Mit 64 Gigawatt installierter Leistung und einem Anteil von 23 Prozent an der Stromerzeugung stellen Wind-
energieanlagen bereits heute fast ein Drittel der Kraftwerksleistung in Deutschland bereit. Dieser Anteil muss weiterhin deutlich gesteigert werden, um den Klimawandel hinreichend auszubremsen und sich auf nationaler Ebene energiepolitisch unabhängiger zu machen. Mit seinen Komponenten, Systemen und Lösungen leistet Phoenix Contact dazu einen Beitrag.
Für die Windenergie als eine tragende Säule der Energiewende hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, die installierte Leistung bis 2030 mindestens zu verdoppeln. Neben dem politischen Willen ist dazu der Einsatz technischer Innovationen notwendig. Mit PLC Next Technology bietet Phoenix Contact hier ein offenes Ecosystem, das zu einer sicheren, sauberen und kostengünstigen Energieversorgung beiträgt. Aktuelle Studien zeigen, dass sich die Stromgestehungskosten (LCOE, Levelized Cost of Electricity) für Windenergieanlagen im Bereich von 0,04 bis 0,08 Euro pro Kilowattstunde onshore sowie 0,08 bis 0,10 Euro offshore bewegen und damit auf Augenhöhe mit konventionellen Energieerzeugungseinheiten liegen. Diese Zahlen beruhen allerdings zumeist auf der Annahme, dass die WEA vorrangig in das Netz einspeisen dürfen respektive Kompensationszahlungen erhalten, wenn dies technisch nicht möglich ist. Das entspricht dem Status Quo der Einspeiseregelung. Für den Netzbetreiber entstehen durch die verstärkte Nutzung fluktuierender Primärenergiequellen jedoch zusätzliche Kosten, die aus der Aufrechterhaltung der Netzintegrität und Grundlastfähigkeit für die Primär- und Sekundärregelenergie – etwa durch Speicher – resultieren. Dieser Aufwand wird aber de facto sozialisiert und in Form der Nutzentgelte auf den Verbraucher umgelegt. Die Kosten sind also nicht Bestandteil der zuvor genannten LCOE. Je höher der Anteil von Photovoltaik und Windkraft an der Gesamtkraftwerksleistung, desto stärker ist dieser Effekt ausgeprägt und desto höher werden auch die indirekten Kosten. Selbst wenn dies nur eine Facette zur Motivation der weiteren Senkung der LCOE ist, unterstreicht sie die technische Unumgänglichkeit.
Aufwändigere Betriebsführungskonzepte
Um den Wandel in diesem komplexen Spannungsfeld – größerer Einsatz erneuerbarer Energien und Sicherstellung eines stabilen Netzbetriebs – so effizient wie möglich zu gestalten, engagiert sich Phoenix Contact auf dem Weg zu einer All Electric Society sowohl im Bereich der Energieerzeugung ebenso wie der -verteilung und -speicherung. Wie oben beschrieben, wird sich bei den Windenergieanlagen die Kostenstruktur der LCOE ändern. Zur Aufrechterhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit ist daher eine Reduzierung der Installations- und Betriebskosten bei gleichzeitiger Optimierung des Energieertrags notwendig.
Dies gelingt zum einen durch intelligente Designstrategien bei der Konstruktion und Fertigung sowie dem Transport und der Anlagenerrichtung. Dazu gehört ebenfalls die Verwendung neuer Werkstoffe sowie Technologien, mit denen sich die Kapital- respektive Investitionskosten verringern lassen. Zum anderen tragen die Verbesserung des Energieertrags und der Anlagenverfügbarkeit (AEP) zu einer Senkung der Stromgestehungskosten bei. In der konkreten Umsetzung verfolgen Anlagen häufig immer aufwändigere Betriebsführungskonzepte und setzen damit einhergehend zusehends komplexere Architekturen ein. Dieser Aspekt erstreckt sich von der Hardware – zum Beispiel der Nutzung von mehr Sensorik – über die Software in Form neuer Regelstrategien und der Verwendung von künstlicher Intelligenz (KI) bis hin zum organisatorischen Bereich.
0,04 Euro/kWh bis 0,08 onshore sowie 0,08 bis 0,10 Euro pro Kilowattstunde (kWh) offshore sind die Stromgestehungskosten für Wind-energieanlagen. Damit sind sie auf Augenhöhe mit konventionellen Energieerzeugungseinheiten.
Hochspezialisierte Sensorik
Wie bereits erwähnt, kommen vom Fundament über den Turm und die Gondel bis zum Rotor und der Blattspitze ständig mehr und/oder intelligentere Sensoren zum Einsatz. Mit dem modularen Blade-Intelligence-System stellt Phoenix Contact unter anderem hochspezialisierte Sensoren für die Beschleunigungsmessung, Blitzstromerfassung, Messung von Eis an der Blattoberfläche sowie das mechanische Lastmanagement zur Verfügung. Das Portfolio umfasst darüber hinaus Stromwandler, Rogowski-Spulen für die eigenen Netzanalysatoren sowie Netz- und Anlagenschutzmodule, die weniger windmarktspezifisch sind. Dabei wird vermehrt auf digitale Schnittstellen – wie Profinet oder IO-Link – gesetzt, sodass sich die Störfestigkeit, Parametrier- und Diagnosefähigkeit sowie die allgemeine Datenqualität der Sensoren verbessern.
Es stellt sich nun die Frage, wie sich durch mehr und komplexere Sensoren, die zunächst die Investitionskosten erhöhen, das vorrangige Ziel der LCOE-Reduzierung erreichen lässt. Im Zusammenspiel mit innovativer Steuerungs-, Regelungs- und Betriebsführungstechnik löst sich dieser scheinbare Widerspruch auf. Offensichtlich führt die Nutzung von Sensoren mit optimierter Diagnosefähigkeit dazu, dass diese im Fehlerfall schneller identifiziert und ausgetauscht werden können. Das verringert Anlagenstillstandzeiten (down time) deutlich und verbessert somit den AEP.
Künstliche Intelligenz in Hardware
Weitere Kosteneinsparpotenziale lassen sich durch die Verwendung von Technologien zur Datenfusion heben. Neben den klassischen Algorithmen – wie Kalman-Filtern – kommen auch Algorithmen aus dem Bereich der KI – beispielswiese neuronale Netze – zum Einsatz. Zu diesem Zweck hat Phoenix Contact das linksanreihbare Modul AXC F XT ML 1000 entwickelt, um mittels des integrierten Google-Coral-Boards die Ausführung von künstlicher Intelligenz in Hardware zu beschleunigen. Durch die Fusion der Sensordaten von preisgünstigeren inertialen Messsystemen (IMU) lässt sich zum Beispiel die Lage des Rotors im Raum bestimmen. Hierbei handelt es sich um eine wichtige Information für die individuelle Regelung des Blattanstellwinkels – bei Bedarf sogar sicherheitsgerichtet (Safety) –, ohne mechanisch aufwändige und fehleranfällige klassische Messsysteme nutzen zu müssen. Einen anderen Anwendungsfall für die Datenkorrelation stellt die Diagnose von Anomalien in den Datenströmen der Sensoren dar. Ein Aspekt, dem vor dem Hintergrund stetig steigender Anforderungen an die IT-Sicherheit (Security) sowie dem Zusammenwachsen von IT und OT (Operational Technology) eine immer größere Bedeutung zukommt. Durch die Auswertung von Anomalien wird das System damit insgesamt robuster.
Aufgrund der Verwendung zusätzlicher Sensoren erschließt sich zudem die Möglichkeit, last- und energieertragsoptimierte Regler zu installieren. Abgesehen von den klassischen PID-Reglern greifen Betreiber hier ebenfalls immer öfter auf datenbasierte Ansätze ebenso wie modellbasierte prädiktive Regler (MPC) zurück. Die Optimierung des Energieertrags zieht dabei eine direkte Reduktion des LCOE nach sich, indem die AEP bei gleichem Investment (Capital Invest) erhöht wird. Der indirekte Effekt der Lastverringerung lässt sich in zwei wesentliche Faktoren zerlegen. Auf der einen Seite kann das initiale Investment gesenkt werden, weil Bauteile schlanker ausgelegt sind und folglich Material eingespart wird, respektive sich die Sicherheitsmargen bei der Konstruktion reduzieren lassen. Andererseits lassen sich Anlagen länger betreiben, wenn die Restlebensdauer aufgrund der Beobachtung der Komponenten bekannt ist.
Reibungslose Interaktion der Software
Auf der organisatorischen Ebene ergeben sich des Weiteren erhebliche Einsparpotenziale durch zustandsbasierte Instandhaltungskonzepte (Predictive Maintenance) auf Basis von Condition-Monitoring-Systemen (CMS). Darunter fallen die bereits genannten Blade-Intelligence-Lösungen oder traditionelle Konzepte, beispielsweise die Trieb-strangüberwachung. Sämtliche Maßnahmen zur LCOE-Verbesserung haben gemein, dass sie neue Anforderungen an das Automatisierungssystem stellen. Insbesondere wächst die Anzahl der auszuwertenden Signale, deren Verarbeitung komplexer wird. Ferner kommt wegen der höheren Komplexität eine stetig größere Anzahl spezialisierter Entwicklungswerkzeuge zum Einsatz. Die entwickelten Softwarepakete reibungslos auf einer Plattform interagieren zu lassen, stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Bei allen Aktivitäten müssen zudem die Security-Ansprüche an die kritische Infrastruktur beachtet werden, sodass sich daraus weitere Anforderungen an das Automatisierungssystem ableiten.
Innovative Softwarearchitektur
Mit dem offenen, aber sicheren Ecosystem PLC Next Technology stellt Phoenix Contact eine Lösung zur Verfügung, mit der sich die vielfältigen Anforderungsprofile abdecken lassen. Einerseits wird ein skalierbares Portfolio an Steuerungshardware angeboten: von 800MHz-Zweikernprozessoren mit ARM-Architektur und 512 MB RAM bis zu High-End-Systemen mit Intel-Core-i7-Prozessoren der zehnten Generation und bis zu acht Kernen sowie 8 GB RAM, SSD-Festplatte und integriertem Safety-Controller, der selbst für anspruchsvolle Reglerimplementierungen – wie MPC – genug Leistungsreserven aufweist. Abgerundet wird das Hardwareangebot durch das I/O-System Axioline, das speziell für die Umgebungsbedingungen inner- und außerhalb der Windenergieanlage konzipiert wurde, sowie ein breites Spektrum an physikalischen Ein- und Ausgängen umfasst.
Andererseits steht PLC Next Technology auch und vor allem für eine innovative Softwarearchitektur. Sämtliche erwähnten Ansätze zur LCOE-Reduktion vereint der Grundgedanke, durch zusätzliche Daten beziehungsweise deren Verarbeitung einen Mehrwert zu generieren und dafür verschiedene Werkzeuge zu nutzen. Dementsprechend ist die Firmware der PLC Next Technology um die zentralen Aspekte des Global Data Space (GDS) und Execution and Synchronization Managers (ESM) orchestriert. Der GDS organisiert den Datenfluss zwischen den unterschiedlichen Applikationsteilen im Kontext einer parallelen Abarbeitung in Multicore-Prozessorarchitekturen und stellt dabei a priori die Datenkonsistenz sicher. Der ESM sorgt dafür, dass die Applikationsteile echtzeitfähig ausgeführt werden respektive überwacht deren Abarbeitung. Hier spielt es keine Rolle, ob das entsprechende Programm in strukturiertem Text gemäß IEC 61131 in der eigenen Engineering-Umgebung PLC Next Engineer, mit dem Matlab-Plugin PLC Next Target for Simulink oder der Erweiterung für Microsoft Visual Studio in C# oder C++ erstellt worden ist.
Außerdem wurde beim offenen, auf Linux basierenden PLC-Next-Betriebssystem von Beginn an das Thema Security berücksichtigt und das System nach der IEC 62443 zertifiziert.
Ganzheitlicher Ansatz
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass PLC Next Technology mehr als eine Firmware ist. Vielmehr verfolgt die Plattform einen ganzheitlichen Ansatz und begreift die Automatisierung von Windenergieanlagen kontextuell, inklusive Entwicklungsprozess, Produktlebenszyklus und spezifischer Anforderungen im Windenergiemarkt. Die abzubildenden Entwicklungsprozesse sind so tief im System verankert, dass sie inhärenter Teil des PLC-Next-Genoms sind. In diesem Zusammenhang wird ein komplettes Ecosystem – von der Hardware über die Firmware bis zu Werkzeugen und Solution Development Kits – zur Verfügung gestellt, ohne die Bereiche Safety und Security in Form von zertifizierten Produkten und Beratungsleistungen aus dem Fokus zu verlieren. Auf der Grundlage der PLC Next Technology ist daher eine moderne, effiziente und sichere Automatisierung von Windenergianlagen möglich.