Deutschland braucht den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, damit die deutsche Industrie auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig und Energie für alle sicher und bezahlbar bleibt. Die Weiternutzung der Gasinfrastruktur ist dabei keine Festlegung auf die Weiternutzung fossiler Energien, sondern im Gegenteil die Voraussetzung für die Einbindung und langfristige Speicherung volatiler erneuerbarer Energien im Energiesystem.
Zentrale Meilensteine
Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines Wasserstoffmarktes ist eine Wasserstoff-Infrastruktur. Die Initiative der Bundesregierung im Mai 2023 zur gesetzlichen Verankerung der rechtlichen und planerischen Grundlagen für die Entwicklung einer Wasserstoff-Infrastruktur machte den Weg frei. Mit dem Wasserstoff-Kernnetz muss der Markt nicht länger auf die Infrastruktur warten.
Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes gibt dem Fernleitungsnetzbetreiber ein klares Mandat, ein deutschlandweites, effizientes, skalierbares, klimafreundliches und schnell realisierbares Wasserstoffnetz mit dem Zieljahr 2032 zu planen und zu errichten. Auf Basis politisch vorgegebener Kriterien wurde ein Szenario entwickelt, das die Transportaufgabe und die Größe des Netzes definieren sollte. Im Sommer 2023 legten die Fernleitungsnetzbetreiber einen ersten Planungsstand vor und ermöglichten es weiteren potenziellen Wasserstoff-Netzbetreibern, ihre Transportinfrastrukturen in das Kernnetz einzubringen. Nach einigen Optimierungsrechnungen wurde Mitte November 2023 der Entwurf des Wasserstoff-Kernnetzes der Bundesnetzagentur übergeben. Es folgte eine mehrwöchige Konsultation durch die Behörde, deren Ergebnisse in die finale Netzplanung eingeflossen sind.
Der im Gesetz definierte Abgabetermin für die Einreichung der finalen Planung in Form eines gemeinsamen Antrags der Fernleitungsnetzbetreiber zum Kernnetz musste aufgrund des zunächst noch nicht abgeschlossenen parlamentarischen Verfahrens und der bis dahin noch fehlenden beihilferechtlichen Genehmigung aus Brüssel für das Finanzierungsmodell des Wasserstoff-Kernnetzes mehrfach verschoben werden.
Am 22. Juli 2024 war es so weit. Die Fernleitungsnetzbetreiber haben den gemeinsamen Kernnetz-Antrag bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) eingereicht und warten nun auf die Genehmigung, für die eine gesetzliche Frist von zwei Monaten gilt. Danach kann der Aufbau der Infrastruktur beginnen.
Kernelemente des Kernnetzes
Das Kernnetz hat eine Länge von 9.666 Kilometern. Rund 60 Prozent bestehen aus umgestellten Erdgasleitungen, 40 Prozent aus Neubauleitungen. Die Einspeise- und Ausspeisekapazitäten betragen rund 100 Gigawatt beziehungsweise 87 Gigawatt mit einer Transportmenge von 287 Terawattstunden. Der Aufbau des Kernnetzes erfolgt schrittweise bis zum Jahr 2032. Erste Leitungen werden bereits 2025 in Betrieb genommen. In einzelnen Fällen kann die Realisierung der genehmigten Kernnetzprojekte auch bis zum Jahr 2037 gestreckt werden, falls sich im Rahmen der turnusmäßigen Netzentwicklungsplanungsprozesse Gas und Wasserstoff herausstellt, dass sich die konkreten Bedarfe für das Kernnetz erst später einstellen.
19,7 Milliarden Euro betragen die Investitionskosten für das Wasserstoff-Kernnetz.
Das Kernnetz dient als Transportverbindung zwischen zentralen Verbrauchsschwerpunkten, Speichern, Erzeugungsstandorten und Importpunkten. Auch die regionale Ausgewogenheit hat bei der Netzplanung eine Rolle gespielt. Bei den im Kernnetz berücksichtigten Verbrauchsschwerpunkten geht es vor allem um Industrien, die ohne Wasserstoff gar nicht oder nur schwer zu dekarbonisieren sind. Auch große Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung waren dimensionierend für das Kernnetz und sind mit ihrer hohen Kapazität als Proxy für die künftigen Wasserstoff-Kraftwerke zu verstehen. Das Kernnetz ist mit seinen Grenzübergangspunkten auch ins entstehende europäische Wasserstoffnetz eingebunden.
Die Investitionskosten liegen bei 19,7 Milliarden Euro. Die Finanzierung erfolgt privatwirtschaftlich, aber mit einer staatlichen Teilabsicherung für den Fall eines Scheiterns des Markthochlaufs. Da sich der Markt erst noch entwickeln muss, wird das Netzentgelt in der Markthochlaufphase durch die BNetzA gedeckelt. Es wird ein deutschlandweit einheitliches Hochlaufentgelt sein, dessen Höhe an die Entwicklung des Marktes durch die BNetzA angepasst werden kann. Die Refinanzierung des Kernnetzes über die gedeckelten Netzentgelte wird mithilfe eines intertemporalen Kostenallokationsmechanismus über die Zeit bis 2055 gestreckt. Die Zwischenfinanzierung erfolgt über Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die über ein sogenanntes Amortisationskonto abgewickelt werden.
Ausblick
Im nächsten Schritt geht es darum, den Wasserstoff in die Fläche zu bringen und die Bedarfe auf allen Ebenen zu integrieren. Dafür hat der Gesetzgeber Regelprozesse für eine integrierte Netzplanung Gas und Wasserstoff geschaffen, über die sich die Wasserstoff-Infrastruktur bedarfsbasiert weiterentwickeln kann. In diesem Rahmen können auch weitere Branchen und Sektoren berücksichtigt werden, die bisher nicht im Kernnetzszenario berücksichtigt wurden.
Mit dem Kernnetz gehen die Fernleitungsnetzbetreiber in Vorleistung. Es ist ein Angebot an den Markt und entwickelt sich mit dem Markt. Es gibt den Marktteilnehmern die nötige Sicherheit für Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft und die Transformation zur Klimaneutralität. Wichtig ist, dass die Politik jetzt verlässliche Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf auf der Erzeugungs- und Nachfrageseite schafft. Der Wasserstoffhochlauf ist letzten Endes eine Gemeinschaftsaufgabe aller Marktakteure und des Staates.