Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Modulen?
Sven Stoffers: Wir spüren inzwischen flächendeckend in Europa, dass die Nachfrage durch Inflation, steigende Kreditzinsen und wieder gesunkene Energiepreise etwas nachlässt. Dadurch wird der Wettbewerb für alle Akteure inklusive der regionalen Installateure wieder intensiver. Insgesamt bleibt die Nachfrage weiterhin stark genug, um einen weiterhin gut funktionierenden Markt für die nächste Zeit zu erwarten.
Welche Module laufen besonders gut und bei welchen ist der Absatz schwieriger?
Sven Stoffers: Alle Hersteller und alle Modultypen sind davon betroffen, dass chinesische Anbieter flächendeckend weit unter Herstellungskosten anbieten. Generell ist zu beobachten, dass herkömmliche PERC-Module besonders im Aufdachsegment sehr schnell verdrängt wurden und kaum noch eine Rolle spielen. Nachgefragt sind n-Type Module der neuesten Generation. Hierbei geht der Trend mehr und mehr auf Doppelglasmodule.
Meyer Burger hatte ursprünglich auf eine Produktionskapazität in Deutschland von einem Gigawatt geplant. Wie hoch ist derzeit die Kapazität?
Annegret Schneider: Meyer Burger hat die geplanten 1,4 Gigawatt Kapazität in den Bereichen Solarzellen und Solarmodule zum Ende dieses Jahres erreicht. Im Jahr 2024 ist der zusätzliche Aufbau von 2 Gigawatt Modul und Zellkapazität in den USA geplant.
Sie bauen eine Produktion in den USA – auf für Zellen und verweisen hier auf den Inflation Reduction Act. Gleichzeitig haben Sie sich um Fördergelder aus dem EU-Innovation-Fund beworben. Welche Strategie verfolgen Sie bezüglich des Ausbaus der Produktionskapazitäten?
Annegret Schneider: Meyer Burger ist eine treibende Kraft für den Ausbau der Solarenergie sowohl in den USA als auch in Deutschland und Europa. Daher wollen wir auch in Zukunft unsere Produktion in diesen Märkten weiter ausbauen. Der nächste Ausbauschritt erfolgt aufgrund der hervorragenden Förderbedingungen in den USA statt in Deutschland. Neben dem ohnehin geplanten Modulwerk in Goodyear, Arizona, entsteht bis Ende 1024 eine Solarzellenfabrik in Colorado Springs. Im Rahmen der erfolgreichen Bewerbung von Meyer Burger für den EU-Innovationsfonds ist zu einem späteren Zeitpunkt ein Ausbau im Multi-Gigawatt-Bereich in Thalheim in Bitterfeld-Wolfen geplant. Voraussetzung für solche Investitionen sind günstige Marktbedingungen und sichere, faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Solarhersteller in der EU.
Welche Rolle spielt die reine Größe der Produktion, um gegen die großen asiatischen Hersteller bestehen zu können?
Annegret Schneider: Skalierungseffekte treten im Gigawatt-Bereich ein, sind aber nicht unendlich steigerbar. Die reine Größe einer Fertigung bringt weniger Vorteile auf der Kostenseite als etwa der geringere Einsatz von Energie und Material und vor allem ein hoher Automatisierungsgrad. Aus unserer Erfahrung ist es wichtig, einen effizienten Produktionsprozess auf Basis einer nachhaltigen Technologie zu haben.
Welche anderen Möglichkeiten haben europäische Hersteller, um gegen die großen chinesischen Hersteller zu konkurrieren?
Annegret Schneider: Europäische Hersteller sind prinzipiell wettbewerbsfähig gegenüber asiatischen Herstellern. Meyer Burger etwa hat einen technologischen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern von etwa drei Jahren, eine Personalkostenquote von unter zehn Prozent, lediglich vier Produktionsschritte und daraus resultierend niedrige Stückkosten in einer hochautomatisierten Fertigung. Die Solarmodule auf Basis unserer Heterjunction/Smartwire-Technologie erzeugen auf dem Dach auf gleicher Fläche mehr Strom über eine garantierte Laufzeit von 25 beziehungsweise 30 Jahren. Nicht wettbewerbsfähig sind europäische Hersteller allerdings dann, wenn Wettbewerber Ware weit unter Herstellungskosten massenweise auf den Markt bringen. Deshalb muss dieses Marktversagen durch die Politik umgehend abgestellt werden.
Wie kann das geschehen?
Annegret Schneider: Dazu liegen in Berlin aktuell Vorschläge auf dem Tisch, die die Aufnahme von Resilienzboni ins Solarpaket 1 vorsehen. Diese Resilienzboni würden zu einem kontinuierlichen Aufwachsen eines heimischen Marktsegments führen, ohne Kosten für Solarstrom zu erhöhen oder die Energiewende und den Solarausbau zu gefährden. Das müsste jetzt sehr schnell geschehen und muss parallel zu den Gesetzesvorhaben erfolgen, die derzeit in Brüssel vorangetrieben werden. Bleibt der Markt so verzerrt, wie er derzeit in Europa ist, bleibt die fast hundertprozentige Abhängigkeit von China bei der wichtigsten Energiequelle der Zukunft bestehen.
Auf welche Gesetzesvorhaben in Brüssel setzen Sie?
Annegret Schneider: Die aktuellen Entwicklungen beim Net Zero Industry Act zeigen uns, dass man es dort ernst nimmt mit dem Plan, die eigene Solarindustrie in Europa zu stärken. Bis 2030 sollen mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an strategisch wichtigen klimaneutralen Technologien in Europa herstellt werden. Derzeit wird das Gesetz verhandelt. Wenn es in Kraft tritt, kann es der gesamten europäischen Cleantech-Industrie und insbesondere unserer Solarindustrie zu stabilen Marktbedingungen verhelfen und Wachstum ermöglichen.
Mit welchen Geschäftsmodellen arbeiten sie, um sich von den großen asiatischen Herstellern abzuheben – Premiumsegment, um eine Nische zu bedienen, oder andere?
Sven Stoffers: Wir bedienen jedes Kundensegment, welches Interesse daran hat, über das konkrete Solarmodul zu reden. Wir bieten bei den Themen Nachhaltigkeit, lokaler und fairer Fertigung sowie Produkteigenschaften viele Vorteile gegenüber sämtlichen Marktbegleitern. Aktuell punkten europäische Hersteller vor allen in privaten Dachanlagen sowie in einigen Ausschreibungen, die lokale Produkte bevorzugen. Neben dem klassischen Geschäft mit Solarmodulen für Dachanlagen vertreiben wir einen innovativen Dachziegel. Zudem werden wir kurzfristig eine Komplettlösung für Balkonanlagen auf den Markt bringen.
Welche Strategien haben Sie bei der Zusammenarbeit mit Handwerkern und Planern, um diese dazu zu bewegen, mit europäischen Modulen zu bauen?
Sven Stoffers: Unser Marketing- und Vertriebsaktivitäten sind komplett auf das Handwerk ausgerichtet. Wir bieten ein Produkt mit diversen Vorteilen. Handwerkspartner integrieren wir in den Meyer Burger Club. Das ist ein Partnerschaftsmodell mit diversen Unterstützungen für Installateure wie Vertriebssupport vor Ort, Schulungen und Events, exklusiver Onlineshop, Vermittlung von Endkundenleads und andere. Zudem arbeiten wir mit marktführenden Großhändlern, um flächendeckend in Europa eine ideale logistische Infrastruktur zu garantieren.
Mit welcher Preisentwicklung rechnen Sie in den nächsten Monaten in Europa?
Sven Stoffers: Aufgrund der enormen verfügbaren Lagermengen erwarten wir, dass der Preisdruck anhält. Die aktuellen politischen Entwicklungen wie die anstehende Verabschiedung des Net Zero Industry Act durch die EU, konkrete lokale Resilienzprogramme insbesondere in Deutschland stimmen uns sehr positiv, dass ein stabiles Marktsegment für europäische Ware entsteht, welches ein gesundes Preisniveau für diese Anbieter ermöglicht.
Welche Rolle spielen technologische Entwicklungen beim Wettbewerb – schließlich sind die großen Hersteller aus Asien ebenfalls technologisch am Nabel der Zeit?
Annegret Schneider: Technologischer Vorsprung ist entscheidend. Dabei sehen wir nach wie vor eine Technologieführerschaft in Europa, insbesondere in Deutschland und in der Schweiz. Meyer Burger ist beispielsweise Teil eines Forschungskonsortiums zur Industrialisierung von Persowskit-Tandemsolarzellen, das aus führenden Instituten im Bereich der Photovoltaikforschung besteht.
Welche technologischen Entwicklungen haben Sie für die nächsten Monate in der Pipeline?
Annegret Schneider: Unser großes Forschungs- und Entwicklungsteam arbeitet an der Einführung von IBC-Technologie in unsere Solarzellen- und -modulfertigung der nächsten Generation. Hier nutzen wir unsere Heterojunction-Technologie als Basis.
Das Interview führte Sven Ullrich
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