Nach eigener Analyse des offiziellen Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur in der dritten Aprilwoche meldete nun der Online-Branchennachrichtendienst IWR, dass der Ausbau neuer Windstromkapazitäten an Land in Deutschland von Januar bis März sich entgegen auch jüngerer Prognosen offenbar wieder verlangsamt hat. Demnach nahmen 2022 von Januar bis Ende März 100 neu errichtete Anlagen den Betrieb auf. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres hatten die Windparkbauteams bundesweit deutlich mehr, nämlich 133 Onshore-Windenergieanlagen installiert. Zwar nahm auch die Erzeugungskapazität pro Anlage aufgrund einer schnellen Fortentwicklung der Anlagentechnik und daher Auslieferung von immer leistungsstärkeren größeren Windturbinen erneut merklich zu. Doch auch die neu installierte Onshore-Erzeugungskapazität der Windparks in Deutschland war im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum ersten Quartal 2021 kaum weniger klar rückläufig: So installierten die Windturbinenhersteller 404,5 Megawatt (MW) neu. 2021 waren es von Januar bis März noch 525,7 MW.
Der deshalb im Quartalsvergleich um 23 Prozent rückläufige Wert der Onshore-Installationen gilt allerdings auch für die gesamte Windstrom-Einspeisekapazität mitsamt Offshore-Windparkbestand im Meer. Denn 2021 und auch seit Anfang 2022 haben in deutscher See noch keine neuen Inbetriebnahmen von Offshore-Turbinen stattgefunden, die nächsten Netzanschlüsse für Offshore-Windparks sind erst in den kommenden Monaten zu erwarten.
Dabei bleibt es bei einem regional sehr ungleichen Onshore-Windkraftausbau: Während in Nordrhein-Westfalen mit 100 MW, in Schleswig-Holstein mit 97 MW und in Brandenburg mit 93 MW mit Abstand am meisten neue Kapazität die Einspeisung startete, war nur noch in Niedersachsen mit 40 MW eine regere Anlageninstallationsaktivität mit Errichtungen von mehr als einer Handvoll an Windturbinen zu beobachten. In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Baden-Württemberg waren es in entsprechender Reihenfolge nur fünf, vier und drei Anlagen. Nur jeweils zwei Turbinenanschlüsse erfolgten im Saarland und Sachsen, während Rheinland-Pfalz und Hessen mit jeweils einer Anlage wenigstens noch statistisch zählbar dabei waren. Bayern, wo rings um auch kleinste Siedlungen ein Bannkreis für neue Windturbinen von in der Regel der zehnfachen Gesamthöhe der Windturbine gilt, gab es keine Installation. Auch die drei Stadtstaatengebieten Berlin, Bremen und Hamburg gingen leer aus.
Die Berliner Fachagentur Windenergie an Land hat inzwischen eine schon in der zweiten Aprilwoche vorgenommene eigene Kalkulation der jüngsten Daten aus dem Marktstammdatenregister aktualisiert. Deren Experte Jürgen Quentin präsentierte auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN ganz ähnliche Daten. Während demnach die durchschnittliche Anlagenleistung der neu installierten Maschinen im Vergleich zur Situation ein Jahr zuvor noch einmal leicht von 4,0 auf 4,1 MW zunahm, fiel auch gemäß Quentins Berechnungen der Zubau auf 98 Neuanlagen und 401,6 MW zurück.
Der rückläufige Trend mag eine kurzfristige Erscheinung des ersten Jahresquartals gewesen sein, weil sich weitere Kostenerhöhungen kurzfristig bremsend auswirkten – infolge von Ukrainekrieg und internationaler Handelsstreitigkeiten sowie infolge der durch pandemiebedingte Schutzmaßnahmen nur eingeschränkten globalen Komponenten- und Bauteiltransporte. Darauf verwies der Präsident des Bundesverband Windenergie Hermann Albers in einer ersten Reaktion: Die „wachsenden Herausforderungen bei Kosten, Lieferketten und Transportgenehmigungen“ deuteten sich mit diesen rückläufigen Daten an. „Wo die Politik handeln kann, muss sie jetzt aktiv werden. Dies ist insbesondere bei schleppenden Transportgenehmigungen überfällig.“
Allerdings stocken auch die Neugenehmigungen nach einem längeren Aufwärtstrend nun wieder mehr. So genehmigten die Behörden von Januar bis März bundesweit für Onshore-Windparkprojekte 205 weitere Anlagen mit einer Kapazität von zusammen 1.053,3 MW. Von Januar bis März 2021 hatte es grünes Licht für 236 Neuanlagen mit 1.141 MW gegeben, wie die Fachagentur Windenergie an Land nun festhält. Erstmals war damit die Genehmigungsentwicklung wieder rückläufig seit dem Einbruch der Behördenzulassungen infolge einer Umstellung des Vergütungs- und Zulassungssystems durch das 2017 novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei den Genehmigungen dominierten Niedersachsen mit gerundet 222 MW vor Schleswig-Holstein mit 198 MW, Hessen mit 193 MW, Nordrhein-Westfalen mit 142 MW, Brandenburg mit 65 und Mecklenburg-Vorpommern mit 63 MW. Sachsen-Anhalt blieb im Nord-Süd-Gefälle der deutschen Onshore-Windkraft als noch mitteldeutsches Land mit 47 MW knapp vor sämtlichen weiter distanzierten Süd-Bundesländern.
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