Die Anteile von Solarstrom am Strommix steigen weltweit rasant und mit der installierten Gesamtleistung steigt auch die Leistung einzelner Solarparks. Acht Großanlagen haben bereits die Ein-Gigawatt-Marke überschritten und insgesamt 22 Anlagen haben jeweils eine Leistung von 500 Megawatt und mehr. Damit werden auch präzise Prognosen der solaren Erzeugungsleistung immer wichtiger. Denn die Strom-
erzeugung von Solaranlagen schwankt naturgemäß mit dem Wetter. Diesen Schwankungen müssen Netzbetreiber reaktionsschnell entgegensteuern, damit ihre Stromnetze stabil bleiben. Eine unvorhergesehene Wolkenbildung über einem Solarpark mit mehreren hundert Megawatt Leistung kann die Verantwortlichen daher ganz schön ins Schwitzen bringen. Die Stabilität der Stromnetze ist aber nicht die einzige Herausforderung. Auch für die erfolgreiche Vermarktung von Solarstrom an den Strombörsen sind verlässliche Vorhersagen der Stromerzeugung entscheidend. Denn wer zum vorher vereinbarten Termin nicht exakt die bestellte Leistung liefern kann, muss je nach Marktdesign mit empfindlichen Zusatzkosten rechnen. Das schmälert die Gewinne.
Komplexer Prozess
Um auch bei vielfältigen und sich häufig ändernden Wettersituationen zuverlässige Leistungsprognosen zu liefern, müssen Prognoseanbieter komplexe Berechnungsmodelle sowie eine Vielzahl an Daten einsetzen. Das Unternehmen Energy & Meteo Systems zum Beispiel nutzt dafür ein eigens programmiertes Prognosesystem für Photovoltaikanlagen und entwickelt dieses anhand realer Anlagendaten aus allen Erdteilen kontinuierlich weiter. Dazu zählen auch Daten aus fünf der sechs größten Solarparks der Welt, für die der Energiedienstleister Erzeugungsprognosen liefert.
Grundlage des Systems ist ein physikalisches Modell zur Berechnung der solaren Erzeugungsleistung aus Einstrahlungsdaten numerischer Wetterprognosen der Wetterdienste. Zu den wichtigsten Daten für diese Basisvorhersage gehören neben der Wetterprognose und dem genauen Standort der Anlage auch die Ausrichtung und Neigung der Solarmodule. Weiter präzisieren lässt sich die Prognose, indem das Modell zusätzliche Messdaten der Einspeisung und historische Wetterdaten berücksichtigt. So werden die Vorhersagen mit zunehmender Datendichte genauer kalibriert.
Die Prognosegüte wird durch eine sogenannte Kombivorhersage noch weiter erhöht. Dafür zieht das Modell Wettervorhersagen mehrerer unterschiedlicher Wetterdienste heran und gewichtet diese anhand ihrer historischen Zuverlässigkeit zu bestimmten Jahreszeiten oder Wetterlagen. Entsprechend dieser Gewichtung wird dann die Kombivorhersage ermittelt, deren Präzision die der zugrundliegenden Basisvorhersagen in der Regel deutlich übertrifft.
Im letzten Schritt berücksichtigt eine Kurzfristvorhersage aktuell erhobene Live-Messdaten, um die Erzeugungsprognose an die aktuellen Wetter- und Einspeisebedingungen anzupassen. Diese Aktualisierung ist entscheidend für eine hohe Genauigkeit der Vorhersagen für die kommenden Minuten und Stunden. Je nach Anforderung kann ein solches Update in kurzen Zeitintervallen erfolgen, beispielsweise jede Viertelstunde im deutschen Energiemarkt oder alle fünf Minuten für das US-amerikanische Redispatch-System.
Präzisionsrelevant: Nebel und Schnee
Bei der Weiterentwicklung des Solarprognosesystems liegt ein besonderer Fokus auf der Verbesserung von Leistungsprognosen bei Nebel und Schnee. Beide Wettersituationen können Ursache für signifikante Vorhersagefehler sein. So ist Hochnebel für Wetterdienste nur schwer vorherzusagen, beeinträchtigt aber die Erzeugungsleistung von Solaranlagen sehr. Das Vorhersagesystem nutzt daher eine nachgelagerte Nebelkorrektur, die Satellitenbilder auf Nebel hin analysiert. So gewonnene Daten sind meist präziser als die Einstrahlungsprognosen der Wetterdienste. Die kurzfristige Nebelkorrektur ist vor allem für die Intraday-Vorhersage relevant, also für die Erzeugungsprognose für den aktuellen Tag.
Auch Schnee auf der PV-Anlage reduziert je nach Höhe der Schneedecke die Solarproduktion erheblich. Dafür bietet das Vorhersagemodell eine besondere Schneekorrektur, die Informationen aus den zur Verfügung stehenden Wettermodellen nutzt. Zu den berücksichtigenden Daten gehören zum Beispiel die erwartete Temperatur und Angaben zur Schneebedeckung. Auf Basis dieser Werte wird dann eine Schneekorrektur der Erzeugungsprognose durchgeführt.
Durch den Monsun
Von den 15 größten Solarparks der Welt liegen sieben in Indien, darunter auch die beiden größten Solarparks Bhadla und Pavagada mit jeweils mehr als zwei Gigawatt Leistung. Energy & Meteo Systems liefert Erzeugungsprognosen für Teilbereiche der beiden Parks mit mehreren hundert Megawatt. Um den Netzbetreibern in diesen Breiten verlässliche Leistungsprognosen liefern zu können, muss der im tropischen und subtropischen Raum regelmäßig auftretende Monsun bei der Modellierung gesondert berücksichtigt werden.
Der Monsun zeichnet sich insbesondere durch häufige Schauer und Gewitter aus, die aufgrund ihrer geringen räumlichen Ausdehnung für gängige Wettermodelle nur schwer zu prognostizieren sind. Ein Monsunschauer kann aber wegen der damit einhergehenden dichten Bewölkung für abrupte Einbrüche in der Einspeisung eines Solarparks sorgen.
Um diese Herausforderung zu bewältigen, wurde ein hauseigenes numerisches Vorhersagemodell für tropische Wettersituationen inklusive Monsun entwickelt. Die hohe zeitliche und räumliche Auflösung des Modells ermöglicht eine deutlich präzisere Vorhersage der Schauer- und Gewitterbewölkung als herkömmliche Wetterprognosen. Damit bringen indische Netzbetreiber ihre Stromnetze auch trotz einspeisender Solarparks im Gigawatt-Maßstab sicher durch den Monsun.
Autoren: Heidrun Misfeld und Varun Gaur, Energy & Meteo Systems GmbH
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