Immer mehr Stadtwerke wollen raus aus den fossilen Energieträgern und ihre Produkte sowohl im Strom- als auch im Wärmebereich dekarbonisieren. Dafür brauchen sie aber Investitionsmittel. Das ist eines der Ergebnisse der diesjährigen Stadtwerkestudie, die die Analysten von Ernst & Young (EY) für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erstellt haben.
Druck zur Veränderung steigt
Damit verstetigt sich der Trend aus dem vergangenen Jahr. Schon damals war die Dekarbonisierung eine der entscheidenden Aufgaben, die 72 Prozent der befragten Stadtwerke für sich gesehen haben. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass der Ausstieg aus den Fossilen um so dringlicher wird. Der Transformationsdruck auf die ureigensten Aufgaben der Stadtwerke wie die Energie-, Wärme- und Mobilitätsversorgung steigt.
Kommunen müssen Rahmen bieten
So haben aktuell 64 Prozent der deutschlandweit befragten 100 Stadtwerke bereits eine eigene Dekarbonisierungsstrategie erstellt. „Damit Stadtwerke ihre Schlüsselrolle für die nachhaltige Transformation erfolgreich ausfüllen können, benötigen sie dringend einen strategischen Rahmen. Dabei stehen auch die kommunalen Gesellschafter in der Pflicht“, betont Andreas Siebel, Partner bei EY und Sektorleiter Energy & Resources. „Stadtwerke spielen bei der Energiewende eine zentrale Rolle als kommunale Dekarbonisierungsdienstleister und -wegbereiter. Sie sind es, die den Klimaschutz vor Ort umsetzen. Der Krieg in der Ukraine erhöht den Druck auf die Stadtwerke weiter, die traditionelle Daseinsvorsorge mit der Ausrichtung auf Klimaschutz zu vereinen. Dabei werden Kooperationen immer wichtiger.
Finanzierung absichern
Der strategische Rahmen, den die kommunalen Gesellschafter der Stadtwerke vorgeben, müssen den notwendigen finanziellen Spielraum lassen, um in die Zukunft zu investieren. „Das darf nicht von der Kassenlage der Kommunen abhängen. Die Stadtwerke können den Transformationsprozess nur gestalten, wenn sie die notwendigen Investitionen auch tätigen können“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Kooperationen ausweiten
Dabei spielen auch Kooperationen eine immer größere Rolle. Vor allem Kooperationen der Stadtwerke untereinander werden immer wichtiger. Das sehen die Entscheidungsträger auch so- Denn schon heute setzen 88 Prozent der Stadtwerke auf eine solche Zusammenarbeit. Und das soll so bleiben. Denn 89 Prozent der Befragten werden auch künftig regelmäßig mit anderen Stadtwerken kooperieren. Mit Unternehmen aus anderen Branchen wollen nur 42 Prozent der befragten Stadtwerke kooperieren.
Historisch gewachsene Zusammenarbeit
Bei solchen Kooperationen geht es vor allem um Energiedienstleistungen und die gemeinsame Nutzung von Services, die jeweils 59 Prozent der Stadtwerke genannt haben. „Bestehende Kooperationen unter Stadtwerken sind oftmals historisch gewachsen und bestehen insbesondere seit der Liberalisierung der Energiemärkte 1998, etwa in Form eines gemeinsamen Einkaufs“, weiß Metin Fidan, Mitautor der Stadtwerkestudie 2022, Partner bei EY und Leiter Green Transformation & Mining and Metals in der Region Westeuropa. „Dabei geht es vor allem um Kostenersparnisse und Effizienz. Für die aktuellen Herausforderungen wie die digitale und nachhaltige Transformation braucht es aber auch neue Formen der Kooperation, die auf Innovation zielen.“
In die Digitalisierung investieren
Mit dem sukzessiven Umstieg auf erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraftanlagen steigt unter anderem durch die Volatilität, aber auch durch die Dezentralisierung der Bedarf an digitalen Lösungen. Entsprechend beschäftigen sich damit 89 Prozent der befragten Stadtwerke in verstärktem Maße. Mit der Digitalisierung kommen aber auch noch weitere Aufgaben hinzu, wie beispielsweise die Daten- und Cybersicherheit.
Aufgabenliste wird länger
Die Aufgabenliste der Stadtwerke wächst ohnehin schon stark an. So wollen 82 Prozent der Studienteilnehmer ihre internen Prozesse optimieren, um im Rahmen der Energiewende gut aufgestellt zu sein. Dazu kommt noch der Fachkräftemangel, der auch von Stadtwerke nicht Halt macht. 82 Prozent der befragten Stadtwerke widmen sich entsprechen der Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter. „Während die Aufgabenliste der kommunalen Versorger immer länger und dringlicher wird und damit immense Investitionsbedarfe verbunden sind, droht die finanzielle Situation sie zunehmend zu beschränken“, warnt Andreas Siebel.
Finanzstatus mehrheitlich solide
Derzeit schätzen die befragten Stadtwerke ihren geschäftlichen Erfolg noch als positiv ein. Die Umfrage fand noch vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine statt. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Umsatzrentabilität seit 2017 jedes Jahr um durchschnittlich drei Prozent abgenommen hat. Deshalb müssen die Stadtwerke auf ein aktives Management ihrer Finanz- und Liquiditätssituation setzen. Zu deren Verbesserung nutzt gut die Hälfte der Befragten Kosten-Benchmarks, jeweils 48 Prozent bündeln Aufgaben in Shared-Service-Centern und nutzen Dienstleister zur Kostensenkung.
Bei der Finanzierung nachgesteuert
Es wird aber auch nachgesteuert, was die Finanzierung angeht. So haben 47 Prozent der befragten Stadtwerke ihre Kreditrahmenverträge neu verhandelt. Aber nur 27 Prozent nutzen dafür Bankenkonsortien. Insgesamt scheint bei 87 Prozent der Studienteilnehmer die Finanzierungsfähigkeit so solide zu sein, dass sie ohne Kommunalbürgschaften ihres Gesellschafters auskommen. „Auch hier können neue Wege zusätzliche Chancen bieten: Frisches Kapital kann beispielsweise auch von privaten Investoren wie Versicherern, Altersvorsorge-Anbietern und Pensionskassen deutscher DAX-Konzerne kommen, die nach Anlagemöglichkeiten in Infrastrukturprojekten suchen“, erklären die Experten vom BDEW.
Die aktuelle Stadtwerkestudie finden Sie auf der Internetseite des BDEW zum Download. (su)