Weiterbetrieb ist vor dem Repowering ist nach dem Weiterbetrieb ist … Andreas Kronfuß hat aus der Stop-and-go-Gesetzmäßigkeit der deutschen Windparkerneuerung die Konsequenzen gezogen. Denn das Volumen der bundesweit für Rückbau und Repowering eigentlich fälligen Altanlagen ist 2022 weiter gewaltig angeschwollen, einerseits. Andererseits ließ die große Anlagenaustauschwelle erneut auf sich warten. Viele Bestandsanlagen betreibende Eigentümer holen – mehr oder minder freiwillig – aus ihren Anlagen weitere Gigawattstunden heraus. Kronfuß nutzte seine Fähigkeiten als Allround-Rückbauer und weitete seine Dienste auf Wartung, Weiterbetrieb und eigene Windstromerzeugung aus, um auch in Wartezeiten im Geschäft zu bleiben. Und er ließ die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Unternehmens mitwachsen – von 8 auf nun etwa 40. Er passte daran Strukturen und Angebot an. Jetzt habe er AK Fehmarn wegen des „gewaltigen Ausmaßes als Gruppe organisiert“, sagt der Bregenzer (Interview rechts).
6.000 Altanlagen mit 5,5 Gigawatt sind schon länger als 20 Jahre in Betrieb.
Zur AK Verwaltungs GmbH gehören nun sechs Teilfirmen. Kronfuß eröffnete zudem Niederlassungen in Bayern, Wien sowie Costa Rica und Panama. Aktuell baut er ein Team für Großkomponententausch und Rotorblattreparaturen auf. 2023 soll er nun aber auch wieder 30 Anlagen zurückbauen.
Ähnlich orientieren sich andere Rückbau- und Repowering-Unternehmen. Mit einem 360-Grad-Rundumblick nehmen sie wahr, welche Kunden gerade in welche Phase der technologischen Modernisierung der frühen Windturbinenflotten wechseln. Und sie bieten passende Dienste an.
Die-Beteiligten-Firmen:
AK-Fehmarn Tel. 0152-3174926
Eurecum Tel. 03475/612946
Hagedorn Tel. 05241/50051-0
Juwi Tel. 06732/9657-2334
Neowa Tel. 04131/287495-0
PNE Tel. 04721/71806
Statkraft Tel. 0171-5535717
VSB Tel. 0331/740090225
Wörmann-Team Tel. 05207/929078
Seit 2020, als die gesicherten Einspeisetarife gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nach 20-jähriger Höchstförderdauer für erste Altanlagen endeten, stagniert der deutsche Rückbau bei jährlich 250 Megawatt (MW). Zuerst bremsten gesetzliche Rahmenbedingungen das Auswechseln der Altturbinen, dann verschoben die Betreibenden das Stilllegen, weil hohe Stromhandelspreise infolge von Ukrainekrieg und damit einhergehender Energiekrise auch Altturbinen gute Erträge einfahren lassen. Doch Repowering ist nun immer mitschwingender Grundton des deutschen Windmarktes. 6.000 Altanlagen mit 5,5 Gigawatt (GW) sind schon länger als 20 Jahre in Betrieb.
Leichter dürfte es fürs Repowern auch werden, weil die Entsorgung momentan kein Kapazitätsproblem hat. Das Abbruchunternehmen Wörmann-Team bei Bielefeld beseitigt sowohl Betonfundamente als auch Betontürme. Nun will Firmenchef Nils Wörmann das Unternehmen als Entsorgungsfachbetrieb für Beton zertifizieren lassen. Dessen Ziel ist es, den Beton so feinkörnig zu zertrümmern, dass er als Untergrundmaterial in den Bau von Wegen und Kranstellflächen vor dem Windparkbau zurückfließen kann. Die Besonderheit der Westfalen ist eine Traverse, die der Kran nach Abnahme des Maschinenhauses in den Betonturm ablässt und die mit Stempeln die Wände nach außen bricht. So nagt das Instrument binnen einer Woche bis zu 100 Meter hohe Türme ab, während die Wände wie Bananenschalen an den umknickenden Stahlarmierungen nach unten hängen. Das Verfahren vermeidet Turmsprengungen, deren Beben in der Nähe anderer Bauwerke zu vermeiden ist. Nachdem Wörmann die Traverse umgerüstet hat, ist sie fast so schnell wie das Sprengverfahren, das den Erdbau eines Fallbetts und das Abräumen von Splittern erfordert.
Auch Wörmann-Team weitete Dienste und Kapazitäten binnen eines Jahres massiv aus (Interview rechts). 2023 hat das 100-Mitarbeiter-Unternehmen schon 2,5 Millionen Euro in neue Baumaschinen investiert, eröffnet nun einen Handel mit Ersatzteilen, organisiert als Generalunternehmer komplette Repowering-Abläufe inklusive des Recyclings und beseitigt bauliche Engpässe für die Transporte der Großkomponenten neuer Turbinen.
Insbesondere für die frühere Problemzone Rotor erhöhen Rückbauer die Kapazitäten. Lange war Glasfaserkunststoff (GFK) wertloser Sondermüll. Ab 2015 zerspante die Bremer Anlage Neocomp als Erste GFK-Blattstrukturen, gab Stoffe aus der Altpapierherstellung dazu und erhielt einen Brennstoff für Zementöfen. Die Asche dient noch als Sandersatz im Zement. Wettbewerber Eurecum in Lutherstadt Eisleben verdreifachte 2022 die Zerspanungskapazität auf 8.000 Tonnen im Jahr. Das genügt gemäß Firmenchef Alexander von Neuhoff für rund 260 Turbinen mit bis zu 50 Meter langen Flügeln (Interview Seite 40). 2023 wird die Branche wohl erst die Hälfte davon nutzen.
Eurecum forscht in Kooperation mit Hochschulen und Industriepartnern nun daran, wie künftig weniger Blattmaterial in die Zementöfen muss, um klimawirksame Emissionen von Kohlendioxid (CO2) zu vermeiden. Zuerst hatten die Thüringer mit einem Hersteller von Terrassendielen einen Mischstoff aus Holz und GFK-Granulat für dessen Auslegeware entwickelt. Nun bereiten sie eine GFK-Intrudierung für Eisenbahnschwellen vor.
Auch die Macher bei Neowa wollen die Blattentsorgung auf eine neue Entwicklungsstufe hieven. Die Lüneburger beendeten ihre GFK-Zerspanung in der Neocomp-Anlage. Sie steigen auf dezentrale Zerspanungsmaschinen um, was immer längere Anlieferwege vermeidet. Dezentrale Schredder könnten künftig auch nur zeitweise in größeren Repowering-Zonen zum Einsatz kommen (Interview Seite 41).
Zusammen mit der Aachener Hochschule RWTH und einem Fraunhofer-Institut forschen die Neowa-Leute in Würzburg am großindustriellen Einsatz. Außerdem arbeiten dieselben Partner daran, GFK-Fasern auszulösen und sie mit Zement zu einem neuartigen Stein für den Bau zu formen.
Wann beginnt aber der große Anlagentausch? Schubkraft könnten kleinere Reformen wie der im Vorsommer eingeführte Repowering-Paragraf 45 im Bundesnaturschutzgesetz aufbauen – oder die Befreiung des Repowering in Nordrhein-Westfalen vom 1.000-Meter-Mindestabstand zu Siedlungen. Oder die von der Europäischen Union geförderte Notfallverordnung, wonach bei Repowering die aufwendige Umweltverträglichkeitsprüfung bei maßvoller Planung nun seltener erforderlich ist.
Windparkentwickler PNE in Cuxhaven verfolgt ein Partnerschaftsmodell, das einen langen Weiterbetrieb der Bestandswindparks unter der Regie der Alteigentümer ermöglicht und trotzdem den Anlagentausch verfolgt. PNE bietet sich als Käufer von Altanlagen an, um deren Standorte fürs Repowering einzusammeln. Die Partner sollen aber so lange wie möglich an den noch guten Stromhandelspreisen verdienen: „Bis wir eine Anlage für ein Repowering abbauen müssen, lassen wir den Weiterbetrieb zu, wenn er sich wirtschaftlich lohnt“, sagt PNE-Repowering-Chef Jonas Klatt (Interview Seite 42). PNE stellt diesem Weiterbetrieb den Instrumentenkasten des eigenen Windpark-Instandhaltungsservice zur Seite sowie den eigenen Vertrieb für Stromlieferverträge mit Industrieunternehmen oder Stromversorgern. Die international PPA genannten Stromabnahmeverträge sichern die Altturbinen finanziell ab. Zugleich stellt PNE vielfältige Kooperationen in Aussicht: Optionsverträge, Joint Ventures, auch fortlaufende Zahlungen nach dem Repowering.
Den Anlagenservice bringt auch die Hagedorn Unternehmensgruppe ins Spiel. Die Gütersloher erweiterten 2021 ihre Abteilung Windkraft um eine Niederlassung in Bremen. Seither bieten sie im Servicebereich die Begutachtung und Instandhaltung von Rotorblättern, Turm und Maschine sowie Korrosionsschutzarbeiten am Turm und Turmflansch und Turm-Fundamentabdichtungen an. Auch die als Anwohnerschutz vorgeschriebene bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung, Warnleuchten, die nachts nur bei Flugverkehr blinken, bauen Hagedorn-Teams ein.
Seit Hagedorn ebenfalls 2021 auch das Kranunternehmen Wasel übernommen hat, arbeitet die Firma an Neuanlagenerrichtungen mit und unterstützt beim Repowering von Windparks.
Mit dem norwegischen Energiekonzern Statkraft steigt ein internationaler Konzern mit allein in Deutschland 600 Mitarbeitern in die Windparkmodernisierung ein.
Statkraft ist hierzulande als Direktvermarktungsdienstleister für Windstrom bekannt, der Kapazitäten von 9.200 MW betreut. 2021 hatte Statkraft das 300 MW starke Portfolio der Bremer Breeze Three Energy übernommen, um große Teile der 13 bis 22 Jahre alten Windparks zu repowern, so machen es die Zuständigen dafür deutlich (Interview links). Bis 2027 soll die Anlagenerneuerung an vielen dieser Standorte erfolgen.
Bei den Repowering-Partnerschaften können Altanlageninhaber hier wie anderswo mit dem Auszahlen der sonst erzielbaren Weiterbetriebseinnahmen und eines Anteils am Repowering-Wert rechnen, abzüglich Kosten aus Sanierungen der Anlagen.
Auch Juwi im rheinland-pfälzischen Wörrstadt zieht die Karte Stromvermarktung. Seit knapp zehn Jahren gehört das traditionelle Erneuerbare-Energien-Unternehmen dem Mannheimer Energieversorgungskonzern MVV Energie. Dessen Stromhandelsabteilung kann PPA mit Altwindparkbetreibern abschließen, die Juwi-Partner fürs Repowering sind.
Repowering-Leiter Carsten Hoch empfiehlt es Bestandsanlagen betreibenden Akteuren, sich schon im 13., 14. oder 15. Betriebsjahr an Juwi zu Vorgesprächen zu wenden (Interview unten). Angesichts einer Planungszeit für Repowering-Projekte von fünf Jahren könnten die Partner so frühzeitig die Gesamtkapazität, Kosten und Standorte eines Projektes kalkulieren. Und mit Rücksicht auf die Knappheit der Kräne sollten sie sich ein Jahr vor einem geplanten Rückbau um die Verwertungschancen für Altanlagenteile und das Materialrecycling kümmern.
Um das Repowering zu entfesseln, könnte indes noch eine gesetzliche Neuregelung des Bundesimmissionsschutzgesetzes vonnöten sein. Dieser Meinung ist Thomas Winkler, Geschäftsführer des Deutschlandgeschäfts bei VSB in Dresden. Die Reform könnte Behörden vorschreiben, wie schnell sie den Antrag zum Anlagentausch genehmigen müssen und welche Antragslasten sie verlangen können. Winkler verweist auf den Umfang des Genehmigungsantrags von VSB fürs Vorzeigeprojekt Elster: 70 prall gefüllte Papierordner (Interview Folgeseite).
In dem Großprojekt ersetzt VSB 50 Altanlagen mit 30 MW durch 16 Neuturbinen mit 105 MW. In einem dreijährigen Verhandlungsprozess mit rund 300 Altkommanditisten, „die zwischendurch immer wieder ihr eigenes Repowering-Projekt umsetzen wollten“, habe VSB das Eigentum an allen 50 Altanlagen erworben. Im zweiten Halbjahr 2024 soll der Rekord-Repowering-Windpark in Betrieb gehen.