Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Die Zukunft heißt Gleichstrom

Im Werk der Firma Lapp im französischen Forbach soll in den nächsten Jahren eine neue Halle mit Gleichstrom ausgerüstet werden. Die Câbleries Lapp sind das größte Werk in der Lapp-Firmengruppe. In den kommenden drei Jahren sollen 95 Prozent der Maschinen ihren Platz wechseln, außerdem wird eine sechste Halle gebaut. Unterm Strich soll das die Produktivität verdoppeln. Wenn das Produktionswerk hierbei umorganisiert wird, ist das der perfekte Zeitpunkt, um auch relevante Optimierungen in Richtung Energie- und Ressourceneffizienz anzupacken. Lapp als Weltmarktführer im Bereich der integrierten Kabel- und Verbindungstechnologie hat in den letzten Jahren die Entwicklung der DC-Technologie (DC = Direct Current = Gleichstrom) mit vorangetrieben und ist Gründungsmitglied der Open Direct Current Alliance des Elektro- und Digitalindustrieverbands ZVEI.

Wandlungsverluste vermeiden

Die Idee ist bestechend: In Fabrikhallen gibt es bereits seit Jahren Verbraucher, die mit Gleichstrom betrieben werden, wie etwa die LED-Beleuchtung, Belüftung oder Gleichstrommotoren. Für sie muss die Netzwechselspannung (AC = Alternating Current = Wechselstrom) gleichgerichtet werden, was Wandlungsverluste bedeutet. Besser wäre es, wenn man sie direkt mit Gleichstrom versorgt. Darüber hinaus werden drehzahlgeregelte Motoren über Frequenzumrichter mit einem DC-Zwischenkreis betrieben, zum Beispiel Förderanlagen, Schweißroboter oder Servomotoren. Hier kann direkt in den DC-Zwischenkreis eingespeist und eine Wandlungsstufe vermieden werden. Gleiches Bild auf der Seite der Energieerzeugung: Photovoltaikanlagen erzeugen und Batterien speichern immer Gleichstrom. Ein Gleichstromnetz würde es zudem erleichtern, Bremsenergie aus Motoren, aus der dynamischen Bewegung großer Massen, zurückzugewinnen und direkt im Fabriknetz weiterzuverwenden, wie beim Rekuperieren im Elektro- oder Hybridauto.

PV-Anlagen erzeugen und Batterien speichern Gleichstrom.

Dass Gleichstromnetze in der Industrie bisher noch nicht Fuß fassen konnten, hat einmal damit zu tun, dass das Thema jetzt erst aus der Forschung hinaustritt in die industrielle Umsetzung, und zweitens Stand heute damit, dass noch nicht alle Komponenten für DC mit den notwendigen Zertifizierungen verfügbar sind (zum Beispiel notwendige DC-Abzweige oder AC-DC Wandler). Das verbessert sich aber dank der sehr guten Vorarbeiten des Forschungsprojekts DC-Industrie und seines Nachfolgeprojekts DC-Industrie 2. Dort haben die Forschungspartner, darunter auch Lapp, Standards erarbeitet, wie Gleichstromnetze aufzubauen sind – das sogenannte DC-Systemkonzept. Lapp hat unter anderem untersucht, welche Auswirkungen Gleichstrom auf ein Kabel oder eine Leitung hat und was hier zu beachten ist.

Bisher gibt es kaum Erfahrungen mit Gleichstrom im Fabrikumfeld. Hier wollen Lapp und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA mit dem Werk in Forbach einen Piloten schaffen, an dem sich andere Fabrikplaner:innen orientieren können. Das IPA hat im Rahmen einer Konzeptstudie mit einer Bestandsaufnahme der Erzeuger und Verbraucher im Werk und einem Stufenplan zur Einrichtung eines Gleichstromnetzes die Basis gelegt. Auch die Kosten und der ROI, also die Kapitalrendite, wurden dabei berücksichtigt – demnach könnten zehn Prozent der Verbraucher sofort mit Gleichstrom versorgt werden. Zusammen gerechnet sind das pro Jahr 1,5 Gigawattstunden. Hier ist ein hohes Einsparpotenzial zu erwarten, da es sich um Motoren für die Ablängerei handelt, in der große Trommeln und somit Massen beschleunigt und stark abgebremst werden. Die Energie muss also nicht mehr über Widerstände „nutzlos“ abgeführt werden, sondern wird im Netz rekuperiert. Die geplante Ausstattung des Werks mit Photovoltaik und der Aufbau von Ladestationen für E-Fahrzeuge führen zur direkten Anbindung von DC-Erzeugern und weiteren DC-Verbrauchern ans Netz.

Konzeptstudie mit Fortsetzung

Das Gleichstromnetz im Werk Forbach ist noch eine Konzeptstudie. Jetzt geht es ans stufenweise Prüfen von Umsetzung und verfügbaren Komponenten. Zunächst soll in Halle 6 „auf der grünen Wiese“ die DC-Netzinfrastruktur aufgebaut und in Halle 1 nachgerüstet werden. Dann folgt die Anbindung der Photovoltaik vom Dach mit der Gebäudetechnik.

In den nächsten Schritten kommen weitere Verbraucher hinzu, die die Maximalleistung der Photovoltaikanlage nutzen. Langfristig ließen sich alle Stromverbraucher an das DC-Netz anschließen, wobei Rekuperation und eventuell notwendigen Batteriespeichern eine wichtige Rolle zukommt. Wenn dies alles klappt wie geplant, würden auch die anderen Hallen auf DC umgerüstet.

Gleichstrom für Karosseriebauanlage

Lapp hat als Anbieter von integrierten Lösungen und Markenprodukten im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie bei einem bayerischen Automobilhersteller eine Testanlage mit DC-Lösungen ausgestattet. Für das Stanzen, Schweißen, Nieten und Kleben in einer Karosseriebaulinie wird eine Vielzahl an Robotern eingesetzt, die die Bauteile mit höchster Präzision bearbeiten. Und sie wiederum brauchen eine Menge Strom. „In Zukunft wahrscheinlich mehr und mehr Gleichstrom“, präzisiert Alois Heimler, Strategic Marketing Manager Intralogistik & Automotive, von Lapp und weiß: „Das Zauberwort heißt weniger Spannungswandlungen.“ Ein Roboter entnimmt kurzzeitig viel Energie, um einen Bewegungsablauf zu initiieren oder in kinetische Energie zu wandeln. Im Abbremsmoment oder im Senkbetrieb, wird jedoch aus der kinetischen Energie wieder elektrische Energie erzeugt (Der Antrieb befindet sich nun im Generatorbetrieb). Diese kinetische Energie wird in Wechselstromsystemen (AC) in der Regel nicht gespeichert und geht als Wärmeenergie verloren; so wurden bisher Bremswiderstände eingesetzt um die überschüssige Energie zu „verbrennen“. Anders im Gleichstrom, also DC-Netz: „Hier wird die Energie in den DC-Zwischenkreis, andere DC-Verbraucher oder Energiespeicher gespeist. Somit kann die Energie, die bei Abbremsvorgängen frei wird, ohne große Wandlungsverluste zentral für alle Verbraucher an das Netz zurückgeschickt werden“, erklärt Alois Heimler die Bremsrekuperation. Sie erlaubt demnach den direkten Energieaustausch zwischen allen Antrieben, wie sie etwa in Robotern vorkommen.

Susanne Krichel,
Leiterin Innovation and Advanced Technology bei Lapp

Foto: LAPP

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ ERE E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus ERE: Sonderhefte (PDF)
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen