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Sonnenernte vom Cottbuser See

Nicole Weinhold

Gerade haben die Briten ihren letzten Kohlemeiler vom Netz genommen. Von rund 65 Prozent 1990 auf null – diese Nachricht überraschte viele Deutsche, die hierzulande vor allem einen endlosen Streit über das endgültige Ausstiegsjahr kennen: 2035? 2038?

Speziell in der Lausitz ging es beim Kohleausstieg immer wieder auch um Arbeitsplätze. Am Ufer des Cottbuser Sees ist derweil von Arbeitslosigkeit nichts zu spüren. Rund 20 Techniker sind gerade dabei, Schwimmkörper an riesigen Stahlgestellen zu befestigen, bevor über 51.000 Solarmodule auf den rund 1.800 Pontons, sogenannten Solarbooten, montiert werden. Die meterlangen Elemente der Floating-PV-Anlagen werden dann mit Booten vom Ufer weggetrieben und mit den bestehenden Anlagenelementen verbunden. Nur rund ein Prozent des Sees wird mit Solaranlagen bedeckt, mehr war mit den örtlichen Behörden offenbar nicht machbar. Thorsten Kramer, bis 18. September 2024 Leag-CEO, und Dominique Guillou, CEO der Leag Renewables GmbH, schütteln bei dem Thema bedauernd die Köpfe. Fünf Prozent des Sees wollte man eigentlich nutzen. Die Regeln für Floating PV sehen jedoch zahlreiche Einschränkungen vor, etwa einen Mindestabstand von 400 Metern zum Ufer. So sollen Seen unter anderem für Naherholung offenbleiben.

51 Tausend Solarmodule werden bei Fertigstellung auf dem Cottbuser See Strom erzeugen.

2015 wurde die letzte Kohle aus dem Gebiet abgetragen. Aber schon 2000/2001 gab es einen Wettbewerb zur Nachnutzung. Als dann die Entscheidung getroffen wurde, aus dem Braunkohleabbaugebiet eine Seenlandschaft zu machen, setzte sich – so wird gemunkelt – ein Segelclub-Vorsitzender mit seinem Ansinnen durch. Ob er seine Yacht noch über den Cottbuser See lenken wird, ist nicht sicher. Denn das Fluten des Sees mit Spreewasser geschieht nur dann, wenn der Fluss ausreichend Wasser führt. Derzeit fehlen dem See noch 1,2 Meter Wasserhöhe. Diese könnten im Winter 2025/2026 erreicht werden. Vor 2030 wird aber nichts aus dem Badespaß, denn unter anderem die Optimierung der Wasserqualität steht zunächst noch an. Das durch den Braunkohleabbau entstandene Loch hätte sich übrigens auch ohne das Zutun der Leag gefüllt, dann aber mit Grund- statt mit Spreewasser. Und es hätte ein paar Jahre länger gedauert, im Zuge des Klimawandels vielleicht Jahrzehnte.

Die Floating-PV-Anlage soll nach Fertigstellung zwei Wechselrichterstraßen und acht Trafostationen erhalten und rund 29.000 Megawattstunden (MWh) Strom produzieren, genug für 8.250 Haushalte. Die Verankerung im See erfolgt über 34 Dalben, eine Technologie, die auch für die Verankerung von Seebrücken angewendet wird.

Verdichtung der Böden für die Windkraft

Die Anlage ist Teil der Leag-Gigawatt-Factory, die bis 2030 sieben und bis 2040 14 Gigawatt regenerativ erzeugen will. 1.200 Megawatt (MW) an Wind- und Photovoltaikprojekten sind in dem Kohlerevier bereits in Genehmigung oder Umsetzung. Mit einem Spezialtruck geht es für die Pressevertreter an diesem Tag durch das sandige Gebiet, vorbei an Wind- und Solarparks und an ehemaligen Abbaugebieten, deren Böden durch tonnenschwere Lasten verdichtet werden, damit sie den Ansprüchen der künftigen Stromquelle, einem Windpark, Genüge tun. Ergänzt werden Wind und Photovoltaik durch Großspeicher, die sich hier Big Battery Lausitz und Oberlausitz nennen. Vorgesehen ist auch die Herstellung von grünem Wasserstoff (H2 ) mit angeschlossener Wasserstofftankstelle. Das H2-Kraftwerk soll im ersten Schritt mit einer Leistung von 10 MW ausgelegt sein, kann aber durch den Zubau weiterer Brennstoffzellen und H2-Turbinen bis auf 500 MW wachsen.

24 Tausend Menschen waren 2019 laut sächsischer Staatsregierung direkt oder indirekt in der Kohlewirtschaft des Landes beschäftigt.

Selbstredend werden für den Umbau zum grünen Powerhouse Lausitz viele Menschen benötigt. Die Leag beschäftigt derzeit insgesamt rund 7.000 Mitarbeitende und sucht in allen Bereich neue Leute. Gleichwohl reißt der Wegfall der Kohle ein Loch in das ohnehin dünne Angebot in der Region. In der sächsischen Kohle waren 2019 laut dortiger Staatsregierung noch 24.000 Menschen direkt oder indirekt beschäftigt. Die Lücke sollte geschlossen werden. Von 5.000 von der Bundesregierung geplanten Stellen in Behörden und Einrichtungen des Bundes vor Ort in deutschen Kohlerevieren sind bisher 2.094 besetzt, 3.500 weitere zudem konkret in der Bereitstellung.

Mining & Generation Technology, kurz MinGenTec, unterstützt als Netzwerk Unternehmen und Institutionen aus der Lausitz bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder und Märkte durch die Förderung von Innovationen, bei der Internationalisierung sowie der Vernetzung.

Zukunftsfelder und Perspektiven

Projektleiterin Christina Eisenberg berichtet, dass sich darin rund 250 Partner, 80 Prozent Unternehmen, vernetzt haben mit dem Ziel, gemeinsam langfristige Entwicklungsoptionen aufzutun. „Wir zeigen Zukunftsfelder auf, die für die Unternehmen in der Region langfristige Perspektiven eröffnen können. Diese prüfen wir gemeinsam mit den Firmen ab, zum Beispiel im Rahmen von Markterschließungschecks und Innovationschecks“, sagt Eisenberg.

Erfolge verbuchen schon einige Mittelständler, wie zum Beispiel ein Unternehmen, das einst ausschließlich als Dienstleister von der Braunkohlenindustrie abhängig war und heute ein wichtiges Standbein im Fahrgastgeschäft hat.

Service und Instandhaltung werden derweil in naher Zukunft auch für die Erneuerbaren in großer Zahl in der Lausitz gebraucht.

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