Müll ist wertvoll geworden. Für einen Entsorger, der seinen Namen nicht Preis gibt, errichtet BDI eine Biogasanlage, die biogene Abfälle vergärt und direkt verstromt. Das Auftragsvolumen beziffert BDI mit 4,45 Millionen Euro. Die Anlage soll im Norden Frankreichs gebaut werden. Wo, auch das bleibt unter Verschluss.
Die Franzosen wollen Abfälle aus der Lebensmittelproduktion und –einzelhandel, der Gastronomie und der Agrarindustrie, in der Summe 65.000 Tonnen pro Jahr, in der Biogasanlage verstromen. Daraus sollen 4,2 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr erzeugt werden. Die elektrische Leistung beträgt 2,1 Megawatt.
Biodiesler baut Biogas
Für BDI ist es die erste Biogasanlage in Frankreich. Das Unternehmen aus Graz ist in der Erneuerbare-Energien-Szene bislang eigentlich eher bekannt als Biodiesel-Anlagenbauer, insbesondere durch den Bau von Anlagen für Biodiesel aus biogenen Abfällen („Waste to Biofuels“). Auf diesem Geschäftsfeld agiert BDI seit etwa 10 Jahren weltweit. Das Geschäftsfeld Biogasanlagen ist ein weiteres, das nun im Aufbau begriffen ist. Die Biogasanlage in Frankreich ist die insgesamt vierte Anlage. Die erste Anlage steht in Este in Italien, die zweite in Pamukova in der Türkei. Die dritte ist derzeit in Deutschland im Bau, in Marl.
Statt Schwein die Stahlkuh
Auftraggeberin in Marl ist die ReFood GmbH amp; Co. KG, deutschlandweit bekannter Einsammler von Biomüll unterschiedlichster Herkünfte, ReFood fährt Küchen genauso an wie die Nahrungsmittelindustrie. Für Entsorger hat sich in den letzten Jahren das Blatt gewendet: Bis Ende 2005 konnten Entsorgungsunternehmen Lebensmittelabfälle nach Aufbereitung noch als Mastfutter verkaufen. Danach trat ein von der EU verhängtes Verfütterungsverbot in Kraft, das vermutlich auch eine Folge der BSE-Krise war. Eine Option ist die Verwertung der Reste in Biogasanlagen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012 liefert zudem neue Anreize.
Roter Teppich für biogene Reststoffe
Die schwarz-gelbe Koalition hat während der Debatte um die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in diesem Jahr auch den Ausbau der Nutzung biogener Reststoffe in Biogasanlagen favorisiert und dafür Anreize ins Gesetz geschrieben. Im EEG 2012 wurde der Paragraf 27a aufgenommen, der die Vergütung von Strom aus Bioabfällen beschreibt. Anlagen bis 500 Kilowatt elektrische Leistung erhalten 16 Cent pro erzeugter Kilowattstunde, Anlagen bis 20 Megawatt 14 Cent pro Kilowattstunde. Außerdem lässt sich aus Paragraf 27a schließen, dass die Mindestwärmenutzung, die für Biogasanlagen ansonsten gilt, die direkt verstromen wollen, für Biogasanlagen, die zu mindestens 90 Prozent biogene Abfälle verwenden, nicht gilt, denn in Paragraf 27a findet sich eine solche Maßgabe nicht.
Drehen Entsorger den Hahn auf?
Die Biogasbranche ist zwar überzeugt, dass das Potenzial biogener Reststoffe in Deutschland weitgehend ausgeschöpft ist. Aber auch, weil die Reststoffe weitgehend in Entsorgerhand sind. Doch könnten Entsorger wie ReFood vermehrt in die Biogasproduktion einsteigen. Die Anlage in Marl soll 87.000 Tonnen Bioabfall verwerten und daraus 6,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr produzieren. Anfang Mai dieses Jahres hieß es, die Anlage solle Ende 2011 in Betrieb gehen. Möglicherweise wird angesichts des bevorstehenden EEG 2012 jetzt noch ein paar Tage gewartet.
Europas Biomüll wartet
Biogasanlagen, die Abfall vergären, sind noch in einem anderen Zusammenhang zu sehen. Deutschland bleibt zwar der Kernmarkt für Biogas, ist man sich in der Branche einig. Doch im nächsten Jahr wird er im Vergleich zu den Rekordjahren 2009 und 2010 beim Zubau insgesamt deutlich schrumpfen. Länder wie Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien oder das Baltikum entwickeln das Thema Biogas und sie gewinnen dadurch an Bedeutung für die deutschen Anlagenbauer. Die Biogasgewinnung aus Abfall spielt dabei in einigen Ländern eine große Rolle. BDI-CSO Edgar Ahn sagt im Zusammenhang mit dem Auftrag aus Frankreich: „Wir sehen großes Potenzial für 2012 und darüber hinaus in der Biogasproduktion aus Abfallstoffen in vielen Teilen Europas und in großen internationalen Märkten.“ In Großbritannien hat die Renewable Energy Association REA die Kampagne „Back to Biomass“ ausgegeben. Bei der Biogastechnologie soll vor allem auf organische Reststoffe zurückgegriffen werden. Die Rede ist von bis zu 100 Millionen Tonnen Bioabfälle, die auf der Insel jährlich anfallen und für Biogas relevant sein könnten. (Dittmar Koop)