Mehr und mehr wird die Energiewende auch in den Innenstädten sichtbar. Vor allem für die Netzbetreiber deuten sich einige Veränderungen an, die mit erheblichen Herausforderungen daherkommen. Schon heute ist es in vielen Großstädten nicht leicht, sein Elektroauto zu laden, da Ladesäulen am Straßenrand eher selten und meist belegt sind. Hier wird sich vermutlich eine andere Lösung etablieren. Neben den Lademöglichkeiten auf Parkplätzen und in Parkhäusern werden voraussichtlich größere „Elektrotankstellen“ errichtet werden, die dann mit einer größeren Anzahl von Schnellladern entsprechende Ladekapazitäten anbieten.
Da auch der Gebäudesektor zunehmend unter Druck gerät, Beiträge zur Einsparung von CO2 zu liefern, ist zu erwarten, dass dort vermehrt Wärmepumpen die bestehenden Gas- und Öl-Heizungen ersetzen oder in Kombination damit zur Anwendung kommen. Natürlich darf nicht vergessen werden, dass auch in Großstädten Gewerbe- und Produktionsbetriebe angesiedelt sind, die ebenfalls viele Verfahren und Prozesse auf elektrische Energie umstellen müssen.
Strombedarf in Innenstädten steigt
Kurzum, der Bedarf an elektrischer Leistung wird im Innenbereich von Großstädten erheblich zunehmen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, welche regenerativen Erzeugungskapazitäten dort im Verteilnetz einen nennenswerten Beitrag zur Deckung dieser Bedarfe liefern könnten. Angesichts der sehr begrenzten Möglichkeiten für Windenergieanlagen aber vieler Dachflächen bleibt eigentlich nur die Photovoltaik, um den zunehmenden Leistungsbedarf verbrauchsnah zumindest im überschaubaren Rahmen abzufedern. Hier wird auf die Weiterentwicklung von PV-Modulen für den Einsatz an Fassaden und im semi-lichtdurchlässigen Bereich verwiesen. Ebenso kann der Einsatz von Batteriespeichern Lastspitzen kappen und so helfen, den Anstieg der maximal geforderten Leistung zu begrenzen.
Erhöhte Belastung für Verteilnetze
Jedoch ist bei allen denkbaren Szenarien immer eine erhebliche Steigerung der Belastung der bestehenden Verteilnetze (10- bis 110-Kilovolt-Ebene) zu erwarten. Diese Belastung mit noch unbekannten Lastflüssen und Lastwechseln trifft auf Netze, die zum Teil schon seit 50 bis 80 Jahren in Betrieb sind. Die Mittelspannungsnetze weisen zum Teil noch ältere Kabel auf. Bisher geben die bestehenden Netze keinen Anlass zur Sorge, Fehler treten in der Regel durch äußere Einwirkungen, wie Baggerschäden, auf. Sehr viel seltener sind Fehler an den Kabelgarnituren, geschweige denn, am Kabel selbst.
Steigt also die Leistung in den bestehenden Netzen, so führt das zu einer größeren Belastung der bestehenden Kabel und somit zu einer stärkeren Erwärmung, was wiederum eine stärkere Alterung mit sich bringt. Zusätzlich können vermehrte Lastwechsel vor allem bei Kabeln mit Öl-Papier oder Masse-Papier-Isolierung unerwünschte Effekte hervorrufen.
26 ZENTIMETER und weniger misst ein Supraleiterkabel für 500 MVA und 110 kV im Querschnitt. Ein Standardkabel hat dreiphasig ungefähr einen Außendurchmesser von 15 Zentimetern. Davon braucht es aber fünf, die nicht direkt nebeneinader liegen dürfen. Um 500 MVA auf der 110-kV-Spannungsebene durch die Stadt zu führen, sind also fünf breite Kabelgräben mit einer Breite von etwa 75 Zentimetern nebeneinander erforderlich.
Netzausbau in Innenstädten unvermeidlich
Somit ist ein Ausbau der Netze in den Innenstädten unvermeidlich. Nicht nur um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen, sondern auch um sukzessive die stark gealterten Kabelanlagen zu ersetzen, bevor diese das Ende ihrer Lebensdauer erreichen. Auch besteht die Gefahr, dass dieses Ende schneller näher rückt, wenn die Belastung steigt. Die etablierten Kabelhersteller halten für diese Herausforderungen Lösungen bereit. Kabel mit größeren Leiterquerschnitten sind in allen Spannungsebenen das Ziel der Entwicklung der vergangenen Jahre gewesen.
Was aber, wenn aufgrund der beengten Verhältnisse im Boden (zum Beispiel in einer historischen Altstadt) kein weiteres Kabel dort gelegt werden kann? Hier sind wegen der Stromwärmeverluste, die jeder Leiter aus Kupfer oder Aluminium hat, Abstände einzuhalten, die eine engere Legung verbieten. Insbesondere dürfen die Kabel nicht zu dicht an wärmeemittierende Fernwärmeleitungen gelegt werden.
Supraleiter: viel Leistung, wenig Querschnitt
Hier bieten sich supraleitende Kabel für die Mittel- und Hochspannungsebene der Verteilnetze an. Sie lösen genau das Problem, welches durch die zunehmende Elektrifizierung aller Lebensbereiche auf uns zukommt: sie können extrem viel Leistung mit einem sehr kleinen Querschnitt transportieren, ohne Abgabe von Wärme nach außen und ohne die Emission von magnetischen Feldern – also quasi vollkommen neutral. Mit einem hinreichenden mechanischen Schutz vor äußerer Beschädigung (Bagger!), können theoretisch auch neue, kleinere Grabenprofile zur Anwendung kommen, was wiederum die Bautätigkeit reduziert.
Supraleitende Kabel würden also je nach Netzkonzept zunächst als Entlastung für stark beanspruchte Netzbereiche fungieren. Im Prinzip, wie eine Stadtautobahn. Aufgrund der geringeren Impedanz fließt zudem mehr Leistung durch die supraleitenden Kabel als durch parallele Routen der gealterten Standardkabel.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Die älteren Kabel werden nicht stärker be-, sondern sogar entlastet, was wieder Zeit für den aufwändigen Austausch verschafft und die Netzverluste senkt. In einem nächsten Schritt wäre denkbar, eine Netzinfrastruktur zu schaffen, die ein „Hochenergiering“ in der Stadt darstellt. Solch eine Ringnetzstruktur aus supraleitenden Kabeln hätte mehrere Vorteile: Der Kühlkreislauf (flüssiger Stickstoff kühlt das Kabelinnere auf unter -180 Grad Celsius) wäre effizienter, in den Ring können leistungsstarke Verbindungen zur überlagerten Netzstruktur einspeisen. Entlang des Rings ließen sich mehrere Abnahmepunkte im Megawattbereich installieren, von wo aus die Leistung in die Stadtquartiere weiter verteilt werden kann.
Es wäre eine effiziente Möglichkeit die Leistungsdichte in den Innenstädten mit überschaubarer Bautätigkeit stark zu erhöhen. Eine Reihe von Supraleiterkabel Installationen weltweit – in Deutschland unter dem Namen Ampacity in Essen - haben die Betriebstauglichkeit und Zuverlässigkeit in den letzten Jahren hinreichend bewiesen.
Möglich wird dies durch die Eigenschaften des Supraleiters: Durch Kühlung auf unter -180 Grad Celsius wird der sogenannte Hochtemperatur-Supraleiter nahezu widerstandslos. Das bedeutet, dass selbst durch extrem kleine Querschnitte sehr viel Strom fließen kann. Oft kann dadurch sogar eine Spannungsebene eingespart werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel dreiphasige Kabel für die Übertragung von 500 Megavoltampere (MVA) bei 110 Kilovolt (kV) mit einem Querschnitt von weniger als 26 Zentimeter oder weniger auskommen können – thermische Isolierung inklusive. Solch ein Kabel wird derzeit in München unter dem Projektnamen Superlink geplant. Und selbstverständlich wird auch Verlustenergie, die bei Standardkabeln immer anfällt, sobald Strom fließt, eingespart. Ein Standardkabel hat dreiphasig ungefähr einen Außendurchmesser von 15 Zentimetern. Davon brauchen Sie aber fünf, die nicht direkt nebeneinader liegen dürfen. Um 500 MVA auf der 110-kV-Spannungsebene durch die Stadt zu führen, braucht man fünf Kabelgräben mit einer Breite von etwa 75 Zentimetern nebeneinander.
Verschiedene Berechnungen haben gezeigt, dass auf Strecken in Städten, wo viel Leistung übertragen werden muss, der Supraleiter deutlich wirtschaftlicher ist.
Es gibt also mehr als genug Gründe, über den Einsatz von Supraleiterkabeln ernsthaft nachzudenken.
Weitere Informationen:
https://www.fh-swf.de