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Für den Acker gemacht

Sven Ullrich

Deutschland hat ehrgeizige Ziele. Bis 2035 sollen 309 Gigawatt Solarstromleistung aufgebaut werden. Bisher sind Photovoltaikanlagen mit weniger als 90 Gigawatt am Netz. Auch wenn mindestens die Hälfte dieser Solarleistung auf Dächern gebaut werden soll, wird das ohne Freiflächen nicht gehen. Dabei geraten auch Landwirtschaftsflächen in den Blick.

Weil aber nicht wertvoller landwirtschaftlicher Boden mit Photovoltaik (PV) bebaut werden soll, sind dem enge Grenzen gesetzt. Wer auf der Ackerfläche eine Marktprämie oder andere Vergütung für Solarstrom bekommen will, muss Bedingungen erfüllen.

Norm entwickelt

So sind in den Ausschreibungen herkömmliche Solarparks ausschließlich auf Flächen zugelassen, die für die Landwirtschaft mit Blick auf den Ertrag kaum von Bedeutung sind. Hochwertiges Ackerland darf nur mit Agriphotovoltaik (Agri-PV) bebaut werden.

Dabei handelt es sich um Lösungen, die so konzipiert sind, dass der größte Teil der Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden kann. Mit der DIN Spec 91434 gibt es seit 2021 auch eine Norm, wie solche Lösungen aussehen müssen. Wenn der Landwirt unter den Modulen arbeitet, darf das Montagesystem maximal zehn Prozent der Fläche belegen. Arbeitet der Landwirt zwischen den Modulreihen, müssen mindestens 85 Prozent der Fläche weiterhin uneingeschränkt landwirtschaftlich nutzbar sein. Zudem ist die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen auf maximal 80 Gigawatt bis 2030 beschränkt.

80 Gigawatt Solarstromleistung sollen bis 2030 maximal auf landwirtschaftlichen Flächen gebaut werden.

Klar ist aber, dass aufwendige Agri-PV-Systeme mehr Geld kosten. Mit dem Solarpaket I wurde deshalb ein eigenes Untersegment bei den Freiflächenausschreibungen eingeführt, das für besondere Solaranlagen reserviert wird. Dazu gehören neben solaren Parkplatzüberdachungen, schwimmenden Generatoren und Systemen, die auf wiedervernässten Mooren gebaut werden, auch Agri-PV-Anlagen.

Dafür sind 2024 immerhin 300 Megawatt vorgesehen. Bis 2029 steigt das Volumen, das für besondere Anlagen reserviert wird, schrittweise auf über zwei Gigawatt. Wie viel davon tatsächlich in die Agri-PV fließt, wird sich noch zeigen.

PV auf Ackerfläche nur für Agri-PV

Auch Österreich will bis 2030 sein gesamtes Stromsystem auf Erneuerbare umstellen. Laut Berechnungen von PV Austria müssten dafür Solar­anlagen mit einem Jahresertrag von 21 Terawattstunden errichtet werden. Auch hier wird der Ausbau in der Kürze der Zeit ohne Freiflächen nicht zu stemmen sein. PV Austria geht von Anlagen mit einer Stromerzeugungskapazität von 13 Terawattstunden in diesem Segment aus.

Ein Teil davon wird auch auf landwirtschaftlichen Flächen gebaut werden. Dabei legt aber Österreich großen Wert auf Agri-PV und will herkömmliche Solarparks weitgehend verhindern. Das funktioniert über das Fördersystem.

Beispiel Österreich: Strikte Förderkriterien

Denn die Alpenrepublik ist bei der Förderung von Großanlagen auf Ausschreibungen umgestiegen. Der Gesetzgeber hat hier aber für die landwirtschaftlichen Flächen ein Sicherungsnetz eingezogen. Wenn die Solaranlage auf einem Acker gebaut wird, gibt es pauschal 25 Prozent Abzug von der Marktprämie.

Die einzige Ausnahme ist, wenn die Anlage als Agri-PV ausgeführt wird. Für innovative Agri-PV-Anlagen gibt es sogar einen Zuschlag zur Marktprämie. Dann muss die Unterkante der Modultische mindestens zwei Meter über dem Boden liegen. Alternativ können die Module vertikal aufgestellt werden.

Damit decken sowohl die DIN Spec in Deutschland als auch die Anforderungen in Österreich die derzeit gängigen Technologien ab. Mit diesen Technologien können Landwirte auch viel anfangen, wie eine Studie ergeben hat.

Dazu wurden 214 Landwirte befragt. Das Ergebnis: 72,4 Prozent von ihnen können sich vorstellen, Agri-PV für ihren Betrieb zu nutzen. Dabei steht für die Landwirte vor allem das zusätzliche Einkommen im Vordergrund, das sie mit der Photovoltaik erwirtschaften, ohne auf der Fläche die landwirtschaftliche Nutzung aufgeben zu müssen.

Landwirte vertrauen der Technologie

Neben der Doppelnutzung der Flächen ist der Schutz der Pflanzen durch die Solarmodule gegen Starkregen, Hagel oder auch zu viel Sonneneinstrahlung nur ein zusätzlicher Nutzen. Das Ergebnis der Befragung macht die Branche optimistisch. Die Landwirte haben Vertrauen, dass die entwickelten Technologien auch funktionieren. Das Segment wächst zu einem relevanten Geschäftsmodell für Landwirte und die Solarbranche.

Deshalb wird die Agri-PV auch auf der diesjährigen Smarter E Europe in München einen Schwerpunkt bilden – besonders bei den Herstellern von Montagesystemen. So wird die Zimmermann PV-Steel Group am Stand A6.350 ihre flexiblen Lösungen für die Agri-PV zeigen, die den Einsatz der Photovoltaik in nahezu allen landwirtschaftlichen Bereichen ermöglichen.

300 Megawatt stehen im ersten Jahr für die Ausschreibung von besonderen Solaranlagen zur Verfügung. Das Auktionsvolumen steigt bis 2029 auf über zwei Gigawatt.

Im Mittelpunkt steht hier das Trackersystem, das speziell für die Agri-PV entwickelt wurde. Es kann in der Ernteposition auf einen Winkel von 90 Grad angestellt werden. „Dadurch haben wir nur geringe Flächenverluste, da der Grünstreifen unter den Modulen schmal bleiben kann“, weiß Stephan Schindele. Er leitet das Produktmanagement Agri-PV bei Baywa RE (A4.180). Der Projektierer baut einen Großteil seiner Agri-PV-Anlagen mit dem System von Zimmermann.

Gelenk im Tracker

In diesem Jahr wird Zimmermann noch ein flexibles Trackersystem zeigen. Dazu haben die Entwickler ein Kardangelenk, auch Kreuzgelenk genannt, in das System integriert. Dann können die Antriebswellen des Trackers so abgewinkelt werden, dass die gesamte Trackerreihe trotz Hügeln im Gelände mit einem Motor angetrieben wird. Pro Kardanelement können bis zu 8,5 Grad beziehungsweise 15 Prozent Neigung ausgeglichen werden.

Auch die Schletter Group (A6.180) spendiert ihrem Trackersystem ein solches Kardangelenk, wenn es um hügelige Gelände geht. Schletter nutzt den Tracker unter anderem auch für die Agri-PV. Das Unternehmen hat aber auch ein System entwickelt, bei dem die Module vertikal aufgestellt werden.

Platz für Biodiversität

Da die einzelnen Modulreihen sehr weit auseinandergestellt werden müssen, um Verschattungen zu vermeiden, können die Landwirte dazwischen selbst mit großen Maschinen oft noch arbeiten. „Der Landwirt hat mit dieser Lösung immer noch 90 bis 95 Prozent der Fläche für die Landwirtschaft zur Verfügung“, betont Christian Salzeder, Produkt­manager und Vertriebsleiter für Freiflächensysteme bei der Schletter Group. „Ihm gehen nur geringe Streifen verloren, auf denen die Modulreihen stehen. Das hat aber den Vorteil, dass Areale entstehen, auf denen sich Biodiversität entwickeln kann.“

Das ist eine Lösung, die Next2Sun (A6.110) schon seit mehreren Jahren nutzt. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mit einem Zwei-Megawatt-Projekt in der Steiermark damit den österreichischen Solarpreis gewonnen. Die Jury hat überzeugt, dass die Fläche zu weit mehr als 90 Prozent weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden kann.

Anstellwinkel erhöht den Ertrag

Eine ganz besondere Agri-PV-Lösung wird Arausol (A6.220) auf der Intersolar zeigen. Schon jetzt hat das Unternehmen eine ganze Reihe von Lösungen für Landwirte im Portfolio. Neben den vertikal aufgeständerten Ost-West-Anlagen hat Arausol auch eine Lösung für eine Aufständerung nach Süden entwickelt.

Dazu montiert das Unternehmen die Module nicht komplett vertikal, sondern mit einem Anstellwinkel von 15 Grad gemessen von der vertikalen Ausrichtung. „Dadurch erreichen wir im Durchschnitt 11,3 Prozent mehr Ertrag“, erklärt Geschäftsführer Jaime Arau. Außerdem hat Arausol noch verschiedene solare Überdachungssysteme für die Landwirte im Sortiment.

Solaranlage um den Acker herum gebaut

An die Überdachung ist auch das neue System angelehnt. Doch um die üblicherweise sehr hohen Aufständerungen zu vermeiden und so die Kosten zu senken, baut Arausol dieses System nur zwei Meter hoch. Damit es die landwirtschaftliche Nutzung nicht behindert, wird es nicht auf, sondern um das Feld herum gebaut. „Dadurch bleibt die Acker- oder Grünlandfläche komplett frei und der Landwirt kann ungehindert arbeiten“, erklärt Jaime Arau den Vorteil. „Die Randbereiche der Felder werden hingegen ohnehin meist nicht genutzt, sodass dort Platz für die Solaranlage ist. Und wir bekommen erstaunlich viel Leistung um das Feld herum gebaut.“

Die Module werden dabei in Ost-West-Ausrichtung mit einem Anstellwinkel von jeweils zehn Grad montiert. Da das System nur auf einer Pfostenreihe steht, werden die Pfosten in ein Betonfundament eingebaut, sodass eine optimale Standfestigkeit gewährleistet ist. Das Betonfundament wird bewehrt und mit einem Köcher ausgeführt, in den der Pfosten eingebaut wird. Arausol dimensioniert das Betonfundament sowie die komplette Bewehrung selbst und übergibt es mit der kompletten Statik dem Kunden.

Trackerreihen einzeln ansteuern

Mounting Systems (A6. 480 und 490) hat seinem System für die Agriphotovoltaik zu mehr Flexibilität im Betrieb verholfen. Jetzt kann der maximale Anstellwinkel der Modulreihen entsprechend dem Pflanzenwuchs saisonal angepasst werden. Auch hier kommen in der aktuellen Version vollgekapselte Antriebssysteme unter der Modulebene zum Einsatz.

Wenn wir die Anlagen um das Feld bauen, bleibt die Acker- oder Grünlandfläche komplett frei und der Landwirt kann ungehindert arbeiten.

Außerdem kann der Landwirt über eine App die einzelnen Bereiche der Anlage vom Führerstand seiner Landwirtschaftsmaschine oder seines Traktors aus steuern, wenn er in der Anlage arbeitet. Zum Schutz gegen Schäden am System durch die Bewässerung und Düngung werden alle funktionalen Bauteile geschützt und das Antriebssystem des Trackers voll eingekapselt.

Große Konkurrenz um Flächen

Es werden aber nicht nur die Montagesystemhersteller die Agri-PV in den Blick nehmen. Auch Energieversorger und Solarplaner bieten immer öfter ihre Zusammenarbeit mit Landwirten an. So wird Uniper (A4.609) Landwirten eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Solarprojekten anbieten, wenn diese beispielsweise nicht selbst investieren wollen.

Dies ist Teil einer Strategie des Unternehmens, sein gesamtes Kraftwerksportfolio bis 2040 vollständig klimaneutral aufzustellen. Neben dem Ausbau von Wind- und Wasserkraft steht hier auch die Photovoltaik im Mittelpunkt.

Uniper wird sich dabei vor allem auf den Bau von großen Solarparks konzentrieren. Dabei deckt das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette ab: von der Projektentwicklung über den Bau bis hin zum Betrieb der Anlagen und zur Vermarktung des Sonnenstroms.

Konkret will das Unternehmen bis 2030 etwa zehn Gigawatt an Photovoltaik- und Windkraftkapazität aufbauen. Entsprechend braucht Uniper natürlich nutzbare Flächen. Für Landbesitzer eröffnen sich wiederum Chancen, ihre Areale gut zu vermarkten.

Lokale Akteure beteiligen

So bietet das Unternehmen unter anderem langfristige Landpachtverträge an. „Wir sind davon überzeugt, dass Grundstückseigentümer von einer Vielzahl von Vorteilen profitieren können, wenn sie ein integraler Bestandteil der Energiewende werden. Indem Sie sich an der Entwicklung von Solar- und Windprojekten in enger Zusammenarbeit und im Dialog mit lokalen Akteuren beteiligen, tragen Sie nicht nur zu einer grüneren Zukunft bei, sondern profitieren auch von diversen Vorteilen“, sagt Dan Garlin, der bei Uniper für „Renewables EPC & Operations“ zuständig ist.

Wenn Landwirte, Gemeinden oder Waldbesitzer an der Energiewende teilnehmen, spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Verringerung der Kohlenstoffemissionen und der Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit. Das Land wird ein wesentlicher Bestandteil der Landschaft für erneuerbare Energien.

Jaime Arau,
Geschäftsführer von Arausol