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Wasserstoff für Stahlpellets aus Mauretanien

Jorgo Chatzimarkakis, seit 2016 Generalsekretär beim Verband Hydrogen Europe in Brüssel, hofft auf Deutschland beim Thema Wasserstoff in der EU.

Nicole Weinhold

Sie sagen, Deutschland steht im internationalen Vergleich schlecht da beim Wasserstoff. Was machen andere besser als wir?

Jorgo Chatzimarkakis: Zum Beispiel die Niederländer sind pragmatischer als wir. Die haben sich die Situation vorgestellt: Was passiert, wenn wir aus der Kohle raus sind – das haben sie schon gemacht. Und wenn wir auch aus der Atomkraft raus sind, und dummerweise noch aus Gas raus müssen? Die Niederlande hatten im Norden ein See- und Erdbeben durch die Entnahme von Erdgas. Und dann haben sie gesagt: Wir müssen eine neue Lösung finden. Dort ist die Partei der Grünen übrigens komplett für Wasserstoff. Die Niederlande haben angefangen, ihre Salzkavernen und 50 Kilometer Erdgaspipeline umzurüsten auf Wasserstoff. Erste Tests zeigen, es funktioniert, und jetzt machen sie ein Gesetz dazu.

Es hat erste Anpassungen gegeben, etwa bezüglich der EEG-Umlage. Was muss jetzt noch kommen?

Jorgo Chatzimarkakis: Die Unterstützung für das, was in Europa in Vorbereitung ist: Fit für 55. Das ist diese große europäische Gesetzgebung, die im Juni 2021 vorgestellt wurde, auf 3.000 Seiten ist das Wort Wasserstoff 1.000-mal erwähnt. Das ist arg viel. Wir werden immer von Abgeordneten gefragt: Habt ihr da nicht irgendwas zu ändern, ihr Wasserstoff-Fritzen? Und da sagen wir: Nö, wir würden das gern verteidigen. Wir wollen nicht, dass der Wasserstoff gegenüber dem Strom diskriminiert wird. Da gibt es vielleicht ein paar Punkte. Aber 80 Prozent dessen, was die Kommission hier vorgeschlagen hat, würden wir gern behalten. Und da brauchen wir auch die Bundesregierung, die das als Mitgesetzgeber unterstützen muss. Das sind ja zum Teil Verordnungen. Es ist zum Beispiel eine Verordnung, dass eine Infrastruktur für alternative Kraftstoffe aufgebaut wird, das kann auch Wasserstoff sein. Da steht drin: die Mitgliedstaaten müssen alle 150 Kilometer eine Wasserstofftankstelle aufstellen. Da gibt es einige, die sagen, das ist uns zu viel. Da hörte man von einer Regierungspartei: Nein, wir bauen nur eine Infrastruktur für E-Mobilität auf. Da sagt die Verordnung nun aber: Nein, ihr müsst die Wasserstoff-Infrastruktur aufbauen. Uns wäre am meisten damit gedient, wenn Deutschland Fit for 55 unterstützt.

Bei den Tankstellen brüstet Deutschland sich, dass diese gut vorankommen.

Jorgo Chatzimarkakis: Im europäischen Vergleich ist das ein 18:0 Sieg. Aber das stört einen Sondierer in den Koalitionsverhandlungen nicht. Wenn er sieht, dass der Faktor 20 schon in Stromtankstellen gesteckt wurde, dann kann der auch sagen: Ich konzentrierte mich auf die Ladesäuleninfrastruktur.

Am 14. Dezember hat die Kommission den zweiten Teil der Gas- und Wasserstoffstrategie vorgestellt. Das Entscheidende für erneuerbaren Wasserstoff ist, dass die Pipelines umgestellt werden. Denn das größte Volumen an Wasserstoff wird nicht in Deutschland und Europa selbst hergestellt, sondern vor allem außerhalb Europas, etwa in Nordafrika. Es gibt die Pipelines schon: die Verbindung Marokko, Spanien, gerade gebaut wird Ägypten, Zypern, Griechenland, Italien. Die Pipelines sind die billigste Möglichkeit, um Wasserstoff zu transportieren.

Viele Länder in Nordafrika stehen bei den Erneuerbaren ganz am Anfang. Zudem hat eine Importabhängigkeit nicht nur positive Seiten, oder?

Jorgo Chatzimarkakis: Die Abhängigkeit wird diversifiziert werden, das ist klar. Wir können nicht nur sagen: Wir machen keine Importe mehr. Das geht nicht.

Aber nochmal nach Nordafrika: Für die Stahlproduktion muss Sauerstoff ins Eisenerz. Ich kann das O rausholen mit Wasserstoff. Das Eisenerz kommt aus Australien, Guinea oder der Türkei. Ich müsste das Eisenerz und den Wasserstoff nach Deutschland bringen. Warum lasse ich die Reduktionstechnologie nicht dort installieren, wo sie billig ist? Zum Beispiel in Mauretanien. Dann müsste ich die Reduktionskompetenz dort aufbauen. Und ich importiere dann nur noch die Pellets, die in Deutschland zu Spezialstahl weiterverarbeitet werden. Ich will damit sagen: Ich muss nicht unbedingt Wasserstoff importieren, sondern ich kann auch die bearbeiteten Industrieteile importieren, wo der Wasserstoff bereits integriert ist. Damit würde ich zwar in Europa Jobs verlieren. Aber ich würde zwei Drittel der Jobs behalten, denn die eigentliche Wertschöpfung passiert bei der Produktion des Spezialstahls. Aber wir würden endlich einmal nicht nur Entwicklungshilfe leisten, sondern eine echte Entwicklung fördern. Wir haben immer kritisiert in Europa, dass wir sogar die Kaffeeröstung in Bremerhaven vornehmen. Man könnte endlich mal die Jobs dort belassen - das steckt beim Wasserstoff dahinter. Sodass Länder, die sonst keinen Zugang zu industriellen Prozessen haben, beteiligt werden.

Was muss passieren, damit die Gas-Infrastruktur für Wasserstoff funktioniert? Wie aufwändig ist eine Umrüstung?

Jorgo Chatzimarkakis: Das kostet 25 Prozent des Neubaus. Wir werden zunächst sogenannte Backbones bauen, insbesondere an Wasserstoff-Zentren, wo Wasserstoff produziert wird, dorthin, wo es abgenommen wird. In der Tat geht das erstmal nach Salzgitter, Duisburg, wo es hingelangen muss. Wie gesagt, die Niederlande haben angefangen, das muss auf deutscher Seite fortgesetzt werden.

Der zweite Schritt ist, dass man Stadtwerken erlaubt dort anzudocken. Da gibt es Versorger, die sagen: Wir haben die Hardware von Viessmann, von Vaillant, wir wollen ans Wasserstoffnetz angeschlossen sein.

Haben Sie eine Zahl: Wieviel muss ab 2030 importiert werden und wie viel können wir selbst herstellen?

Jorgo Chatzimarkakis: Das kommt auf das Land an. Spanien wird weniger importieren müssen als die Tschechische Republik. Und es kommt sogar auf die Bundesländer an. Das Saarland steht anders da als Schleswig-Holstein. Im Schnitt wird Europa 50 Prozent selbst produzieren und 50 Prozent importieren.

Jorgo Chatzimarkakis, Hydrogen Europe

Foto: Hydrogen Europe

Jorgo Chatzimarkakis, Hydrogen Europe

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