Für den niederländischen Wissenschaftler Henk Polinder von der TU Delft hat die Forschung im europäischen Entwicklungsprogramm Innwind an Windturbinen bis 20 Megawatt Nennleistung einen klaren Favoriten hervorgebracht: „Die Pseudo-Direktantriebs-Integration eines Generators und das magnetische Getriebe haben großes Potenzial und lohnen sich, weiter erforscht zu werden“, sagt Polinder. Der als assoziierter Professor für nachhaltige Antriebe fungierende Experte war im Innwind-Programm bis zu dessen Abschluss 2016 Leiter einer Arbeitsgruppe, die neue Antriebskonzepte und ihre Leistungselektronik für neue Nennleistungsdimensionen der Windenergieanlagen prüfte. Der Pseudo Direct Drive (PDD), wie das Konzept im Fachenglisch heißt, sei auch für die Leistungselektronik der Anlage weniger herausfordernd als andere Konzepte, sagt Polinder.
Das PDD-Konzept kommt ohne Getriebe aus, erhöht aber die Rotation der Magneten in den Generatorspulen und so die Generatorleistung durch den Einsatz eines zweiten mit sehr vielen Magneten bestückten Rings im äußeren, feststehenden Teil des Generators. Durch gegenseitige Anziehung und Abstoßung der Magnete beschleunigt der äußere Magnetring den inneren. Dieses Generatordesign ist das Kind der englischen Ingenieurdienstleister Magnomatics. Die Briten waren mit ihrer Entwicklung auch Teilnehmer im Innwindprojekt. Sie hatten ein erstes Modell mit 300 Kilowatt (kW) Nennleistung 2015 einem Belastungstest unterzogen. Bei Innwind verglichen sie es mit gewöhnlichen getriebelosen Antrieben, mit Kompaktgetriebe-Antrieben oder mit Antrieben durch lang gezogene Getriebe mit schnelllaufenden, sogenannten doppelt gespeisten Asynchrongeneratoren. Außerdem setzten sie ihr Konzept dem Wettbewerb mit supraleitenden Generatoren aus. Deren Kabel bestehen aus Materialien, die ab Unterschreiten einer Sprungtemperatur keinen elektrischen Widerstand mehr haben und dann mit sehr geringen Kabel- und Leitungsdrahtstärken auskommen. Dies lässt viel kleinere Generatoren für höhere Leistungen zu.
Die Suche nach neuen Generatorkonzepten für immer leistungsstärkere Wind-energieanlagen dient dem Hauptzweck, den Masse- und Größenzuwachs der Komponenten als Notwendigkeit der wachsenden Erzeugungskapazität zu reduzieren. Denn größere Massen erhöhen die Kosten und die Lasten für die Windturbinen. Das Ergebnis des Systemvergleichs belegt ein Teststandergebnis eines Prototyps mit 500 kW Leistung von 2018 im britischen Forschungszentrum für Stromerzeugung aus erneuerbaren Meeresenergien Ore Catapult: Der Pseudodirekt-antrieb würde gemessen an sämtlichen Investitions- und Betriebskosten 2,6 Prozent geringere Stromgestehungskosten im Vergleich zu herkömmlichen Direktantriebsanlagen verursachen, 2,8 Prozent weniger als Kompaktgetriebe und mindestens vier Prozent weniger als damalige Supraleiter.
Vergleichbar seien die Stromgestehungskosten mit denen der günstigen, aber möglicherweise weniger gut größenskalierbaren doppelt gespeisten Asynchrongeneratoren. Dies begründen die Entwickler von Magnomatics mit der Besonderheit der Generatorarchitektur ihres Konzepts und deren lastreduzierenden Wirkung und außerdem günstigen Stromeigenschaften. Dafür lohnt ein genauer Blick auf das Design des 500-kW-Prototyps: Den stehenden äußeren Teil mit den Stromspulen haben die Magnomatics-Macher mit 23 Permanentmagnetpaaren bestückt. Darin rotiert ein direkt mit dem Rotor im Wind verbundener Polschuhring in der Drehzahl des Rotors bis zu 25 Mal pro Minute. Die dort eingelassenen Stahl-
blöcke übertragen die magnetische Wirkung auf einen inneren drehenden Ring mit nur zwei Magnetpaaren. Durch die stark unterschiedliche Polzahl wirken die Abstoßungs- und Anziehungskräfte beider Magnetringe so aufeinander, dass es den inneren Läuferring auf die siebenfache Drehzahl beschleunigt. Über den Polschuhring wiederum wirken die inneren Magneten auf die Spulen und erzeugen aufgrund ihrer schnellen Rotation eine hohe Leistung.
„Wir haben einen Hochgeschwindigkeitsgenerator mit niedrigem Drehmoment in einem Niedriggeschwindigkeitsgenerator mit hohem Drehmoment gebaut“, sagt Dave Latimer, Chef von Magnomatics. Aufgrund des weiten Drehspalts zwischen dem schnellen Generatorläufer, wie der innere Ring heißt, und den elektrischen Spulen im stehenden Ring, dem Stator, ist das ebenfalls für die Leistung verantwortliche Drehmoment geringer als bei herkömmlichen Direktantriebsgeneratoren. „Aber die höhere Geschwindigkeit gleicht diesen Leistungsverlust mehr als aus“, sagt Latimer. Dank des geringeren Drehmoments erwartet das Entwicklungsteam geringere Antriebsstrangschwingungen mit weniger Geräuschentwicklung. Beim Durchfahren der Anlage von Netzfehlern verringere sich auch die Belastung des Generators aus dem Netzfehler – dank des geringeren Drehmoments.