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200 Tonnen weniger CO2 für eine Windturbine

Nicole Weinhold

Mehrere Hundert Kubikmeter Beton werden in die Schalung gepumpt, in der zuvor rund 100 Tonnen Bewehrungsstahl zu einer Art Korb verlegt worden sind: So läuft es normalerweise, wenn ein Fundament für eine Windenergieanlage entsteht. RWE hat nun für ein Repowering-Projekt im Emsland einen anderen Plan. Eine 1,8-Megawatt-Anlage, die im Windpark Lengerich seit 2003 in Betrieb ist, wird durch eine 5,7-Megawatt-Turbine mit 118 Meter Nabenhöhe ersetzt. Beim Bau der neuen Anlage wird RWE erstmalig ein Fertigteilfundament einsetzen. Die von der Smart & Green Anker Foundations entwickelte Gründung besteht zu 100 Prozent aus Fertigteilen, die im Betonwerk produziert wurden. Dabei wird nur ein Drittel der sonst bei gegossenen Standardfundamenten üblichen Betonmenge verwendet. Zum Verständnis muss man sich das Fertigteilfundament als flache, runde Torte aus 25 Tortenstücken vorstellen – mit einem Zentrum aus mehreren Schichten.

Die Teile sind mit Stahlbolzen verschraubt. Auf die flache Tortenscheibe kommt eine mehrere Meter dicke Schicht aus Erdreich, die sogenannte Bodenauflast. Dadurch wird ein Gewicht erreicht wie beim Ortbetonfundament.

Das Fertigteilkonzept von Anker Foundations setzt auf Modularität, leichte Handhabbarkeit auf der Baustelle und eine komplette, vollständig witterungsunabhängige sowie gleichartige Vorfertigung der Bauteile in der Halle unter sicheren Produktionsbedingungen. Konkret besteht das Anker-Fundamentkonzept aus wenigen eher flachen Bauteilen. Die Fundamentbauer montieren sie zu einer Struktur, die in ihrer Mitte einen Ring formt und wie Baumwurzeln ausgreift. Statt einer wie beim Ortbetonfundament gewölbten Betonkuppel mit sehr viel Beton- und Stahlmasse besteht diese Struktur aus mehreren stern- oder wurzelförmig ausgreifenden Betonrippen.

„Wir gehen davon aus, dass die Messkampagne die Erwartungen an das Fundament bestätigt.“

Detlef Mentel, Projektmanager Onshore-Wind, RWE Renewables

Weniger Beton – mehr Erdmasse

Das Fundament wird ein Gewicht von rund 800 Tonnen aufweisen. Der Radius fällt dabei leicht umfangreicher aus als bei herkömmlichen Modellen. Doch die benötigte Masse im Boden, die das gigantische und den Windkräften ausgesetzte Bauwerk gerade halten muss, besorgen sich die Entwickler mit umso mehr Bedeckung durch den Erdaushub. So legen sie zwischen den mit Simsen versehenen Betonrippen sogenannte Lastverteilplatten aus, auf die dann die Erdmassen drücken.

Mit Standardlastwagen lassen sich die Bauteile anfahren. Der Betonvorguss in einer wohltemperierten Halle soll den Sanierungsbedarf reduzieren. Denn die Bedingungen sind oft deutlich besser als auf einer Baustelle, auf der der Beton bei oftmals schwankenden Temperaturen aushärtet.

Die Anzahl der Einzelteile beläuft sich auf insgesamt rund 50. Da alle Teile in einem Betonwerk vorab produziert werden, verringert sich zudem die Bauzeit erheblich, da der Bau bei nahezu jedem Wetter stattfinden kann.

Bild: Bundesregierung

Unkomplizierte Montage

Auch die Montage verläuft unkompliziert und umweltschonender: Anstatt mit rund 130 Betonmischerfahrten werden die Teile mit rund 30 Lkw-Fahrten angeliefert und anschließend vor Ort verschraubt. Als „Highlight“ bezeichnet Anker Foundations die Verspannung. Anstatt teure und wartungsintensive Verbindungsmittel zu verwenden, wie zum Beispiel Spannlitzen, würden die Fertigteil­elemente durch den Ankerkorb verspannt. „Änderungen am Ankerkorbdesign sind dafür nicht notwendig“, erklärt das Unternehmen.

Sie können bei einem späteren Rückbau einfach wieder demontiert werden. Die Fundamenttransporte reduzieren sich von rund 140 beim Standardflachfundament mit 130 Fahrten für Betonmischer und zehn für Bewehrungsstähle, Kies usw. auf nur rund 40 für alle Elemente des Fertigteilfundaments. Durch Transport-, Bauzeiten- und Materialreduzierung werden somit in Summe rund 200 Tonnen CO2 eingespart.

30 Lkw-Fahrten mit Fertigteilen sind in etwa nur noch nötig statt rund 130 Betonmischerfahrten für ein Windkraft­fundament.

Bei der Bodenverpressung geht RWE auf Nummer sicher: „Auch wenn am Standort eine ausreichende Statik ohne Bodenverbesserungsmaßnahmen möglich wäre, haben wir uns für Rüttelstopfsäulen als Bodenverdichtungsmaßnahme entschieden“, sagt Detlef Mentel, Projektmanagement Wind-Onshore Deutschland bei der RWE Renewables GmbH. „Bei einem Prototyp sind unsere ohnehin hohen Anforderungen an die Sicherheit noch ein wenig höher. Die Pilotwindanlage werden wir daher auch mit etlichen Sensoren, also einer Messkampagne, ausstatten, auch wenn dies behördlich nicht gefordert wird.“

Derzeit läuft der Zertifizierungsprozess des innovativen Fundaments. Darin wird für die bereits genehmigte Windenergieanlage eine Änderungsgenehmigung beantragt. Der Rückbau der alten Wind­energieanlage ist für Frühjahr 2023 geplant. Dann erfolgt auch der Baustart der neuen Anlage, die im vierten Quartal kommenden Jahres ihren Betrieb aufnehmen soll. „Wir gehen davon aus, dass die vorerst einjährige Messkampagne die Erwartungen an das Fertigteilfundament bestätigt“, so Mentel. Danach entscheide sein Unternehmen über mögliche Einsatzorte. 

Anker Foundations

Ende-2017 gründete Gregor Prass die Universelle Fertigteilfundamente GmbH (kurz UFF) mit der Vision, nachhaltige Technologien zu entwickeln, die helfen, Windkraftprojekte weltweit umweltfreundlicher, ressourcenschonender und kostengünstiger zu realisieren.

Ein-jahr-später begann die Entwicklung und Patentierung des ersten Semi-Fertigteilfundamentes für eine Enercon E-115 mit 149 Meter Nabenhöhe. Dieses Fundament funktioniert mit industriell gefertigten Rippen­elementen und einem Ortbetonring.

2019 wurde dieses Bauwerk zertifiziert und errichtet. Ende 2020 begann dann der Bau des ersten Fertigteilfundamentes. Die Planung, Zertifizierung sowie der Bau erfolgten durch die inzwischen umbenannte Anker Foundations. Insgesamt wurden am Standort fünf Fundamente für eine Enercon E-126 errichtet.

Anfang-2022 wurde das Unternehmen an die Smart & Green Unternehmensgruppe verkauft. Sie will mit ihrem „Bigg Change“ nichts anderes, als den Beton noch grüner und smarter zu machen.

Aktuell verfügt die Gruppe über zahlreiche Unternehmen im Bereich Bau, Logistik, Fertigteilwerke sowie Betontechnologie.

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