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Gute Sensorsysteme für den Vogelflug

Abschaltungen zum Artenschutz, genehmigungsrechtlich vorgeschrieben, verursachen vielen Betreibern von Wind­ener­gieanlagen hohe finanzielle Verluste. Hauptsächlich sollen durch die Abschaltungen Vögel und Fledermäuse vor einer Kollision mit den Rotorblättern oder einem Barotrauma geschützt werden, also vor inneren Gewebeschädigungen durch Luftdruck in Rotornähe. Seit einigen Jahren entwickeln spezialisierte Unternehmen technische Systeme, die teilweise schon im kommerziellen Einsatz artenschutzbedingte Abschaltungen reduzieren oder sogar vermeiden helfen. Die Systeme arbeiten entweder akustisch oder optisch mit Kameras. Einige davon konzentrieren sich ausschließlich auf die Detektion von Vögeln, andere auf die Erkennung von Fledermäusen, wieder andere können beide identifizieren. Die technologische Entwicklung lässt abgestufte Reaktionen zu, außer dem Abschalten auch ein bloßes Drosseln der Anlagen – oder Vergrämungsmaßnahmen, damit die Tiere ihre Flugroute schon von vornherein ändern. Allerdings haben reine Vergrämungen die Schwachstelle, dass die Tiere sich an die optischen oder akustischen Signale gewöhnen und sich nicht mehr abschrecken lassen.

Doch die Techniken werden zunehmend ausgereifter und vielfältiger. Systeme wie Identiflight oder Birdvision setzen auf Kameras, um die Flugobjekte zu erkennen. Je nach System sind es unterschiedlich viele Kameras mit anderer Auflösungsqualität oder Infraroteigenschaft. Einige sind am Mast, einige an der Gondel der Windenergieanlage angebracht. Erkennt die mit den Kameras verbundene digitale Datenverarbeitung das Tier, berechnet sie die weitere Flugbahn und macht Abschaltungen oder Drosselungen von dieser abhängig. So unterscheiden solche Systeme auch zwischen dem Eindringen der Vögel ins unmittelbare Anlagenumfeld mit direkter Schlaggefahr für die Tiere, in einen näheren Bereich, der zur Abschaltung führen sollte, und in einen äußeren Bereich. Hier nehmen solche Systeme die Tiere wahr und beobachten vorerst, ob sie in Richtung Anlage fliegen.

2 bis 3 Kilometer entfernt lösen manche Greifvogelarten bei optischen Systemen eine Beobachtung aus. Erst wenn sich die Tiere auf 500 Meter nähern, setzt die Abschalt­automatik ein.

Optische Steuerung gemäß der Vogelart

Die Systeme handeln abhängig von der Vogelart. Bei manchen Greifvogelarten finden die Beobachtungen schon in zwei bis drei Kilometern Entfernung statt und Abschaltungen bei Distanzen von bereits 500 Metern, bei anderen Tieren sind Näherungen auf 200 bis möglicherweise sogar 100 Meter noch abzuwarten. Vogel- oder Fledermausarten lassen sich auch je nach Technologie an der Flügelschlagfrequenz oder der Pixelanzahl eindeutig identifizieren, wie beim System Swiss-Birdradar.

Akustische Systeme wie ID-Start oder Probat setzen auf Mikrofone an der Gondel. Da die Rufe jeder Fledermausart einen individuellen Frequenzbereich abdecken, können die schlaggefährdeten Arten in diesem Gebiet einfach identifiziert werden. Eine größere Herausforderung stellt für akustische Systeme aktuell noch die Lokalisierung der Rufe dar. Es kann deshalb noch keine präventive Anlagenabschaltung erfolgen. Das System erkennt zwar durch die Rufe, dass sich ein Vogel oder eine Fledermaus in der Nähe befindet, kann aber den Abstand und die Flugroute schlecht einschätzen. Dennoch lassen sich die Abschaltalgorithmen, also die für die Rechenvorgänge zur Auslösung des Anlagenstopps wichtigen Programmierungen, auf Basis der aufgenommenen Rufe weiter verbessern.

Bei wenigen gefährdeten Individuen im Umkreis der Windenergieanlage kann auch die bereits seit vielen Jahren angewandte Technik der GPS-­Besenderung erfolgreich sein. Lebt beispielsweise nur ein gefährdetes Rotmilanpaar in Anlagennähe, würde diese Strategie ihr Einfangen und eine Besenderung der Tiere vorsehen. Nähern sich die Tiere dann den Anlagen, würden die Sender den Stopp der Windenergieanlage auslösen. Somit ließe sich auch in Lebensräumen schlaggefährdeter Arten eine Anlage bauen.

Ein solches Sendersystem sieht einen Lernweg vor. Es könnte wie bei der Telemetrierung üblich die Flugwege verfolgen, um die Anlagensteuerung anzupassen. Auch sogenannte Geo-Fences ließen sich einrichten. Eine Geozone ist ein virtueller Zaun. Wie ein echter Zaun schafft sie eine Trennung zwischen diesem Standort und der umliegenden Gegend. Anders als ein echter Zaun kann sie aber auch Bewegungen innerhalb ihrer virtuellen Grenzen erkennen. Die Geozonen werden mithilfe einer Mapping-Software erstellt. Der Anwender kann die Zone somit über den gewünschten geografischen Bereich ziehen. Sie simuliert die Arbeitsweise eines Radars, ist aber wesentlich billiger.

Sensorsysteme wiederum – B-Finder oder WT-Bird – nutzen verschiedene Sensortypen wie Beschleunigungs- oder akustische Sensoren, angebracht in verschiedenen Bereichen des Anlagenmastes. Sie erfassen, wo es doch zu Zusammenstößen kommt, herabfallende Schlagopfer. Dies lässt erkennen, bei welchen Witterungsverhältnissen zu welcher Uhrzeit es mehr Schlagopfer gibt, um diese Information in den Abschaltalgorithmus zu integrieren. Grundlage ist hier zum Beispiel Paragraf 44 im Bundesnaturschutzgesetz, das allerdings bekanntlich die entscheidende signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos nicht näher definiert.

Radarsysteme: vielfältig, genau, aber teuer

Spezielle Vogelschlag-Radarsysteme wie Merlin ARS oder B2-Monitor identifizieren derweil Vögel und Fledermäuse, die sich grob durch ihre Größe unterscheiden, anhand von Echoeigenschaften und/oder Flügelschlagfrequenzen. Diese Systeme lassen sich mit einer automatischen Analyse der Bilder durch eine Computersoftware koppeln. Die Vogelschlagradare lassen besser als andere Systeme erkennen, wann das Tier in den Rotorbereich steuert und wann die Anlage daher stoppen oder eine Vergrämung stattfinden muss. Der Bediener kann die Abschaltung nach Erhalt von Echtzeitinformationen vom System selbst aktivieren, alternativ eine automatische Abschaltung durch das System vorgeben oder mit automatisierten Vergrämungsmaßnahmen wie Blitzen oder Geräuschen koppeln. Allerdings sind Radarsysteme sehr teuer und deshalb leider noch nicht so verbreitet.

Für eine höhere Genauigkeit und die Erfassung von Fledermäusen ist auch eine Langzeiterfassung bei Tag und in der Nacht durchführbar. Einige Systeme verwenden auch nur Sensoren, die Temperatur, Windgeschwindigkeit oder Niederschlag messen und dann aufgrund vorher programmierter Algorithmen entscheiden, ob die Anlage betrieben werden darf. Ein solches System ist beispielsweise der Fledermausschutz Fleximaus. Liegt die Uhrzeit in einem Zeitraum, für den die Behörden eine Abschaltungsauflage erteilt haben, erfolgt die Bewertung der Umweltbedingungen. Überschreitet zunächst die Temperatur eine bestimmte Schwelle und fällt die Windgeschwindigkeit unter eine bestimmte Grenze, werden die Anlagen gestoppt.

Welches System sich in Zukunft durchsetzen wird, lässt sich noch nicht genau einschätzen, weshalb die meisten Windturbinenbauer die Anlagen dafür noch technologieoffen halten.

Autorinnen:

Nina Schweizer,
Projektentwicklung, Energieallianz Bayern

Energieallianz Bayern

Professorin Anne Kress,
Windenergie, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

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