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Trends 2022: Erfolgreich in schwierigem Umfeld

Sven Ullrich

T rotz aller Krisen war das Jahr 2021 für die europäische Photovoltaikbranche so erfolgreich wie noch nie. Um satte 34 Prozent ist der Zubau auf 25,9 Gigawatt gestiegen. Die europäische Solarbranche geht für das Jahr 2022 von einem weiteren Wachstum aus. „Der Endkunde hat definitiv verstanden, dass er mit einer eigenen Photovoltaikanlage nicht nur ökologisch das Richtige tut, sondern auch viel Geld sparen kann“, begründet Detlef Neuhaus, Geschäftsführer von Solarwatt, den Optimismus der Branche. „Wenn jetzt die politischen Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene noch verbessert werden, wie beispielsweise der Abbau der Bürokratie, wird die Nachfrage noch weiter steigen.“

„Der Endkunde hat verstanden, dass er mit einer eigenen Photovoltaikanlage nicht nur ökologisch das Richtige tut, sondern auch viel Geld sparen kann.“

Detlef Neuhaus, Solarwatt

J. Konrad Schmidt

Auch für die Investoren ist das Klima immer noch gut, selbst wenn die Lage im Laufe des vergangenen Jahres schwieriger geworden ist. Doch neue Geschäftsmodelle und Technologien sorgen dafür, dass der Ausbau weitergeht. So werden auch neue Flächen aktiviert. Dazu gehören nicht nur die ersten wirtschaftlichen Lösungen für die Agriphotovoltaik, sondern auch die zunehmende Nachfrage nach schwimmenden Solaranlagen. So hat Baywa RE allein in den Niederlanden im vergangenen Jahr mit den drei Floating-PV-Anlagen in Sellingen, Uivermeertjes und Bomhofsplas fast 100 Megawatt Leistung in diesem Segment errichtet.

Insgesamt hat das Unternehmen zwölf solcher Anlagen mit einer Gesamtleistung von fast 200 Megawatt gebaut. Dazu kommen noch weitere große Solarparks, die zu einem bedeutenden Teil komplett ohne staatliche Unterstützung nur über feste Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements – PPA) realisiert wurden.

Verzögerungen beim Bau

Die Projektpipeline ist üppig. „In Europa planen wir, das Doppelte an Leistung zu bauen wie im vergangenen Jahr“, sagt Stefanie Wimmer, bei Baywa RE verantwortlich für das Solar-Projektgeschäft unter anderem in Europa. „Unsere Kernmärkte sind dabei Spanien und die Niederlande. Darüber hinaus verstärken wir die Aktivitäten in Deutschland und im Vereinigten Königreich.“ Wachstum sieht sie aber auch in Italien und Frankreich, perspektivisch auch vermehrt in den osteuropäischen Ländern.

„In Europa planen wir, das Doppelte an Leistung zu bauen wie im vergangenen Jahr.“

Stefanie Wimmer, Baywa RE

Jan Roeder

Andere Unternehmen erwarten im Segment der Freiflächenanlagen ebenfalls ein weiteres Wachstum. „Immer mehr Länder nutzen die Freiflächenanlagen, um klimafreundlich Strom zu produzieren“, sagt Alexander Koffka, Bereichsleiter Kommunikation und Investorenbetreuung bei ABO Wind. Allerdings rechnet nicht nur er kurzfristig weltweit mit Verzögerungen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung großer Solarprojekte.

Der Grund: Liefer- und Logistikengpässe sowie stagnierende oder sogar steigende Kosten für die Anlagenkomponenten. „Die Transportkosten sind geradezu explodiert“, sagt Koffka. Dies nagt an der Wirtschaftlichkeit der Anlagen. „Denn der Verkaufspreis unserer Projekte wird wesentlich durch die Zuschlagshöhen im Rahmen einer Ausschreibung oder alternativ durch den vereinbarten Preis des Stromabnahmevertrags bestimmt“, erklärt Björn Broda, Leiter des Geschäftsbereichs Erneuerbare Energien Deutschland bei Juwi. „Der Wettbewerb in den Ausschreibungen verhindert bisher steigende Zuschlagswerte, auch die anziehenden PPA-Preise können die Preisentwicklung bei den Komponenten nur begrenzt kompensieren.“

„Immer mehr Länder nutzen die Freiflächenanlagen, um klimafreundlich Strom zu produzieren.“

Alexander Koffka, Abo Wind

ABO Wind

Politik muss handeln

Die zu erwartenden Verzögerungen sind für die Projektierer eine Herausforderung – vor allem bei Anlagen, die über Ausschreibungen refinanziert werden. „Wir versuchen, Bestellungen früher auszulösen, um unsererseits Pönalen, jahreszeitlich schlechtes Wetter auf Baustellen oder den Verfall von Ausschreibungszuschlägen zu vermeiden“, sagt Broda. „Hier ist aber auch die Politik gefordert, die Fristen zu verlängern, damit Vorhabenträger nicht unverschuldet Nachteile erleiden“, ergänzt Alexander Koffka von Abo Wind. „Projekte, die sich wegen der Lieferprobleme verzögern, sollten ohne Pönale umgesetzt werden dürfen“, fordert er.

Doch auch wenn die derzeitigen Herausforderungen das Wachstum in diesem Jahr etwas bremsen werden, geht der Ausbau weiter. Schließlich steigen derzeit die Strommarktpreise, was gut für die Solar-
energie mit ihren trotzdem noch extrem niedrigen Gestehungskosten ist. „Außerdem hat sich der PPA-Markt aktuell als absolut konkurrenzfähig zu EEG-geförderten Anlagen etabliert“, sagt Peter Maasem, Projektentwickler bei WI Energy.

„Wir versuchen, Bestellungen früher auszulösen, um Pönalen oder den Verfall von Ausschreibungszuschlägen zu vermeiden.“

Björn Broda, Juwi

Juwi

Bürokratie endlich abbauen

Er sieht die größten Hürden im Genehmigungsprozess und generell in der Bürokratie. „Um die Energiewende zu schaffen, benötigen wir eine deutliche Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse“, bringt Maasem die einhellige Meinung der gesamten Branche auf den Punkt. „Es ist ein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel Photovoltaik trotz der irrsinnigen Bürokratie gebaut worden ist“, ergänzt Udo Möhrstedt, Geschäftsführer von IBC Solar. Doch damit nicht genug. „Ein weiteres Problem sehen wir in den unzureichend dimensionierten Netzkapazitäten“, weiß Peter Maasem von WI Energy. „Projekte scheitern an mangelnder Verfügbarkeit. Hier müssen unbedingt neue Wege gefunden werden.“

Einer dieser Wege führt über die Entlastung der Netze durch die Verstetigung der Einspeisung. „Wir sehen den Zukunftsmarkt der Photovoltaik in Kombination mit einer Speichertechnologie“, erklärt Peter Maasem. „Insbesondere engagieren wir uns aktuell sehr im Bereich Wasserstoff. Den boomenden Markt des grünen Wasserstoffs möchten wir mittelfristig bedienen und sehen darin enormes Potenzial.“

„Der PPA-Markt hat sich aktuell als absolut konkurrenzfähig zu EEG-geförderten Anlagen etabliert.“

Peter Maasem, WI Energy

WI Energy

Flexibilität vermarkten

In der Regel geht es derzeit aber erst einmal um Hybride aus Photovoltaik und Speicherbatterien. Diese sind längst in der Pipeline und beispielsweise Deutschland unterstützt solche Ansätze über die sogenannten Innovationsausschreibungen, um solche Anlagen wirtschaftlich tragfähig zu machen. „Denn eine systemdienliche Funktion des Speichers wäre nur dann möglich, wenn das Aus- und Einspeisen vergütet würde“, beschreibt Udo Möhrstedt von IBC Solar eine der größten Hürden.

Die frühere Bundesregierung hat aber eine entsprechende Änderung der Netzentgeltverordnung verhindert. „Wir brauchen ein neues Marktdesign, das Flexibilitäten, beziehungsweise gesicherte Leistung honoriert“, beschreibt Möhrstedt die Aufgabe der neuen Bundesregierung. Denn man müsse wegkommen vom Energy-Only-Markt, der Speichern keine eigene Rolle zuweist.

„Es ist ein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel Photovoltaik trotz der irrsinnigen Bürokratie gebaut worden ist.“

Udo Möhrstedt, IBC Solar

L5

Speicher mehrfach nutzen

Doch die Branche hat schon erste Lösungsansätze parat. „Spannend sind hierbei vor allem Multi-Use-Ansätze“, sagt Benedikt Böhm, Geschäftsführer von Dhybrid, mit Blick auf die Finanzierung von Hybridsystemen. Das zeige ein Projekt, dass Dhybrid zusammen mit der österreichischen Autobahngesellschaft Asfinag umgesetzt hat. In Klagenfurt in der Steiermark wurden eine Solaranlage mit 220 Kilowatt Leistung und ein Speicher mit einer Kapazität von 522 Kilowattstunden mit Schnellladesäulen für Elektroautos vernetzt. Die Anlage hat gleich drei Aufgaben: Neben dem Abpuffern von Lastspitzen beim Laden der Elektrofahrzeuge verhindert sie Ausfälle in der Verkehrsmanagementzentrale und Autobahnmeisterei, indem sie unterbrechungsfrei zwischen Inselbetrieb und Netzbetrieb wechselt.

Zudem übernimmt sie noch Systemdienstleistungen fürs Verteilnetz. „Gerade letzteres wird ein immer wichtigeres Thema, da energieeffiziente Verbraucher zu nichtlinearen Belastungen führen, die das Netz beeinträchtigen“, weiß Böhm. „Immer wichtiger werden zudem Boosterstationen für Ladeinfrastruktur bei schwacher Netzanbindung der Ladesäulen.“

„Spannend sind bei Hybridsystemen vor allem Multi-Use-Ansätze.“

Benedikt Böhm, Dhybrid

ramonphotography.com

Solar und Wind verbinden

Ein zweiter Weg zur Netzentlastung ist nicht weniger schwierig: das Kombikraftwerk aus Photovoltaik und Windkraft. Erste Projekte dieser Art sind schon realisiert. „Die Kombination von Wind- und Solarkraftwerken ist sehr sinnvoll – zumal der Wind im Winter stärker weht, wenn wenig Sonne scheint, und umgekehrt im Sommer viel Sonne scheint und öfter Windflaute herrscht. Beide Technologien ergänzen sich also bestens“, weiß Alexander Koffka von Abo Wind.

„Bedenkt man, dass solche Hybridkraftwerke ganz wesentlich zur besseren Auslastung der Netzanschlusspunkte beitragen können, so kann die Realisierung und Nutzung der Vorteile von Wind-PV-Hybridanlagen in Zukunft einen wichtigen Baustein für die Ausbauziele darstellen“, ergänzt Manuela Nissen, die bei Baywa RE für die Geschäftsentwicklung in diesem Bereich zuständig ist. „Wir prüfen und evaluieren bei allen Neuprojekten die Möglichkeit, ein Hybridprojekt daraus zu machen. Wir werden das Thema in den nächsten Jahren aktiv weiterverfolgen, in Deutschland, aber auch im Ausland.“

„Wir prüfen und evaluieren bei allen Neuprojekten die Möglichkeit, ein Hybridprojekt daraus zu machen.“

Manuela Nissen, Baywa RE

Nils Bornemann Fotografie

Hürden für Kombikraftwerke

Eine große Hürde steht hier aber vor allem in der Auslegung des Netzanschlusses. „Je mehr Technologien sich einen Netzverknüpfungspunkt teilen, desto besser ist dieser ausgenutzt und desto komplizierter wird es. Das ist sowohl für die Genehmigungsbehörden als auch die Netzbetreiber noch Neuland und es gibt noch keine festen Prozesse. Das verzögert die Planung“, sagt Alexander Koffka. „Speziell aufgrund der Komplexität ist die Wirtschaftlichkeit der Projekte und damit die Investitionsentscheidung in vielen Fällen schwierig“, ergänzt David Johann, als Vertriebsleiter bei Belectric für den europäischen Markt zuständig.

Dazu kommen noch die Herausforderungen bei der Flächenauswahl. Denn der Standort muss sowohl für Windkraft als auch für Photovoltaik gut geeignet sein – abgesehen von der unterschiedlichen Akzeptanz seitens der Bevölkerung. „Vor allem aber unterscheiden sich die Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich“, erklärt Björn Broda von Juwi. „Dies gilt nicht nur für die rechtlichen Voraussetzungen, planerischen Verfahrenswege und technologiespezifischen EEG-Ausschreibungen, sondern auch für die sich um Jahre unterscheidende zeitliche Dauer der Projektentwicklung. Hinzu kommen technische Herausforderungen in der Anlagenplanung und Anlagenrealisierung, etwa in den Bereichen Schatten- oder Eiswurf.“

„Es gibt Standorte, an denen Windkraftanlagen gebaut wurden und der Zubau einer Photovoltaikanlage den Business Case verbessern kann.“

David Johann, Belectric

Belectric

Kombinierte Wirtschaftlichkeit

Doch die Nachfrage nach solchen Kombianlagen steige derzeit, bestätigt David Johann von Belectric. „Denn es gibt Standorte, an denen etwa Windkraftanlagen gebaut wurden und der Zubau einer Photovoltaikanlage den Business Case verbessern kann.“

Es geht aber auch in die andere Richtung. Derzeit errichtet Abo Wind einen Solarpark mit einer Leistung von 746 Kilowatt im rheinland-pfälzischen Gielert und kombiniert diesen mit zwei Windkraftanlagen, die jeweils über 5,7 Megawatt Leistung verfügen.

„Auf dieser einstigen Deponiefläche hätte sich aufgrund der hohen Kosten der Kabeltrasse eine PV-Anlage allein nicht umsetzen lassen“, sagt Alexander Koffka. „Erst die beiden Windenergieanlagen mit deutlich geringerem Platzbedarf bezogen auf die Erzeugungsmenge machen das Projekt wirtschaftlich tragfähig.“

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