Nach zwei Jahrzehnten im Betrieb können Windenergieanlagen verschiedene Arten von Schäden aufweisen. Diese können die Leistungsfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigen. Gerade bei Altanlagen ist es wichtig, die Schäden richtig zu bewerten und mit größter Expertise die Auflagen für den Weiterbetrieb aufzuzeigen. Neben den technischen Auflagen ist es auch sinnvoll, mit angemessenen Betriebsführungskonzepten das Beste aus den „alten Schätzchen“ herauszuholen. Die Frage ist also: Welche Schäden treten auf und welche geeigneten Instandhaltungsmaßnahmen muss ein Betreiber nach 20 Betriebsjahren ergreifen? Die Auffälligkeiten zum Ende der Entwurfslebensdauer sind abhängig von Anlagentyp und Standort, deswegen wird jede Bewertung über den Weiterbetrieb individuell ausgestellt. Nach Durchführung von fast 3.000 Weiterbetriebsgutachten an über 80 Windenergieanlagen-Typen ergibt sich die oben abgebildete Grafik.
Schwachstelle zwischen Blatt und Nabe
Die Bauteile mit der theoretisch geringsten Gesamtnutzungsdauer sind häufig die in Schwenkrichtung positionierten Schrauben der Verschraubungen zwischen Rotorblättern und Nabe. Dies betrifft nach einer Auswertung von circa 1.500 Windenergieanlagen verschiedener Typen und Standorte rund 80 Prozent der Anlagen.
Diese Schwachstelle kann mit vertretbarem Aufwand entschärft werden, so dass dann oft noch viele Jahre Weiterbetrieb möglich sind, bis Großkomponenten das Ende ihrer Lebensdauer erreichen. Je nach Weiterbetriebskonzept stehen verschiedene Optionen zur Verfügung:
A) Durch engmaschig ausgeführte Inspektionen und Prüfungen an den einzelnen Schrauben wird ausgeschlossen, dass während des Betriebes mehrere benachbarte Schrauben gleichzeitig versagen.
B) Die besonders belasteten Schrauben werden beim Erreichen der berechneten Nutzungsdauer erneuert. Da dies je nach Windenergieanlagen-Typ nicht immer ohne Kran erfolgen kann, sollten dann andere Komponenten (zum Beispiel Blätter, Blattlager) ebenfalls getauscht werden.
Neue Anlagen im Umfeld beachten
Diese Flexibilität erlaubt mehr Spielraum bei der Entscheidung über den Weiterbetrieb. Denn nicht nur standsicherheitsrelevante Fragestellungen müssen betrachtet werden, schließlich ist die Windenergieanlage nur als gut funktionierendes Kraftwerk eine rentable Anlage.
Die Struktur der Windenergieanlage kann zusätzlich geschädigt werden, wenn zum Beispiel neue Anlagen im Umfeld errichtet werden – eigentlich ja eine Notwendigkeit, um die Energiewende in der geplanten Geschwindigkeit umzusetzen. Der Zubau von Windenergieanlagen erfordert eine Revision des Weiterbetriebsgutachtens, daher ist die Erfassung der Umgebung ein wichtiger Aspekt bei den Wiederkehrenden Prüfungen im Weiterbetrieb. Moderne Sensorik kann auch an Altanalgen nachgerüstet werden und gegebenenfalls helfen, Wartungskonzepte zu überarbeiten und an das Weiterbetriebskonzept anzupassen. Während die Überwachung von Strukturelementen engmaschiger wird, könnten gegebenenfalls Wartungszyklen an nicht sicherheitsrelevanten Bauteilen auf Basis der bisherigen Betriebsdaten ausgewertet werden.
Zustandserfassung für den Weiterbetrieb
Unsere Empfehlung ist, den Termin zur Wiederkehrenden Prüfung zu nutzen, um eine Zustandserfassung der Windenergieanlge durchführen zu lassen, auf deren Basis der Weiterbetrieb in Zusammenarbeit mit den Experten optimiert werden kann.
Der Betreiber ist auch für die Belange der Arbeitssicherheit verantwortlich. Die Sicherheit von Windenergieanlagen nach 20 Jahren Betriebsdauer ist von entscheidender Bedeutung. Die Wiederkehrende Prüfung (WKP) nach den einschlägigen Richtlinien (zum Beispiel des BWE) fokussiert rein auf Standsicherheit und Sicherheitssysteme des Betriebsführungssystems – Sicherheitsaspekte für Mitarbeiter (HSE) betrachtet sie nicht. Sie tauchen in den Berichten bestenfalls auf, wenn akute Risiken erkannt werden. In den minimal geforderten Prüfbescheinigungen zur WKP sind solche Aspekte mitunter gar nicht erwähnt. Es ist von größter Wichtigkeit, die Anlagen auf Sicherheitsaspekte zu überprüfen, um den langjährigen sicheren Betrieb der Windenergieanlagen zu gewährleisten. Dabei handelt es sich um eine der wesentlichen Betreiberpflichten, die Beseitigung der Mängel zu veranlassen und offene Fragen zu klären. Der Betreiber ist für den langjährigen und sicheren Betrieb verantwortlich und muss die Beseitigung der Mängel und Klärung offener Fragen veranlassen.
Wir verstehen den Prüfbericht zur Wiederkehrenden Prüfung auch immer als Arbeitsauftrag für den Betreiber.
Wichtig ist, dass all dies mit Augenmaß bei Altanlagen passiert. Hier ist aus unserer Sicht die große Frage des Bestandsschutzes, die natürlich nicht immer mit den neuen HSE-Anforderungen mithalten können. Die Grafik links zeigt, dass sich je nach Standort die Lebenserwartung einer Anlage verdoppeln kann – deswegen empfehlen wir mit der Erstellung des Weiterbetriebsgutachtens auch einen Blick auf die Arbeitssicherheit, und mit unseren Experten nach Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen die HSE-Konzepte anzupassen. Gute Versicherungskonzepte können auch bei Altanlagen helfen Kosten abzufedern. Hier ist eine genaue Prüfung zum Ende eines Vollwartungsvertrages ratsam für die richtige Weichenstellung nach 20 Jahren Betrieb. Für eine umfassende Bewertung über den Weiterbetrieb und zu angrenzenden Fragestellungen ist ein Einbeziehen unabhängiger Expertise dringend notwendig. Das 8.2-Netzwerk mit über 180 Experten kann hier auf langjähriges Wissen zurückgreifen, um die Anlagen auf potenzielle Risiken zu prüfen und frühzeitig Maßnahmen zur Prävention zu empfehlen.