Hannes Simon, wie beurteilen Sie die derzeitige Situation am Markt?
Hannes Simon: Bereits seit den 1990er Jahren bieten wir unseren Kunden neben der Betriebsführung auch die Planung und Realisierung von „erneuerbaren“ Umspannwerken, also für die Einspeisung aus Wind- oder Solarparks. Entsprechend gut kennen wir die Bedürfnisse der Branche: Begünstigt durch Maßnahmen wie das Osterpaket, beschleunigte Genehmigungsverfahren sowie die bessere Wirtschaftlichkeit von Projekten aufgrund gestiegener Energiepreise und gesunkener Kosten für zum Beispiel Solarmodule steigt die Nachfrage nach neuen Umspannwerken für regenerative Einspeiser im Hoch- und Höchstspannungsnetz derzeit sehr stark.
Bisher haben Sie sich bei SPIE eher auf den Schaltanlagenbau für die Versorger konzentriert …
Hannes Simon: Das ist richtig, und natürlich spielt der Netzausbau für die Übertragungsnetzbetreiber – TSO und DSO – auch weiterhin eine zentrale Rolle für das Gelingen der Energiewende. Als großes Unternehmen mit über 14 000 Mitarbeitenden allein in Deutschland ist es uns jedoch möglich, zusätzliche Ressourcen für genau diese Umspannwerke aufzuwenden, um unseren Kunden in Zukunft auch in diesem Bereich noch besseren Service – von der Planung über den notwendigen Tiefbau bis hin zum Anschluss an das Hochspannungsnetz – zu liefern. Näheres können Sie bei der Husum Wind erfahren!
Das klingt vielversprechend. Warum geht der Ausbau der Umspannwerke insgesamt nicht schneller?
Hannes Simon: Es gibt gemäß unserer Erfahrung derzeit zwei Hürden für die beschleunigte Realisierung der Umspannwerke: Material und Fachkräfte.
Es fehlt insbesondere an Großtransformatoren und Hochspannungsschaltgeräten. Um diese Herausforderung anzugehen, werden derzeit die Märkte in der Türkei oder in Japan erschlossen. Da auch bei hiesigen Herstellern Lieferzeiten von 24 Monaten normal sind, ergibt sich aus den längeren Lieferwegen kein zeitlicher Nachteil mehr. Kritisch ist schon jetzt die Lage am Arbeitsmarkt – es fehlen insgesamt die Fachkräfte, die Umspannwerke planen und errichten können.
Wie gehen Sie bei SPIE diese Herausforderung an?
Hannes Simon: Zum einen investieren wir in unsere Fachkräfte, in die Aus- und Weiterbildung unserer eigenen Nachwuchskräfte. Wir versuchen, auch Quereinsteiger:innen für den Schaltanlagenbau zu begeistern und sprechen zum Beispiel ganz gezielt Mädchen und Frauen an.
Zum zweiten bündeln wir gezielt unsere Kompetenzen. Für den Markt ist die Zusicherung der Ausführungskapazitäten auch über 2024 hinaus besonders wichtig – das können wir leisten.
Zum dritten – und dies hängt eng mit Punkt zwei zusammen – setzen wir auf Digitalisierung, um bei der Betriebsführung von Umspannwerken die gleiche Qualität bei weniger Personaleinsatz bieten zu können.
Katharina Bäuerle, welche Lösungen haben Sie als Innovationsmanagerin mit Blick auf die Betriebsführung von Umspannwerken?
Katharina Bäuerle: Wir setzen auf Digitalisierung. So betreiben wir erfolgreich eine Leitwarte mit bundesweit über 60 Umspannwerken, über die wir die Wartung, Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft und Entstörungsersteinsätze steuern. An einem Wind-Umspannwerk in Nahrstedt haben wir zudem das von uns und unserem Entwicklungspartner Hesotech entwickelte Digitale Monitoring mit Erfolg eingesetzt. Das System basiert auf Kameras als Hauptsensoren und ist mit einem digitalen Anlagenzwilling verknüpft.
Und wie unterstützt die Digitalisierung beim Fachkräfteeinsatz?
Katharina Bäuerle: Bei einer Störung können die Kolleg:innen oftmals bereits in der Leitwarte erkennen, wo der Fehler liegt, ob besonderes Material oder Werkzeug zum Beheben der Störung benötigt wird. Das spart Wege. Mithilfe der beim Digitalen Monitoring gewonnenen Daten können wir zudem kleine Veränderungen schon sehr frühzeitig entdecken und den gegenwärtigen, aber auch den zukünftigen Anlagezustand vorhersagen. So können wir mögliche Fehlerursachen bereits in der Entstehung erkennen und vorbeugend instandsetzen. Dies führt insgesamt zu mehr Ausfallsicherheit der Umspannwerke – und schont auch dadurch Ressourcen. (NW)