Das Unternehmen Greenland Gigafactory wird innerhalb der nächsten zwei Jahre im spanischen Sevilla eine nagelneue Fabrik zur Produktion von Solarmodulen. Das Projekt des Baus einer vollständig integrierten Modulfabrik in einer Freihandelszone im Binnenhafen der andalusischen Hauptstadt wird tatkräftig von der Provinz Andalusien und der Stadt Sevilla unterstützt. Im neuen Werk wird die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet. Von den Rohmaterialien über den Wafer und die Zellen bis hin zum fertigen Modul wird alles vor Ort hergestellt. Wenn die Fabrik fertig ist, soll sie eine Produktionskapazität von ansehnlichen fünf Gigawatt Modulleistung pro Jahr erreichen. Doch eine üppige Produktionskapazität ist längst kein Garant dafür, gegen die Konkurrenz aus Fernost zu bestehen. Dazu gehört mehr, zumal fünf Gigawatt zwar viel ist, aber an die Kapazitäten der neuen chinesischen Fabriken nicht heranreicht. So entstehen in der chinesischen Provinz Anhui derzeit zwei neue Werke mit einer Produktionskapazität von 30 und 60 Gigawatt.
Kunden wollen nachhaltig produzierte Module
Allerdings ist die reine Größe der Produktion nicht das allein entscheidende Kriterium, um sich gegen die Wettbewerber vor allem aus China im Segment der kristallinen Solarmodule durchzusetzen. Schließlich fragen immer mehr Kunden nach der CO2-Belastung bei der Herstellung der Module – vom Wafer bis hin zum fertigen Paneel. Sie wollen wissen, welche Umweltbelastungen die Modulherstellung verursacht. An dieser Stelle können europäische Hersteller punkten. Dies ist zumindest ein Ergebnis einer Umfrage des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Photovoltaikindustrie. Die Studie ist zwar bereits 2019 erschienen. Doch sie dient als Grundlage für das Geschäftsmodell der neuen Modulfabrik in Sevilla. Die Freiburger Forscher haben nämlich herausgefunden, dass eine faire Bepreisung des CO2-Ausstoßes Vorteile hat, da dadurch der CO2-Fußabdruck der Modulproduktion sinkt. In Europa können die Kunden nachvollziehen, dass die Module mit einem Strommix hergestellt werden, der höhere Anteil an regenerativen Energien hat. Das können die europäischen Hersteller als Vorteil gegenüber den asiatischen Anbietern ausspielen.
Transportkosten steigen
Dazu kommen noch die Transportkosten. Denn die heutigen Fertigungskosten in den Gigafabriken von weniger als 20 Cent pro Watt Modulleistung lässt den Anteil an Transportkosten und anderen Teilkomponenten steigen, da diese nahezu konstant bleiben. Sie liegen inzwischen bei etwa zehn Prozent der Gesamtkosten für ein Modul. Hier bringen kürzere Transportwege einen klaren Kostenvorteil. Zumal die Havarie des Containerschiffes „Ever Given“ im Suezkanal im März dieses Jahres eine Vorstellung gegeben hat, wie fragil die Transportwege sein können. Dazu kommt noch, dass europäische Produzenten in der Regel einen Ansprechpartner vor Ort haben und den europäischen Regelungen bei der Abwicklung von Garantieansprüchen genügen müssen. Diese Argumente sowie die günstigen politischen Rahmenbedingungen durch den EU Green Deal haben die Provinz Andalusien und die Stadt Sevilla überzeugt, eine regionale Photovoltaikproduktion aufzubauen und die Ansiedlung einer vollständig integrierten Fabrik zu unterstützen. Nun gilt es, das richtige Design der Fabrik und auch des Produktportfolios zu finden.
Fraunhofer ISE unterstützt bei der Weiterentwicklung
Deshalb hat Greenland das Fraunhofer ISE als Partner für die Auswahl der Produktionstechnik ausgewählt, mit der die Fabrik zunächst starten wird. „Wir werden Greenland auch beim Ramp Up und der technologischen Weiterentwicklung der Firma begleiten“, sagt Jochen Rentsch, Abteilungsleiter im Bereich PV-Produktionstechnologien am Fraunhofer ISE. „Gemeinsam mit Greenland Gigafactory und Fraunhofer ISE realisieren wir in Sevilla eine hoch innovative, voll flexible und durchgängig vernetzte Fabrik der Zukunft für den erfolgversprechenden Markt der Solarzellen in Europa“, ergänzt Thomas Fechner, Leiter Produktbereich New Business bei Bosch Rexroth. Das Unternehmen übernimmt die Planung und Auslegung der Modulfabrik auf dem Standard der Industrie 4.0. Für den Start setzt Greenland vor allem auf innovative aber erprobte Technologien, um den Aufbau der Produktion möglichst schnell zu stemmen. Dabei stehen monokristalline Siliciumwafer im Format M10 im Mittelpunkt, die zu PERC-Solarzellen verarbeitet werden. Diese werde wiederum mit mehreren Busbars verschaltet und als Halb- bzw. Tripelzellen in Module verbaut. Diese werden eine Leistung von mindestens 540 Watt erreichen.
Baustein für industrielle Wiederbelebung
Der Institutsleiter des Fraunhofer ISE, Andreas Bett sieht in der neuen Fabrik einen weiteren Baustein für die industrielle Wiederbelebung der europäischen Modulproduktion. Auch technologisch wird dies einen großen Schritt nach vorn bedeuten. „In europäischen Forschungszentren werden derzeit einige der weltweit fortschrittlichsten Technologien entwickelt, zum Beispiel Tandemsolarzellen, die höchste Wirkungsgrade erzielen und damit zu Flächenreduktion und Materialeinsparung führen, aber auch nachhaltige Produktionstechnologien unter Berücksichtigung von Kreislaufwirtschaft und Recycling“, betont Bett.
Energietica mit der ersten Gigafabrik in Europa
Es ist nicht die erste große Serienfertigung, die in Europa neu an den Start geht. So hat der österreichische Hersteller Energetica schon 2019 seine Gigafabrik in Liebenfels vor den Toren der Kärntener Landeshauptstadt Klagenfurt in Betrieb genommen. Auch hier hat das Unternehmen den modernen Industriestandard 4.0 mit einer nachhaltigen und umweltschonenden Produktion von Standardtechnologien kombiniert. Denn das Werk deckt seinen Energiebedarf zu einem großen Teil mit dem Solarstrom vom eigenen Dach. Dazu ist dort ein Generator mit einer Leistung von 2,7 Megawatt aufgebaut. Den restlichen Strom liefert das österreichische Netz in dem ein üppiger Anteil an Strom aus Wasserkraft vorhanden ist.
Meyer Burger will sein Werk auf fünf Gigawatt erweitern
Auch der Schweizer Hersteller Meyer Burger ist mit seiner neuen Modulfertigung ein Zeichen, dass die Photovoltaikindustrie in Europa noch lebt. Dazu hat das Unternehmen die einstigen Werke von Solarworld im thüringischen Arnstadt und im sächsischen Freiberg übernommen. Im April 2021 soll die Produktion starten, im Juli dieses Jahres stehen die ersten Paneele bei den Großhändlern. Zunächst startet Meyer Burger mit einer Produktionskapazität von etwa 400 Megawatt pro Jahr. Sukzessive soll die Produktion aber ausgeweitet werden und so bis 2026 eine Kapazität von jährlich fünf Gigawatt erreichen.
Den Widrigkeiten getrotzt
Natürlich darf man hier auch die anderen, bereits lange etablierten Hersteller nicht vergessen, die der Pleitewelle mit innovativen technologischen Weiterentwicklungen und neuen Geschäftsmodellen dem Kahlschlag der europäischen Modulproduktion getrotzt haben. Dazu gehören Unternehmen wie Aelo Solar in Prenzlau oder Kioto Solar im österreichischen St. Veit an der Glan genauso wie die Sonnenstromfabrik in Wismar, REC Solar mit Hauptsitz in Oslo oder Bisol im slowenischen Prebold. Auch Solarwatt hat mit seinem Umstieg auf das Premiumsegment und der Neuaufstellung als Komplettsystemanbieter rechtzeitig die richtige Entscheidung getroffen, um trotz aller Widrigkeiten auf dem Heimatmarkt Wachstum generieren zu können. Derzeit baut der Dresdner Anbieter eine neue Modulfabrik, um die Produktionskapazität auf 500 Megawatt zu verdoppeln.
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