Auf der Konferenz der European Photovoltaic Technology Platform (EUPVTP) in London ging es diesmal um gebäudeintegrierte Photovoltaik. Die anwesenden Experten waren sich darüber einig, dass es Anbietern von gebäudeintegrierter Photovoltaik heute besser gelingt, Architekten vom Einsatz dieses Materials zu überzeugen.
Noch ist die gebäudeintegrierte Photovoltaik, kurz BIPV (Bulding-Integrated Photovoltaics) aber nur eine Nischenanwendung, die gemessen an den weltweiten PV-Gesamtinstallationen kaum ins Gewicht fällt. „Sie ist ein Nebensektor der PV-Industrie“, erklärt Gaëtan Masson, Vizepräsident der EUPVTP. Von den knapp 40 Gigawatt Solarstromleistung, die 2014 weltweit neu installiert wurde, entfiel nur knapp ein Gigawatt auf die BIPV – ihr Marktanteil liegt damit bei gerade einmal 2,5 Prozent. Ein Markthemmnis sind die relativ hohen Kosten: In den Ländern und Regionen gelten teilweise sehr unterschiedliche baurechtliche und technische Anforderungen. Die Module würden deshalb in relativ kleinen Produktionen vor Ort für die lokale Architektur maßgefertigt, was die Produktion größerer Stückzahlen und Kostensenkungen erschwere, sagt Masson.
Sinkende Preise durch die Masse
Um wie die konventionelle PV vom Kostenvorteile der Massenproduktion zu profitieren, müsse sich die BIPV-Industrie stärker auf wettbewerbsfähige Marktsegmente konzentrieren. „Dann könnten die Unternehmen die Produktion vorfabrizierter BIPV-Elemente starten.“ Zudem seien bessere politische Rahmenbedingungen nötig, um der Industrie auf die Sprünge zu helfen, heißt es bei der EUPVTP. Derzeit rudern die Staaten bei der Solarförderung jedoch eher zurück. In Frankreich etwa, einem der wenigen Länder mit speziellen Fördertarifen für die BIPV, soll die Zusatzförderung für Indachsysteme Ende 2015 auslaufen.
Klimaziele erreichen
Dabei könnten die Länder Klimaschutzziele mit Hilfe der BIPV sicherer umsetzen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) haben sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen und einen Anteil von 20 Prozent erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch zu erreichen. Gebäude spielen hierbei eine Schlüsselrolle: Neubauten sollen ab 2020 fast keine Energie mehr für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung benötigen und den restlichen Energiebedarf selbst decken. Die BIPV böte die Lösung: Wo sich Module nicht auf dem Dach anbringen lassen, könnten sie in die Gebäudehülle integriert werden.
Sonderformate und variable Modulgrößen
Doch auch wenn die Rahmenbedingungen für die BIPV schwierig sind – stetige Innovationen lassen auf einen baldigen Durchbruch der Technik hoffen. Die Module werden effizienter und sind in immer mehr Ausführungen verfügbar. Den neuen Gestaltungsspielraum wissen Architekten zu schätzen. „Wir spüren ein Anziehen des Markts“, sagt Bernd Sprecher, Geschäftsführer der Manz CIGS Technology. Das Unternehmen entwickelt Produktionslinien für Dünnschichtmodule auf Basis der Elemente Kupfer, Indium, Gallium und Selen und fertigt im süddeutschen Schwäbisch Hall BIPV-Module in diversen, frei wählbaren Dimensionen und Formen. Manz dampft die photoaktive CIGS-Schicht im Vakuum hauchdünn auf Floatglas auf – dieser Prozess erlaube variable Modulgrößen und Sonderformen, so Sprecher.
Nicht nur die Vielfalt, sondern auch der verbesserte Wirkungsgrad spricht für die Dünnschicht. Bisher waren die Paneele kaum gefragt, weil sie Licht nur mit rund zehn Prozent Effizienz in Strom umwandelten. Das hat sich dank optimierter Produktionsverfahren geändert. CIGS-Module von Manz erreichen mittlerweile fast 15 Prozent Wirkungsgrad, langfristig seien sogar 20 Prozent möglich, erklärt Sprecher. „Im Labor werden solche Werte bereits erzielt.“ Damit würde die Dünnschicht in Effizienzbereiche vordringen, die bisher klassischen Siliziummodulen vorbehalten waren.
Noch ist der Klassiker beim Wirkungsgrad aber unerreicht – Spitzenmodule aus monokristallinem Silizium erreichen bereits über 20 Prozent. Die hohe Effizienz ist auch ein entscheidender Grund dafür, dass der BIPV-Spezialist ertex solartechnik, Tochter des Glasherstellers ertl glas aus dem österreichischen Amstetten, vorwiegend Siliziumzellen in seinen Elementen einsetzt. Um dennoch den Ansprüchen der Architekten gerecht zu werden, hat ertex solartechnik gemeinsam mit Spezialisten aus der Architektur-, Glas- und PV-Branche hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes neuartige Module entwickelt. „Damit steht Architekten und Fassadenplanern nun ein Photovoltaikmodul zur Verfügung, das wie herkömmliche Fassadenelemente höchsten Ansprüchen an Ästhetik und Gestaltungsfreiheit genügt, jedoch symbiotisch vereint mit solarer Energieproduktion“, erklärt Dieter Moor, Geschäftsführer Marketing und Sales von ertex solartechnik.
Solarzellenstruktur wird unsichtbar
Die unterschiedlichen Möglichkeiten ergeben sich Moor zufolge daraus, dass jede Ebene des Moduls von der vorderen Glasfläche bis zum rückseitigen Glas strukturiert und eingefärbt werden kann. So ließen sich Verbundsicherheitsglas-Design-Frontgläser mit unterschiedlichen Mustern und Transparenzgraden realisieren, bedruckte Rückseitengläser, farbige Frontgläser und Einkapselungfolien, strukturierte Frontgläser, farbige und semitransparente Solarzellen sowie gefärbte Lötverbinder. „Auf diese Weise ist die Solarzellenstruktur kaum mehr wahrnehmbar“, erklärt Moor.
Bei einer Kindertagesstätte mit Plusenergiehaus-Standard im hessischen Marburg zeigten Architekten, was mit modernen BIPV-Paneelen inzwischen möglich ist. Um das komplexe Gebäude passend in Module zu hüllen, griffen sie auf dreieckige Elemente mit leistungsstarken monokristallinen Siliziumzellen von ertex solartechnik zurück. Die Module der Österreicher zeichnen sich auch durch ihr einfarbiges Erscheinungsbild aus. Dazu wurden die sonst silberfarbenen Stromsammelschienen und stark reflektierenden Lötverbinder, die die einzelnen Zellen miteinander verbinden, schwarz bedruckt. Das Ergebnis ist eine gleichmäßig schwarze Oberfläche, die nicht darauf schließen lässt, dass es sich bei den Elementen um hocheffiziente Stromgeneratoren handelt.
Dank neuer Halbleiter dürften sich Architekten künftig noch mehr Gestaltungsspielräume mit Solartechnik bieten. So arbeiten die Dresdner Firma Heliatek und der belgische Flachglashersteller AGC Glass Europe an BIPV-Elementen, die organische Photovoltaikfolien verschiedener Ausmaße, Farbabstufungen und Transparenzen in Bauglas integrieren. Dank der Folien würden die Elemente besser handhabbar und könnten auch in unregelmäßig geformte Fassaden eingebettet werden, erklärt Heliatek-Sprecherin Kathleen Walter. Außerdem versprechen Solarfolien aus organischem Material niedrige Produktionskosten, da die winzigen photoaktiven Moleküle (Oligomere) ausreichend verfügbar sind und sich im effizienten Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf Folie abscheiden lassen. Das ist weitaus weniger aufwendig als die Produktion von kristallinen Siliziumzellen, deren Rohlinge, die Wafer, erst aus einem massiven Block gesägt werden müssen, ehe sie zu Zellen weiterverarbeitet werden können.
In der Baubranche kommen die solaren Leichtgewichte offenbar gut an. „Wir werden mit Anfragen für Pilotprojekte regelrecht überrannt. Die Technik verspricht definitiv einen Boom“, sagt Walter. Noch hat Heliatek aber nicht alle kritischen Punkte gelöst. Folien aus der Pilotproduktion erreichen derzeit einen Wirkungsgrad von sieben bis acht Prozent. Im Bereich Glas hat Heliatek einige Pilotinstallationen realisiert und sammelt seither erfolgreich Daten. Bei einer Fassadeninstallation in Dresden wurde nach einem Jahr ein Mehrertrag von 23 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Silizium gezeigt. In der gemeinsamen Entwicklung mit AGC steht als nächstes die Produktzertifizierung an. Derzeit werden die BIPV-Elemente final getestet.
Derzeit sucht Heliatek nach Investoren für eine Großproduktion, in der statt wie bisher 50.000 Quadratmeter eine Million Quadratmeter Solarfolie pro Jahr produziert werden soll. Dort will Heliatek auch breitere Bahnen von einem Meter oder 1,20 Meter herstellen. Die Pilotlinie bringt derzeit nur 30 Zentimeter breite Bahnen hervor. „Dadurch würde sich der Installationsaufwand deutlich verringern“, erklärt Walter. Auch der Wirkungsgrad soll steigen. Im Labor erreichen Heliateks Oligormerzellen bereits zwölf Prozent Effizienz. Diesen Wert will das Unternehmen in die Großserienproduktion übertragen.
Solarforscher halten ein weiteres Ass für die BIPV in der Hand: Zellen aus Perowskit. Das Mineral lässt sich ähnlich einfach und sparsam verarbeiten wie Oligomere, hat aber ein höheres Wirkungsgradpotenzial. US-amerikanische Wissenschaftler wiesen im Labor fast 20 Prozent nach. Sie erzeugten eine nur einen Millimeter starke Perowskitschicht, indem sie Glas mit organischen Molekülen und Bleikristallen bedampften. Dennoch erzeugte die Zelle ebenso viel elektrische Energie wie eine 150-fach dickere Siliziumzelle. Gelänge es, Perowskit-Zellen für die BIPV nutzbar zu machen, gäbe es keine technischen und Kostenhemmnisse mehr.
Die EU fördert deshalb die Weiterentwicklung Technik über ihr Programm „Horizont 2020“ mit insgesamt rund drei Millionen Euro. Konkretes Ziel von Got Solar, so der Name des Forschungsprojekts, an dem neben Zellenentwickler Dyesol sechs europäische Forschungseinrichtungen beteiligt sind, ist die Entwicklung einer für die industrielle Produktion geeigneten Versiegelungstechnik der Zellen. Denn was für Heliateks Oligomere gilt, gilt noch mehr für Perowskite: Sie sind extrem empfindlich und müssen besonders gut vor äußeren Einflüssen geschützt werden. „Es geht darum, ihre Stabilität zu erhöhen“, erklärt Dyesol-Sprecherin Eva Reuter. Das Unternehmen will 2018 die Serienfertigung der Perowskitzellen starten. Dafür plant es in der Türkei eine neue Fabrik mit 600 Megawatt Jahreskapazität.
Auf der glasstec 2016 in Düsseldorf, der weltweit größten und internationalsten Fachmesse der Glasbranche, haben die Unternehmen vom 20. bis 23. September 2016 Gelegenheit, sich über Innovationen auszutauschen und neue Kooperationen anzubahnen.
Fachbeitrag zur glasstec 2016 von Daniel Krauß, Brigitte Küppers , Messe Düsseldorf