Wie viele Kilometer H2-Netz-Neubau sind bis 2030/45 vorgesehen?
Barbara Fischer: Die FNB, also die Fernleitungsnetzbetreiber, haben im November 2023 den Entwurf für das Wasserstoff-Kernnetz vorgelegt. Das Kernnetz ist ein deutschlandweites, skalierbares und schnell realisierbares Wasserstoffnetz mit einem Zieljahr 2032. Es umfasst rund 9.700 Kilometer Leitungen, von denen etwa 40 Prozent neu gebaut und 60 Prozent umgestellt werden sollen. Die Umstellung des vorhandenen Erdgasnetzes auf den Transport von Wasserstoff ist im Vergleich zum Neubau der Infrastrukturen um ein Vielfaches günstiger, deutlich schneller und ressourcenschonend mit Blick auf den Flächen- und Materialverbrauch. Berechnungen für die Zieljahre 2030 oder 2045 liegen aktuell nicht vor. Weitere Zeithorizonte werden im nächsten regulären integrierten Netzentwicklungsplan für Gas und Wasserstoff beleuchtet und modelliert.
Wie lange dauert ein H2-Netz-Neubau inklusive Genehmigung?
Barbara Fischer: Für den Neubau einer Wasserstoffleitung rechnen die FNB mit etwa fünf bis acht Jahren einschließlich der Planungs- und Genehmigungsverfahren, bei der Umstellung mit bis zu drei Jahren.
Wie wird der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur angereizt?
Barbara Fischer: Der Gesetzgeber hat im vergangenen Jahr die gesetzlichen und regulatorischen Voraussetzungen für die Wasserstoffnetzplanung, die Errichtung und den Betrieb von Wasserstoffnetzen auf der Transportebene geschaffen. Die FNB haben daraufhin mit der Planung begonnen. Aktuell liegt der Entwurf zur Konsultation bei der Bundesnetzagentur. Sofern die Finanzierungsfragen geklärt sind, werden die FNB zum 21. Mai 2024 das Kernnetz der Bundesnetzagentur übergeben.
Das Kernnetz löst das so genannte Henne-Ei-Problem, wonach der Markt auf die Entwicklung der Infrastruktur wartet und der Netzbetreiber auf die Marktentwicklung. Der Anreiz für den Ausbau der Infrastruktur besteht in der Ermöglichung eines Markthochlaufes für die Wasserstoffwirtschaft, ohne die eine Dekarbonisierung der Industrie aber auch vieler anderer Sektoren in Deutschland nicht möglich ist.
Wer trägt die Kosten für den Ausbau?
Barbara Fischer: Der Netzausbau wird privatwirtschaftlich von den Netzbetreibern finanziert. Die Refinanzierung des Netzes erfolgt über Netzentgelte der Kunden. Da diese Netzentgelte zu Beginn sehr hoch wären, bei wenigen Kunden, sollen diese Netzentgelte gedeckelt und damit marktfähig werden – als Hochlaufentgelt. Der Staat sichert diese Investitionen bis zum Jahr 2055 über ein Amortisationskonto ab. Diese Absicherung kommt dann zum Tragen, wenn der Hochlauf nicht gelingt oder sich stark verzögert. Wenn der Hochlauf wie geplant gelingt, ist das Amortisationskonto bis 2055 ausgeglichen und die Kosten wurden von den Netzkunden über die Zeit gestreckt getragen.
Zur dritten Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes EnWG: Wie ließe sich nach Ihrer Ansicht die Kapitalmarktfähigkeit des Finanzierungsmodells für das Kernnetz sicherstellen?
Barbara Fischer: Mit der dritten EnWG-Novelle hat der Gesetzgeber ein funktionsfähiges Finanzierungsmodell vorgelegt. Die Fernleitungsnetzbetreiber unterstützen ausdrücklich die grundsätzliche Entscheidung der Bundesregierung, den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur über privatwirtschaftliche Investoren zu realisieren. Dabei ist für die Beschaffung von privatem Kapital eine risikoadäquate Verzinsung ausschlaggebend, die eine Gleichstellung der Investitionen in die Zukunftsinfrastrukturen für Strom und Wasserstoff sicherstellt. Nicole Weinhold
Veranstaltungstipp:
Barbara Fischer spricht auf der Konferenz Sectors4Energy von ERNEUERBARE ENERGIEN und Lorenz Kommunikation, 2. - 3. Juli, Köln. Weitere Infos: sectors4energy.com