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Tetraspar-Schwimmfundament

Mit üblichen Mitteln an Land zur Schwimmtechnik im Meer

Am 2. Dezember des vergangenen Jahres, Ende 2021, nahm Tetraspar den Betrieb auf als „das welterste voll industrialisierte Offshore-Schwimmfundament“ bestückt mit einer echten Meereswindturbine. Die Unternehmen Shell, RWE, Tepco RP und Stiesdal, die ihr Pilotprojekt so loben, überzeichnen die Bedeutung der Innovation keineswegs. Sie ankert nun vor Norwegen mit einer 3,6-Megawatt-Turbine von Siemens und 130 Meter Rotordurchmesser. Das schlicht anmutende Design der sechs äußeren Stahlrohre ergibt die Gestalt einer Pyramide. Die einfachen Rohre stammen aus der erkennbar gewöhnlichen industriellen Produktion des beteiligten Turmbauunternehmens Welcon. Zudem steckt im Innern dieser Tetraeder-Struktur, gebildet aus den zu vier gleichseitigen Dreiecken positionierten Rohren, ein die Form zusätzlich stabilisierendes Konstrukt. Diese innere Rohrformation besteht aus vier Rohren in der Anordnung eines dreizackigen Sterns auf der Grund- oder Standfläche mit in dessen Zentrum senkrecht aufragender Stange. Weil die Rohre des Innenkonstrukts auf die Rohre der äußeren Pyramide stoßen, bilden sich weitere Dreieckskonstellationen, was maximale Lastteilungen innerhalb des Konstruktes zulässt und wohl die Ausmaße und die Stahlmasse des Körpers begrenzen hilft.

Doch die Entwicklung des dänischen Ingenieurdienstes Stiesdal zielt – mehr noch als auf die kostensparende Form – auf eine komplette Industrialisierung der Herstellung und auf die Unabhängigkeit von teuren, schlecht verfügbaren, auf Meereswindkraft spezialisierten Geräten, Schiffen und Arbeitskräften. Stattdessen müssen sich sämtliche Fertigungs-, Transport-, Montagearbeiten sowie im Hafen die Installation und das Zu-Wasser-Lassen mit Maschinen, Kränen oder Personal der Onshore-Windkraft erledigen lassen. So hatte es der Chef-
entwickler Henrik Stiesdal vorgegeben, der Technologiemanager beim Offshore-Weltmarktführer Siemens war. Erklärtes Ziel der Stiesdal-Entwicklung ist es, das Grundkonzept für eine Massenproduktion schwimmender Windparks zu schaffen.

So benötigt der Schwimmer des Tetraspars gerade einmal vier verschiedene Rohrstärken. Hinzu kommen drei Rohre mit einer weiteren Rohrstärke, aus denen die Entwickler einen Kiel bilden: ein Dreieck als parallel zur Wasseroberfläche ausgerichtetes Unterwassergewicht, das gemäß dem sogenannten Sparkonzept den Schwerpunkt sehr tief unter die Wasseroberfläche legt und damit die von Wind und Wellen belastete Turbine besonders gut stabilisiert. Alle Schweißarbeiten zum Zusammenfügen der Stahlrohrsegmente haben schon unter industriellen Bedingungen im Werk des Turmbauers stattgefunden. Für das Zusammenstecken des Schwimmers an der Kaikante setzt Stiesdal auf ein System mit gewindelosen Stahlbolzen, um die Enden der Rohre an entsprechenden Vorrichtungen ineinander zu fügen und die Verbindung zu befestigen. Nur für das Unterwasserdreieck setzten die Installateure auf eine zementähnliche Grout-Verbindung.

Vorgabe der Entwickler des Tetraspar ist außerdem, dass kein Bauteil des Fundaments in seinen Maßen eines der Maße der Bauteile der Windturbine übertreffen darf. Somit müssen alle Komponenten sich mit denselben Fahrzeugen anfahren lassen, die schon für den Windturbinentransport vonnöten sind. Möglich ist die Montage außerdem auch in Flachwasserhäfen mit Ladekränen, die für Onshore-Windturbinen ausreichen – und mit halbtauchenden Pontons, um die Gesamtanlage ins Wasser zu lassen. Denn das mit sechs verschränkt geführten Trossen an den Schwimmer gebundene Lastdreieck kann im Flachwasserhafen dicht unter der Wasseroberfläche bleiben. Die Installateure für den Offshore-Standort können den Kiel erst im Meer mit Beton und Seewasser belasten und ihn dort absenken. „Wir werden in die Massenproduktion eintreten und dasselbe Denken anwenden, das wir schon bisher betrieben“, sagt Stiesdal.

Die Gesamtkosten der Schwimmgründungen sollen mit dem Tetraspar-Konzept um ein Drittel sinken, geben die dänischen Entwickler als Zielmarke vor. Die Pilotanlage führt nun die Machbarkeit an einem Standort mit 220 Meter Wassertiefe vor. Schwimmgründungen lassen Windparks auch in Wassertiefen von weit mehr als 60 Metern zu, wo im Meeresboden stehende Fundamente nicht mehr möglich sind. Fundamente lassen sich dort auch als breite inselähnliche Schwimmkörper errichten und zudem mit Luft gefüllt durch Verankerungen unter Wasser ziehen, wodurch der Auftrieb die Anlage senkrecht ausrichtet. Sparfundamente haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer geringen Ausdehnung auf der Wasseroberfläche weniger vom Wellengang belastet sind. Allerdings haben bisherige Sparschwimmer die Form einer Vase für langstielige Blumen und lassen aufgrund ihrer Tiefe den Aufbau in Flachwasser nicht zu.

Die nächste Entwicklungsstufe des Stiesdal-Tetra-Konzepts ist übrigens schon anvisiert. So plant das Unternehmen für einen bisher nicht bekannt gegebenen Kunden eine halbtauchende Tetra-Sub-Variante für geringere Wassertiefen mit einer 15-Megawatt-Windenergieanlage. Dieses Modell soll den selben Prinzipien folgen wie die Tetrasparkonstruktion – und Onshore-Logistik-kompatibel sein.

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