Adolpho Heidenreich, Head of Technical Operation Wind bei BayWa r.e., über aktuelle und künftige Herausforderungen in der Betriebsführung.
Herr Heidenreich, wie wirken sich hohe Turbinen- und Pachtpreise auf Ihre Arbeit in der Betriebsführung von Windenergieanlagen aus?
Adolpho Heidenreich: Auch wir sehen deutliche Veränderungen im Markt. Der spezifische Anlagenertrag steigt kontinuierlich, ebenso die Anforderungen und Auflagen für den Betrieb der Anlagen. Damit steigt für uns als Betriebsführer zum einen die Verantwortung, weil wir immer größere Anlagen betreuen. Früher hatten wir vor allem Zwei-Megawatt-Anlagen in der Betriebsführung, jetzt gehen wir in Richtung sechs Megawatt.
Zum anderen steigt der Druck, Prozesse zu automatisieren und zu digitalisieren: Bei einer Verdreifachung der Nennleistung können wir nicht mehr auf Excel zurückgreifen. Wir haben daher vor drei Jahren angefangen, unser eigenes Tool mit dem Namen InSite aufzubauen, mit dem wir Genehmigungsauflagen und die Performance für unser Portfolio weltweit automatisiert überwachen.
Warum ist Automatisierung so wichtig?
Heidenreich: Wir halten unseren Kunden damit den Rücken frei. Etwa bei Fledermausabschaltungen kann es passieren, dass nach der Zeitumstellung in Deutschland eine um eine Stunde versetzte Uhrzeit in der Anlage hinterlegt ist. Das heißt die Abschaltungen erfolgen nicht zur korrekten Zeit. Unser Tool überwacht das kontinuierlich, wodurch unsere Kunden die Gewissheit haben, dass sie ihre Windenergieanlagen gesetzeskonform betreiben. Dass wir intern viele Mannstunden sparen durch automatisiertes Überwachen, ist ein weiterer Vorteil.
Sie sprechen von Gesetzeskonformität – kontrolliert das jemand?
Heidenreich: Alle gewissenhaften Behörden wollen am Ende des Jahres die Abschaltungen per Excel von uns übersandt bekommen und damit liefern wir den Nachweis, ob das alles funktioniert oder nicht. Für die Abschaltungen sind allerdings nicht die Betriebsführer, sondern die Hersteller oder Serviceprovider verantwortlich. Unsere Aufgabe ist es, das zu monitoren. Manchmal passiert es dennoch, dass Abschaltungen nicht korrekt abgelaufen sind. Unsere Aufgabe ist es, dies schnellstmöglich zu melden und die Entstörung einzuleiten.
Bringt Automatisierung Effizienzvorteile?
Heidenreich: Wenn man es richtig anstellt, ja. Man könnte Anlagen theoretisch die ganze Fledermaussaison lang nachts abschalten, dann betreibt man immer genehmigungskonform. Aber der Kunde verliert einen großen Teil seiner Erträge. Aus diesem Grund untersuchen wir das Abschaltverhalten in beide Richtungen – auf Genehmigungskonformität sowie auf Ertragsoptimierung.
Haben Sie die technische Verfügbarkeit verbessern können?
Heidenreich: Auf jeden Fall. Zum einen detektieren wir Minderperformances von Windenergieanlagen. Mit unserem Analyse-Tool InSite erkennen wir, ob flächendeckend Probleme auftreten oder ob einzelne Anlagen nicht mehr die volle Leistung bringen. Zum anderen können wir mit unserem Portfolio ein umfangreiches Benchmarking betreiben. Das heißt mit 15.000 Statuscodes von allen Herstellern, welche wir nach RDS-PP geclustert haben, können wir systematische Defekte an Windenergieanlagen aufdecken. Mit der Analyse der Turbinen des gesamten BayWa r.e.-Portfolios können wir zudem sagen, wie eine Anlage im Vergleich zu anderen performt.
Machen die Betreiber selbst etwas mit den Informationen, die sie bekommen oder die Betriebsführer?
Heidenreich: Unsere Betreiber erwarten von uns, dass wir mit den Daten Informationen generieren, die einen Wert darstellen. Kooperationen zwischen Betreibern und Technischen Beratern beschränken sich meist auf Anlagenverfügbarkeit und Anlagen-Performance. Da unser Portfolio bei BayWa r.e. größer ist als das unserer Kunden, stehen uns viel mehr Daten zur Verfügung. Hier einen Mehrwert für unsere Kunden zu generieren, sehe ich als Service unserer Betriebsführung an.
Wie sieht Ihr Bereich in Zukunft aus?
Heidenreich: Die Bedeutung der Betriebsführung nimmt weiter zu. Wir haben gesehen, dass sich gesetzliche Rahmenbedingungen sehr schnell ändern können. Ob Strompreisbremse oder Energiesicherungsgesetz 3.0 – beides kam relativ plötzlich auf den Markt. Da müssen Betriebsführer agil sein und dem Kunden sofort Lösungen liefern. Die große Frage ist allerdings, wie man sich intern aufstellt. Denn es ist nicht mehr zu erwarten, dass sich Projektleiter:innen in allen Bereichen tiefgehend auskennen. Wenn ich mir ansehe, wie umfangreich die Kalkulation zur Strompreisbremse war, dann wird es darauf hinauslaufen, dass innerhalb eines Teams flexible und sehr spezialisierte Mitarbeiter benötigt werden, die sofort Lösungen präsentieren können. Hierbei im Team einen guten Mix zu finden zwischen Jung und Alt, zwischen Erfahren und Digital Natives, also Diversität, ist essenziell.
Nicole Weinhold