Im Siemens-Truck, auf dem Firmengelände von Siemens in Siemensstadt. Wie der Fokus sich an diesem Punkt in Berlin auf den Technologiekonzern verengt, so konzentriert sich auch der Informationsgehalt im Innenraum des „Electrification & Automation Showtrucks“. Hier werden Technologien vorgestellt wie die F-Gas-freie Mittelspannungsschaltanlage Blue GIS, ein digitales Umspannwerk, integrierte Strom- und Spannungsmessung direkt in der Durchführung und vieles mehr. Die Energieautomatisierung zur Integration der erneuerbaren Energien (EZA-Regelung) wollen wir uns genauer ansehen.
Der EZA-Regler beziehungsweise Parkregler bildet die Schnittstelle zwischen Anlage und Energieversorger, Netzbetreiber und Direktvermarkter, um beispielsweise Regelleistung an der Börse zu vermarkten. Er regelt dabei die vom Netzbetreiber geforderten Sollwertvorgaben für Wirk- und/oder Blindleistung am Netzanschlusspunkt.
Volker Barenscheer, Senior Promotor bei Siemens Smart Infrastructure, erklärt, welche Möglichkeiten der EZA-Regler Windparkbetreibern bietet: „Unser Microgrid-Controller bietet über die EZA-Regelung hinaus ein Energiemanagementsystem. Die Integration eines Windparks in einen Mix aus erneuerbaren Energien wie Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerken, Wasserstoff, Batteriesystemen, Ladeinfrastruktur bietet die Grundlage, um eine Regelung am Netzanschlusspunkt vornehmen zu können.“ Der Microgrid-Controller könne redundant ausgeführt werden, um zum Beispiel die Verfügbarkeit der Anlage auch dann aufrechtzuerhalten, wenn etwa Sicherheitspatches eingespielt werden müssten. „Wobei wir beim Thema IT-Security angekommen sind. Unsere Microgrid-Controller, basierend auf der Plattform Sicam A8000, sind in der Lage, in ‚infrastrukturkritische Umgebungen‘ sicher eingebunden zu werden.“ Mit dem in Kürze erwarteten Komponentenzertifikat decke Siemens die VDE-N-AR 4110, VDE-N-AR 4120 und VDE-N-AR 4130 ab – von der Mittelspannungsebene bis hin zur Höchstspannungsebene.
Die Technologie trägt dazu bei, dass der Betreiber mehr Autonomie gewinnt. Wie Reinhold erklärt, bietet der Microgrid-Controller mehrere vordefinierte, gebrauchsfertige Funktionen zur Optimierung des Betriebes eines Microgrid-Netzes.
Der Microgrid-Controller mit der EZA-Regler-Funktionalität ist laut Barenscheer als „Dirigent eines vorhandenen Energieorchesters“ zu verstehen. Er trägt zur Stabilität des Betriebes bei, behält die Betriebskosten im Blick, integriert die erneuerbare Energie und steuert den Eigenverbrauch.
Peakshaving und Lastmanagement
Stellvertretend nennt der Siemens-Mann vier erweiterte Funktionen: „Das Peakshaving: Mit dieser Funktion ist es möglich, Produktionsspitzen zu begrenzen, um Probleme am Verteilnetz zu vermeiden. Des Weiteren die Blackout-Erkennung: Ein Blackout im öffentlichen Netz kann automatisch erkannt werden. Um die Stabilität des Mikronetzes zu gewährleisten, wird das Microgrid vom öffentlichen Netz getrennt. Diese Trennung kann automatisch, manuell oder nach Zeitplan durchgeführt werden.“
Außerdem nennt Barenscheer das Lastmanagement: „Der Microgrid-Controller unterstützt die Möglichkeit, steuerbare elektrische Lasten zu verwalten. Es ist möglich, Lasten automatisch ein- und auszuschalten.“ Und dann gibt es noch den Aspekt der Ladeinfrastruktur: „Für Mikronetze mit Elektrofahrzeugen ist eine spezielle Funktionalität namens Dynamic Load Management erforderlich, um den Sollwert der zur Verfügung stehenden Ladeleistung auf die zu ladenden Teilnehmer zu verteilen, ohne den Grenzwert am gemeinsamen Netzanschlusspunkt zu überschreiten“, erklärt Barenscheer. „Hierdurch wird der Transformator vor Überlastung geschützt und der Kunde vor Leistungsentgeltzahlungen bewahrt.“
Die Photovoltaik- wie auch die Windleistung können direkt in die Erzeugungsprognose einfließen.
Inwiefern kann der Betreiber aber entscheiden, ob er den Strom selbst verbrauchen oder ins Netz einspeisen will, wollen wir wissen. Barenscheer antwortet: „Zur Erfüllung von Energieeinkaufs- und Energieverkaufsverträgen besteht die Möglichkeit, den Import und Export von Energie zu überwachen und dafür zu sorgen, dass keine vertraglichen Energiegrenzwerte verletzt werden.“ Die Funktion prognostiziere die voraussichtlich ausgetauschte Energie am Ende eines Abrechnungszeitraums, etwa in Form eines Viertelstundenwertes.
Bei Siemens fließen Echtzeitwetterdaten in die Steuerung. Was passiert mit diesen Informationen? „Die Integration von Wetterdaten dient hauptsächlich dazu, die Energieerzeugungsprognose zu unterstützen. So können im Wesentlichen die Photovoltaik- wie auch die Windleistung direkt in die Erzeugungsprognose einfließen“, so Barenscheer. Dies habe dann wiederum Einfluss darauf, ob der Microgrid-Controller in seiner Regelung abhängig von den eingestellten Parameterwerten beispielsweise überschüssige Energie zur Ladung von vorhandenen Batteriesystemen nutzt oder zusätzliche Batterieleistung entnehmen muss, um den Energiebedarf zu decken.
Die Prognose basiert auf der ausgetauschten Energie mit Beginn der Periode. Ist absehbar, dass der zulässige Energiewert überschritten wird, wird die Eigenproduktion so gedrosselt, dass man leicht unterhalb des Limits bleibt. Bei zusätzlichem Bedarf werden weitere Dieselmotoren oder Blockheizkraftwerke gestartet.
„Der vertragliche Energiegrenzwert wird als Festwert eingegeben. Ist der Grenzwert nicht konstant – Änderungen im Laufe der Zeit kommen vor –, so ist es möglich, die Werte in einem Zwei-Tages-Zeitplan vorzugeben“, erklärt der Siemens-Experte. Der Zeitplan könne manuell über die Benutzeroberfläche eingegeben werden.
Unterm Strich kann man also sagen, dass der Microgrid-Controller mit seiner EZA-Reglerfunktionalität Anlagenbetreibern mehr Handlungsmöglichkeiten angesichts gestiegener Anforderungen an das vorgelagerte Netz bietet - die Basis für wirtschaftliche Eigenerzeugung inklusive Stromhandel.