Im jüngsten Zehnjahreszeitraum nahm Europas jährlicher Zubau an Windparkkapazität zum zweiten Mal in Folge zu. Doch Osteuropa ist raus. Und dem sonst optimistischen Branchenverband Wind Europe waren die 19,2 Gigawatt (GW) Rekordzubau keinen Beifall wert. Es ist signifikant weniger als das, was alleine die Europäische Union (EU) „errichten sollte, um auf der Spur zu sein“, notierte die Organisation. Auch die in kommenden Jahren zu erwartenden jährlichen Windkraftinstallationen in EU-Ländern reichen bei Weitem nicht für die klima- und energiepolitischen EU-Ziele: Bis 2027 dürfte es von nun an jährlich einen durchschnittlichen Windparkneubau im EU-Raum mit 20 GW geben. Es wäre wenig mehr als die 16,15 GW, die die EU-Länder 2022 zum gesamteuropäischen Windkraftausbau beisteuerten. Die Ziele der Staatengemeinschaft würden bis 2030 aber jährlich 30 GW erfordern.
Auf dem gesamten Kontinent hatte das Plus im Vergleich zum Vorjahr nur 0,9 GW betragen. Zu verdanken war es den Windparkerrichtungen an Land mit 16,7 GW – 1,3 GW mehr als 2021. Offshore-Windparks bilanziert Wind Europe bei 2,5 GW leicht rückläufig. Unschwer lässt sich die zunehmende regionale Schieflage erkennen. So fällt inzwischen Osteuropa fast komplett aus. In 16 der 19 Länder, die vor dem Ende des vorigen Kalten Krieges nicht den marktwirtschaftlichen Ländern des sogenannten Westens angehört hatten, gab es keine einzige Inbetriebnahme. Lettland und Litauen trugen nur 59 und 69 Megawatt (MW) bei. Einzig Polen nahm nach sechs Jahren Stillstand etwas Fahrt auf. Die hier realisierten 1,5 GW waren die ersten größeren Kapazitäten aus Ausschreibungen. Warschau stützt sich wie viele EU-Länder auf Betreiben der EU auf ein wettbewerbliches Ausschreibungssystem. Für moderne Windkraftanlagen an Land hatte Polen mit den Ausschreibungen 2018 begonnen, ein Jahr nach Deutschland.
Dass Europas Windkraft überhaupt wächst, ist auch die Folge eines Grundrauschens im Westen, Norden und Süden Europas: In Belgien, Dänemark, Griechenland, Irland, Italien, Norwegen und Österreich kamen Onshore-Windparks von mehr als 100 bis knapp 500 MW neu hinzu. In der See steuerten Norwegen und Italien durch Pilotwindparks noch 60 und 30 MW bei. Mehr wirkten sich auf See die erstmalige Inbetriebnahme eines Offshore-Windparks in Frankreich mit 480, die Rückkehr Deutschlands mit 342 und der Offshore-Windparkbau der Niederlande mit 369 MW aus. Dafür stagnieren bisherige Führungsmärkte an Land. Während Deutschland seit seinem Markteinbruch 2019 nach mäßigen jährlichen 500-MW-Erholungsschritten 2,4 GW erreicht, enttäuschen Frankreich (1,6 GW) und Großbritannien (500 MW) – in der britischen See kamen 1,2 GW hinzu. So wurden Schweden und Finnland erstmals Onshore-Topregion: 2.441 und 2.430 MW. Spanien und Türkei – 1,7 und 0,9 GW – verblieben im Mittelfeld. (tw)