Der Vorstand des Versorgers EWE hält dennoch an Zielen fest.
Nicole weinhold
EWE-Vorstand Stefan Dohler spricht über Wasserstoff-Hemmnisse und Markterfordernisse – der Oldenburger sagt, warum er dennoch an seinen Vorhaben festhält.
Ist grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig?
Stefan Dohler: Nein, noch haben wir nicht die nötige Skalierung umgesetzt, die eine Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt. Wir ändern das gerade. In Emden bauen wir eine Erzeugungsanlage auf, bestehend aus Elektrolyseur sowie notwendiger Peripherie, wie beispielsweise Verdichter und Kühlsystemen, mit einer mittleren Leistungsaufnahme von circa 320 Megawatt. Das ist der derzeit größte Elektrolyseur in Deutschland. Gleichzeitig entsteht die Netzinfrastruktur und in der Wesermarsch bauen wir eine Erdgaskaverne für die Speicherung von Wasserstoff um, um den Systemhochlauf auf industriefähiges Niveau zu heben. Der Wettbewerbsfähigkeit entgegen stehen zudem die zahlreichen Strombezugskriterien: Die EU stellt sehr hohe Anforderungen an den grünen Strom zur H2-Herstellung, die die Stromkosten für grünen Wasserstoff um 88 Prozent verteuern.
Der Wettbewerbsfähigkeit entgegen stehen zahlreiche Strombezugskriterien.
Wie das?
Stefan Dohler: Wenn wir gemäß diesen harten EU-Kriterien Wasserstoff mit Strom aus einem vorgeschriebenen neuen Windpark produzieren, dann macht das die H2-Produktion teuer, weil wir immer nur die Produktionskurve des Windparks nachfahren. Würden wir alternativ dazu den Strom am Spotmarkt beziehen können, würden wir immer dann Wasserstoff produzieren können, wenn der Strom sehr günstig ist. Also immer dann, wenn wir viel Grünstrom im System haben. Das heißt, die Kosten wären deutlich niedriger, und wir würden immer, wenn der Strompreis sehr niedrig ist, Grünstrom für die Elektrolyse haben. Das kann man auch nachweisen, es ist aber nicht erlaubt. Das macht den Unterschied bei den Stromkosten in Höhe von 88 Prozent aus. Auf das Kilogramm Wasserstoff bezogen, sind das etwa 50 Prozent höhere Gestehungskosten, ohne erkennbaren Nutzen.
Gibt es weitere Vorteile?
Stefan Dohler: Wir würden immer dann, wenn wir mit unserem Elektrolyseur produzieren und viel Wind im System haben, die Marktpreise für Wind stabilisieren, Redispatch-Kosten reduzieren und das EEG-Konto entlasten. Das wäre auch ein Gewinn für die Volkswirtschaft. Und: Der Windstrom verdrängt bei höheren Spotpreisen Gaskraftwerke und sollte dann in den Markt statt in die Elektrolyse gehen. Das ist auch ökologisch sinnvoll. Aber die EU zwingt uns, die drei Kriterien Zusätzlichkeit in Bezug auf erneuerbare Energieerzeugung sowie zeitliche und räumliche Korrelation zwischen dem Strombezug des Elektrolyseurs und der erneuerbaren Stromerzeugung zu beachten und nachzuweisen. Sonst verlieren wir unsere Förderung.
Warum bleibt diese problematische Gesetzgebung bestehen, obwohl längst klar ist, dass sie die Entwicklung verhindert?
Stefan Dohler: Das ist so in der entsprechenden EU-Direktive von 2020 festgeschrieben und soll frühestens 2028 überarbeitet werden. Der bisherige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat auch erkannt, dass das inzwischen unsinnig ist, und ein entsprechendes Schreiben an die EU-Kommission geschickt. Es gibt alternativ die Möglichkeit, über einen neuen Delegierten Rechtsakt, den Low-Carbon Hydrogen DA, die Kriterien neu zu formulieren.
Besteht denn immer noch die Sorge, dass Grünstrom mit Graustrom vermischt wird?
Stefan Dohler: Das ist eigentlich kein Problem, man kann es stündlich bilanzieren. Man kann den durchschnittlichen CO2-Ausstoß jeder Stunde erfassen. Anders als 2020 haben wir inzwischen einen starken Hochlauf bei den Erneuerbaren, sodass wir an vielen Standorten sehr viel Grünstrom abregeln. Statt diese Mengen für die Produktion von Wasserstoff nutzbar zu machen, wird aufgrund der fehlenden Wirtschaftlichkeit der Redispatch zementiert. Am Standort Emden hatten wir im vergangenen Jahr knapp 400.000 Megawattstunden abgeregelten Windstrom, der auf den dortigen Netzknoten drückt, 2023 waren es sogar mehr 500.000 Megawattstunden. Das ist ein entscheidender Grund, warum wir diesen Netzknoten als Ort für den Elektrolyseur ausgewählt haben. Nach Paragraf 13K im Energiewirtschaftsgesetz würden wird diesen Grünstrom gern nutzen, statt ihn abzuregeln. Die Regeln dazu sind allerdings sehr kompliziert.
Was bedeutet das Ausbremsen der Wirtschaftlichkeit des Elektrolyseurs für Sie?
Stefan Dohler: Das bedeutet, dass wir Kunden brauchen, die diesen besonderen, EU-konformen grünen Wasserstoff nutzen und bezahlen können, wenn wir vor 2027 in Betrieb gehen, wie es für unseren Elektrolyseur geplant ist. Klimaschutzverträge wären eine Möglichkeit, die Kosten zu stemmen. Aber am Ende wäre es mir lieber, wir könnten den Wasserstoff so günstig wie möglich herstellen. Dann bräuchten wir weniger Förderung. Das wäre sinnvoller, als auf umfangreiche Importe zu hoffen, die im Zweifel auch nicht günstiger wären.
Sie könnten sagen: Wir lassen unsere H2-Projekte ruhen, bis die Gesetze passen ...
Stefan Dohler: Das tun wir nicht, weil ich überzeugt bin, dass ein rein elektrisches Erneuerbaren-System instabil und zu teuer wäre. Wir brauchen perspektivisch grüne Gase, um das System klimaneutral hinzustellen. Erdgas und CCS sind keine Lösung, wenn wir 2050 klimaneutral sein wollen.
Heute haben wir in Deutschland einen Bedarf von 1,7 Millionen Tonnen Wasserstoff – für Chemie, Düngemittel und so weiter. Und da sprechen wir noch von überwiegend grauem Wasserstoff, nicht von zusätzlichen grünen Bedarfen, die es in Zukunft geben wird. Mit den zehn Gigawatt, die die Bundesregierung für 2030 angepeilt hat, können wir etwa eine Million Tonnen herstellen. Die Lücke ist jetzt schon prägnant, wir müssen also zügig einsteigen. Am Anfang heißt das auch Förderung, und wir werden Importe brauchen. Zudem sollten wir bei der Farbenlehre in den nächsten zehn Jahren sehr flexibel sein. Also auch blauen Wasserstoff einsetzen. Aber perspektivisch brauchen wir grünen Wasserstoff – als Grundstoff, Speicher und Energieträger.
400 Tausend Megawattstunden Windstrom wurden am Standort Emden 2024 abgeregelt.
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