Karsten Porm über Krieg, europäische Fertigung und dezentrale Energie.
Nicole Weinhold
Karsten Porm, Geschäftsführer Eno Energy Systems GmbH, spricht über die Herausforderung für sein Unternehmen als kleiner, unabhängiger deutscher Hersteller von Windenergieanlagen.
Was brauchen Sie als Unternehmer, um Ihr Geschäft erfolgreich zu gestalten?
Karsten Porm: Einfach Planungssicherheit. Die heftig kritisierte Ampel hat meiner Meinung nach sehr gute Arbeit geleistet. Die positiven Dinge, die von ihr gestartet wurden, dürfen jetzt nicht wieder zerstört werden. So können wir die Vielzahl der erhaltenen Genehmigungen sauber abarbeiten. Konkret sind wir für die nächsten drei Jahre mit Aufträgen in Höhe von mehreren Hundert Megawatt an genehmigten Projekten ausgelastet. In Deutschland haben wir 300 Megawatt an genehmigten Projekten. Wenn wir die mit unserer kleinen Manufaktur, die auf circa 150 bis 200 Megawatt ausgelegt ist, vernünftig abarbeiten können, das reicht mir schon – plus natürlich Kundenaufträge. Aber das ist in den heutigen Zeiten vielleicht schon zu viel verlangt …
In Kriegszeiten …
Karsten Porm: Vielleicht sollte ich die Produktion umstellen auf Panzer. Oder noch viel besser: Drohnen. Das hat ja auch viel mit Aerodynamik zu tun, da kennen wir uns aus ...
Der Resilienzgedanke verlangt, dass wir die Produktion nach Europa zurückholen ...
Karsten Porm: Wir fahren mit Wind natürlich in Deutschland eine hervorragende Strategie: Die Energieversorgung durch Wind auszuschalten, da gehört schon einiges dazu im Kriegsfall. Das finde ich großartig, aber der Gedanke ist vermutlich noch nicht bei der Politik angekommen.
Nach 9/11 gab es die Idee, dass Attentäter unsere AKWs nicht so tief anfliegen können, wenn wir rundherum Windkraftanlagen errichten ...
Karsten Porm: So eine dezentrale Energieversorgung, wie wir sie in Deutschland haben, ist gar nicht so schlecht. Aber zur Resilienz: Noch ist die europäische Industrie da, noch kommt nicht alles aus China. Wir als Eno sind sehr europalastig, deswegen auch begrenzt. Wir sind ungefähr so wirtschaftlich wie Enercon, die ebenfalls noch viel aus Europa beziehen und deswegen auch relativ teuer sind. Wir würden bis auf Rotorblattlieferanten mit Europa klarkommen. Für die 4,8-Megawatt-Anlagen beziehen wir sogar die Blätter aus Europa, aus Andalusien. Und ansonsten ist unser Hauptlieferant ein Europäer, LM, der in China fertigt. Der könnte die Formen auch nach Polen bringen. Dort und in Spanien hat LM noch Fertigungskapazitäten.
Noch ist die Industrie da, aber wir sind auch oftmals der letzte Kunde. Bei meinem Generatorlieferanten in Dresden bin ich der einzige Windkunde. Die anderen sind alle weg. Bei den Getrieben ist es ähnlich. Wir haben noch Flender in Deutschland. ZF bietet uns ebenfalls Getriebe an, aber aus chinesischer Fertigung. Noch gibt es eine europäische Fertigung, die aber extrem rückläufig ist.
AberzuwelchemPreiskannmaninEuropafertigen lassen? Da müssten Planer bereit sein, 20 Prozent mehr zu zahlen, oder?
Karsten Porm: Nicht ganz 20, aber in die Richtung. Jede Komponente aus China ist günstiger –inklusive Transport. Bei großen, schweren Bauteilen wie Türmen schwindet der Vorteil. Einige Hersteller beziehen Komponenten aus Vietnam. Generatoren bekomme ich aus Indien und Sachsen, wobei Indien natürlich günstiger ist.
Aber zur Resilienz: Wenn Planer bereit sind, das zu bezahlen und über ein entsprechendes Vergütungssystem dahingehend unterstützt werden, lässt sich alles wieder zurückdrehen.
Noch gibt es eine europäischeFertigung,dieaberextrem rückläufig ist.
Wie beurteilen Sie die alte Ampelregierung aus heutiger Perspektive?
Karsten Porm: Ich bin Ampelfan. Erstens haben sie die Kriegssituation mit ganz geringen negativen Auswirkungen gemeistert. Habeck auf einmal in Katar. Ideologisch widersprüchlich gegenüber seiner eigenen Einstellung, aber so wurde Versorgungssicherheit gewährleistet. Und dann haben sie uns Windmüllern einen riesigen Dienst erwiesen. Bevor die Ampel geplatzt ist, kam der Entwurf des Gesetzes für die Gaskraftwerke, für den Ausgleich gegenüber Photovoltaik und Wind. Und damit haben wir es eigentlich im Groben.
Ein positives Beispiel dafür, dass Deutschland auch beschleunigen kann?
Karsten Porm: Bei den LNG-Terminals haben sie ja gezeigt, dass Geschwindigkeit geht. Und bei uns im Wind ging das auch schnell. Habeck war gerade mal am Ruder, 2021/22 ging es los mit dem Wind-an-Land-Gesetz.
Das Ganze muss dann ja auch nach unten bis in die Gemeinden durchdringen.
Karsten Porm: Das ging komischerweise auch bei uns in Mecklenburg. Da haben die beiden Staatssekretäre im Wirtschaftsministerium zwei DIN-A4-Seiten an die Ämter rausgeschickt, an die Landkreise und Planungsbehörden, mit einer Anleitung, wie sie das in der Praxis umzusetzen haben.
Und auf einmal gab es Zustimmung für Projekte außerhalb von Eignungsgebieten, was die letzten 30 Jahre undenkbar war. Wir mussten nur die Vorgaben von dem Papier berücksichtigen. Darin war vermerkt, welche Abstände weiterhin einzuhalten sind. Außerdem gab es eine Art Handlungsanweisung an die Behörden.
Wie wird sich der AfD-Zulauf auswirken?
Karsten Porm: Ich finde es interessant, wie Alice Weidel ihre Meinung geändert hat. Ich habe gehört, wie sie über die „Windmühlen der Schande“ herzog. Und ziemlich schnell ist sie zurückgerudert, weil vielleicht auch irgendein Grundstückseigentümer, der AfD wählt oder der AfD pro Jahr 100.000 Euro spendet, bei ihr angerufen hat: „Hier, Mädchen, so nicht!“
Auf einmalgab esZustimmung für Projekte außerhalb von Eignungsgebieten, was die letzten 30 Jahre undenkbar war.
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