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COP23

"Sonst werden wir in einer anderen Welt leben"

Die Pressekonferenz auf Einladung des Deutschen Klimakonsortiums in der Berliner Humboldt-Uni war hochkarätig besetzt. Gernot Klepper, Klimaökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Marie-Luise Beck, Mojib Latif,Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Monika Rhein, Ozeanografin an der Universität Bremen waren gekommen, um der Presse vor Augen zu führen, dass der Klimawandel ungebremst voran schreitet.

Zunächst erinnerte Uni-Vizepräsident Peter Frensch daran, dass Alexander von Humboldt schon vor 200 Jahren die erste Klimakarte erstellte und darauf hinwies, dass der Mensch durch sein Handeln das Klima beeinflussen kann. Nicht ganz so lange hat Mojib Latif das Klima im Blick, aber immerhin erforscht er das Klima, die Ozeane und das El Nino Phänomen seit den 1980er Jahren. Er berichtet, er komme gerade von der Weltklimakonferenz COP23 in Bonn, wo er viele junge Menschen getroffen habe, die einen starken Druck aufbauen würden, damit der Klimaschutz ernst genommen und geeignete Maßnahmen implementiert werden. Auch sei eine interessante Koalition von Versorgern, VErbänden und Mittelständern entstanden, die einen konkreten Plan zur Umsetzung der Klimaziele fordert. Aber dann schwenkt Latif um , zeigt auf seine Kollegen Schellnhuber und Klepper und sagt: "Obwohl wir so lange dabei sind, konnten wir nicht den nötigen Druck zum Handeln aufbauen." Schellnhuber nickt, er übernahm 1992 als Gründungsdirektor die Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Nun gebe es aber neue Entwicklungen, die den Klimawandel erfahrbar machten, so Latif. Zum Verständnis: Ein Teil des Misserfolgs beim Kampf für den Klimaschutz wird der Tatsache zugesprochen, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel langsam vonstatten geht undkaum konkret greifbar ist. Jedenfalls: Hurrikan Harvey habe Regenmengel freigesetzt - "so etwas hat es noch nie gegeben", so Latif, der Wetterdienst in den USA haben dafür eine neue Farbe in der Niederschlagsskala eingeführt. Er habe auch mit Bewohnern der Fidschi-Inseln gesprochen, die davon berichteten, dass durch den Anstieg des Meeresspiegels der Boden inzwischen weitgehend versalzen sei.

Und Deutschland selbst? "Wir werden wohl nur 32 Prozent CO2-Reduktion bis 2020 gegenüber 1990 schaffen", so Latif, statt des Ziels von 40 Prozent laut Pariser Klimaabkommen. "Ich bin sehr, sehr besorgt, dass das deutsche Image als verlässlicher Partner beim Klimaschutz Schaden nimmt." Er weist zudem noch darauf hin, dass die Selbstverpflichtungen im Klimaabkommen eine Emissionslücke aufweisen. Die Staaten müssten ihre Ziele anheben, um das Zwei-Grad-Ziele zu erreichen. Abschließend betonte Latif, er wolle Mut machen, theoretisch sei man durchaus in der Lage, den CO2 -Ausstoß zu senken.

Medienrummel in der Berliner Humboldt Uni mit Fokus auf Schellnhuber, der die Politik zum Kohleausstieg aufforderte: Wer heute niemandem wehtun will, wird morgen allen weh tun. - © Foto: Nicole Weinhold
Medienrummel in der Berliner Humboldt Uni mit Fokus auf Schellnhuber, der die Politik zum Kohleausstieg aufforderte: Wer heute niemandem wehtun will, wird morgen allen weh tun.

"Warum überhaupt die 2 Grad?", fragte Schellnhuber dann rhetorisch: Er selbst hatte im Jahr 2000 den Begriff der Kippelemente in die Klimawissenschaft gebracht - diskontinuierlicher, irreversibler und extremer Ereignisse im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung. Sprich: Wenn die Temperatur sich über 2 Grad erwärmt, wird das Klima unberechenbar. Schließlich fand auch Schellnhuber deutliche Worte an die Politik: "Ich habe das Spiel so oft erlebt, dass man erst das Versprechen macht, wir werden bis 2030 diese Ziele erreichen. Dann verstärkt man den Prozess, dann sagt man: jetzt ist es zu spät, das kann niemand mehr schaffen. Mit drei Worten: versprechen, schleppen, verklappen. Das ist die gängige Politik. Warum? Weil die Politik niemandem wehtun will, nicht den Leuten, die in der Braunkohle arbeiten, nicht den Dieselherstellern. Aber wer heute niemandem wehtun will, der wird morgen allen weh tun. Wir müssen handeln, sonst werden wir in einer anderen Welt leben."

Schellnhuber verwies noch auf das Thema Klimaflüchtlinge: In Puerto Rico habe der Sturm 21 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vernichtet. Nun würden eine Million Flüchtlinge versuchen, nach Florida einzuwandern. Das seien vor allem Demokraten und da Florida ein Swingstaat ist, könne sich das für die Demokraten positiv auswirken - eine gerechte Strafe für US-Präsident Trump, der den Klimwandel weiter hartnäckig leugnet, findet Schellnhuber.

Bleibt abschließend die Frage, wie es sein kann, dass der Wirtschaftsrat der CDU anlässlich der Weltklimakonferenz eine Pressemitteilung rausschickt, in der vor übermäßigem handeln beim Klimaschutz gewarnt wird. Wolfgang Steiger: "Wenn der Preis für deutsche Alleingänge bei der Dekarbonisierung die Deindustrialisierung Deutschlands ist, dann war er definitiv zu hoch." 1. Erneuerbare Energien haben längst viel mehr Jobs geschaffen als die Kohleindustrie. 2. Deutscher Alleingang? Nicht ganz, wir gehören wohl im Jahr 2020 zu den fünf Staaten, die ihre angekündigten Klimaziele von Paris verfehlen. (Nicole Weinhold)