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Windkraftflößer packen´s an

Tilman Weber

Von Spanien, Portugal, Dänemark, der Türkei, Indien, den USA, Mexiko, Brasilien, China – speziell für Meereswindturbinen auch von Frankreich, Großbritannien und künftig Polen und Italien kommen sie. Seit Nordex 2022 als letzter Akteur eine Rotorblattfertigung in Deutschland dicht gemacht hat, fahren Schiffe inzwischen im Standard von 8 bis 15 oder noch mehr Turbinensätzen pro Fracht von vielen Himmelsrichtungen die deutschen Häfen an. Dort schlagen sie diese auf Lkw um, um sie über Autobahnen in die Lande auszuschwärmen.

Ähnliches spielt sich beim Import der Maschinenhäuser und Stahltürme ab. Doch mit ihrer schieren Größe prägen die Blätter die exotisch anmutenden Szenerien. Zu Stoßzeiten gleichen Häfen auf Luftbildern den auf alten Fotos gezeigten Umschlagflächen endloser Reihen an Stoßzähnen und anderer sperriger Naturware aus den Kolonien.

Die 80 Meter langen Großkomponente sind freilich bislang nur auf den ersten Blick eine Last. Ihre Logistik gelingt in Deutschland ausreichend, um die geplanten Projekte zu beliefern. Zumal es bei immer leistungsstärkeren Windturbinen mit mäßig anziehendem Zubau nicht mehr Anlagen und Rotorblätter braucht. 400.000 bis 500.000 Tonnen Windkraftgut gehen alleine in Niedersachsen jährlich über die Kaikante, was gerechnet auch mit Naben und Antriebssträngen bis zu vielleicht 1.000 Anlagen der an Land nun dominierenden Fünf- bis Sechs-MW-Klasse wären. Doch ab 2025 wird der Zubau an Land stark anziehen. Und vermehrt ab 2028 werden auch die Installationen auf See mit zudem ähnlich langen Unterwasserkonstruktionen viel mehr Hafenfläche belegen. Darauf müssen sich die Drehscheiben der Windkraftlogistik nun vorbereiten.

0,4-0,5 Millionen Tonnen Windkraftgut gehen alleine in Niedersachsen jährlich durch den Umschlag der Häfen.

Cuxhaven ist der führende Hafen der deutschen Windkraftlogistik. Der Port zwischen Weser- und Elbemündung schlägt 80 Prozent der über Häfen eingeführten Windkraftkomponenten um. Die dafür lizenzierten Logistikunternehmen Rhenus Logistics und Blue Water Breb mit jeweils vier Großanleger-Plätzen sowie Turbinenbauer Siemens Gamesa teilen sich diese Volumen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Vom 6. Februar an aber sind drei neue Liegeplätze im Bau, um eine bis 2028 erwartete Vervierfachung der Turbinenan- und -ablieferungen zu bewältigen. Die Logistiker werden sich die Kapazitäten teilen sowie zusätzlich entstehende 40 Hektar Abstellflächen für Windturbinenbauteile – was ihnen rund 30 Prozent mehr Fläche einbringt. Und der Hersteller von Meeresfundamenten Titan Wind will 30 Hektar Lagerfläche zubauen.

Weil beide Logistikfirmen von der Bedeutung Cuxhavens überzeugt sind, finanzieren sie zusammen freiwillig 100 Millionen Euro an Baukosten vor. Land Niedersachsen und die Bundesrepublik bringen nochmals jeweils dasselbe für die insgesamt 300 Millionen Euro teure Investition auf.

Cuxport-Szene 2018: Suction-Bucket-Fundamente für Offshore-Projekt Borkum Riffgrund 2

Foto: NPorts - Christian O. Bruch / Laif

Cuxport-Szene 2018: Suction-Bucket-Fundamente für Offshore-Projekt Borkum Riffgrund 2

Cuxport ist das Hafenterminal, das die Rhenus-Gruppe über ein von ihr dominiertes gleichnamiges Joint-Venture betreibt. Die Gruppe setzt hier wie in anderen Häfen auch darauf, im Rhenus-Verbund die gesamte Lieferkette der Transport- und Lagermöglichkeiten abzudecken. Über eine neue Kooperation mit Wartungsunternehmen Xervon bezieht Cuxport sogar den Instandhaltungsservice für Offshore-Windparks ein. Richtung Land verteilt es die Komponenten „trimodal“: mit Lkw, sonst mit Binnenschiff und künftig vielleicht auch Bahn. Mit den neuen Liegeplätzen soll Cuxport ein oder zwei Großprojekte mehr abwickeln können.

Entscheidend ist aktuell aber die Kunst, Häfen als atmenden, pulsierenden und flexiblen Organismus zu betreiben, der intelligent gesteuert Lagerflächen und Anlegestellen im Projektgeschäft Windkraft ausreizt (siehe Interview Seite 35). Dazu gehört, auch andere Häfen zu nutzen, an denen die Gruppe umschlägt: Alleine in Norddeutschland kann sie die zu lagernde oder zu löschende Komponenten nach Nordenham, Bremen und Wilhelmshaven umdirigieren. Außerdem bezieht dieser Organismus nun Binnenhäfen ein, um die Turbinenbauteile näher an die Windparkbaustellen zu bringen. „Wir entwickeln innovative Konzepte, die vorhandene Flächen und alle verfügbaren Transportwege in höchstem Maße effizient nutzen“, sagt Moritz Becker, Leiter der Projektlogistik der Rhenus-Gruppe.

Cuxhaven ist Hauptumschlagsort für Windenergie.

Holger Banik, Geschäftsführer, NPorts

Windparkerrichter und Turbinenbauer brauchen solche Drehscheiben-Konzepte, weil sie Logistik unterschiedlich handhaben. Lagern manche über Wochen und Monate ihre Bauteile dort, buchen andere die Flächen auf Jahre, um sich abzusichern. Manch Logistiker nutzt Gütern wie Autos oder Containerfracht zugedachte Hafenareale mit oder beginnt in Projektphasen sich leerende Lagerflächen schon mit neuen Projekten zu belegen.

Auf Pressekonferenzen des öffentlichen Hafenbetreibers Niedersachsen Ports (NPorts) nutzt der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies gerne den Slogan vom „Hafen Norddeutschland“: Die von NPorts vertretenen Häfen Cux- und Wilhelmshaven, Brake und Emden sollten mit dem Seehafen Bremerhaven zusammen für den besten Warenfluss sorgen, heißt dieses Credo.

NPorts-Geschäftsführer Holger Banik verweist lieber auf Strategien, die mit Multipurpose-Terminals – also Vielzweckumschlagplätzen – das Atmen des Umschlaggeschäfts forcieren (siehe Interview Seite 37). Für den Bau eines solchen Terminals in Wilhelmshaven treibt NPorts bereits eine Machbarkeitsstudie voran, um mit der Landesregierung für die Finanzierung „beizeiten zu Gesprächen zusammenfinden“ zu können. Das Projekt könnte Anfang der 2030-er Jahre reif sein. Für Emden und für Brake ist vorerst vage je ein weiterer Liegeplatz im Gespräch. Durch Teilnahme an Forschungsprojekten fördert NPorts zudem die Digitalisierung, um Effizienz und Sicherheit im Umschlag bei noch mehr Betrieb zu bewahren. Dazu gehört neben einem mit intelligenter Datenverarbeitung gepaarten Verkehrsmanagement eine lasergestützte Schiffssteuerung fürs kollisionsfreie An- und Ablegen. Sie berechnet zum Navigieren auch Strömungen ein.

Im etwas landeinwärts gelegenen Weser-Seehafen Brake zeigt sich aber auch, wie wichtig derzeit eine günstige Lage an den Hauptverkehrsstraßen ist, um nicht durch die marode Infrastruktur der Autobahnen und ihrer Brücken unpünktlich zu werden und die benötigte Flexibilität zu verlieren.

Schauplatz Windkraft-Häfen: für Proto­typenbau neuer Technologien wie Suction-Bucket-Gründungen im Offshore-​Windpark Borkum Riffgrund 2, die sich durch Unterdruck in den Boden saugen (Fotos oben links und unten rechts), als Ort internationaler Kooperationsbeschlüsse wie im Januar 2023 beim Treffen der Hafen-Chefs von Oostende, Eemshaven, Humber, Esbjerg, Nantes und Cuxhaven (oben rechts in Esbjerg), für den Umschlag kleiner wie großer Projekte (Mitte rechts) und für Persönlichkeiten: Die Transway-Geschäftsführer Andreas Pfefferle und Maida Žeric bieten Transporte für abgebaute Altwindturbinen an.

Schauplatz Windkraft-Häfen: für Proto­typenbau neuer Technologien wie Suction-Bucket-Gründungen im Offshore-​Windpark Borkum Riffgrund 2, die sich durch Unterdruck in den Boden saugen (Fotos oben links und unten rechts), als Ort internationaler Kooperationsbeschlüsse wie im Januar 2023 beim Treffen der Hafen-Chefs von Oostende, Eemshaven, Humber, Esbjerg, Nantes und Cuxhaven (oben rechts in Esbjerg), für den Umschlag kleiner wie großer Projekte (Mitte rechts) und für Persönlichkeiten: Die Transway-Geschäftsführer Andreas Pfefferle und Maida Žeric bieten Transporte für abgebaute Altwindturbinen an.

Hier managt Lizenznehmer J. Müller den Windkraftumschlag. Der Bereichsleiter fürs Stückgut bei J. Müller, Holger Kaplan, verweist auf die Abfahrmöglichkeiten vom dortigen Niedersachsenkai zu drei Autobahnen in drei Himmelsrichtungen (siehe Interview Seite 38). Um sich gegen ungeplante Hindernisse für ihre Großkomponenten abzusichern, würden Projektierungsunternehmen und Investoren jetzt schon die Projekte über mehrere Seehäfen verteilen, beobachtet er. Dank der guten Straßenlage biete Brake diese Ausweichmöglichkeiten über den Warenabtransport.

Brake gilt als bedeutender und ausbaufähiger Hafen insbesondere für die Windkraft an Land. Diese sind offenbar stark nachgefragt, wie der Stückgut-Bereichsleiter verdeutlicht: „Heutzutage versuchen einige Kunden, Kapazitäten bis zu einem Jahr im Voraus zu reservieren“, sagt Kaplan, Über eine Freigabe staatlicher Mittel durch Bund oder Land Niedersachsen für den dritten Liegeplatz will Kaplan nicht öffentlich spekulieren. J. Müller rechnet aber hiermit: „Das Land Niedersachsen plant bereits einen dritten Schiffsliegeplatz am Schwerlastterminal Niedersachsenkai.“

Straßentransporte sind durchaus ein erprobtes Instrument im Windparkerrichtungsgeschäft hierzulande. Doch können für Schwerlast gesperrte Brücken oder durch Baustellen blockierte zwischenzeitliche Abstellflächen zum Verlassen der Autobahnen zwingen. Dann müssen Transporte Umwege fahren oder auf Straßen-Selbstfahrer umladen, die Rotorblätter bis zu 60 Grad aufrichten und im Schritttempo über Nebenstraßen vorrücken. Durchfahrtgenehmigungen für jeden einzelnen noch zu passierenden Ort sind dann erforderlich. Genehmigungen aber kosten vier bis acht Wochen, bis die Behörden nach Prüfen der Straßenlage grünes Licht geben können. Immerhin hat eine vor Weihnachten erlassene GST-Verordnung nun Anträge zum Groß- und Schwertransport (GST) vereinfacht.

Umso wichtiger ist es für die Logistiker, dass ihre Hafen-Drehscheiben nicht nur kein Nadelöhr sind, sondern sie selbst als Einfädler der Straßentransporte sprichwörtlich den Faden richtig aufnehmen. Dies gilt auch für die 2024 erstmals angeschwollene Repoweringwelle in Deutschland. Sie könnte den Verkehr verdoppeln. Beim Austausch alter gegen neue Windröder müssen die Transporteure vorab Altanlagen wegfahren und vielleicht zur Weiternutzung ins Ausland verschiffen. Weil Altanlagentransport besondere Zuwendung und Mehrabstimmung erfordert, hat das Spezialunternehmen Transway dafür ein Angebot entwickelt. Der hessische Logistiker wickelt seit mehr als 40 Jahren Transporte gerade auch von Seefracht ab – „individuell und kurzfristig“, so schreibt es sich Transway zu. Als Mittelständler mit 60 Mitarbeitenden und 40 Millionen Euro „wertschöpfendem Jahresumsatz“ spiele er einen Vorteil aus, sagt Geschäftsführer Andreas Pfefferle: Nicht „per Kontrakt an wenige Dienstleister gebunden“ greife er
„auf einen Pool von langjährigen und vertrauten Partnern“ zu (siehe Interview rechts).

Um abgebaute Anlagen schadensfrei von A nach B über internationale Häfen zu bringen und sehr unterschiedliche Handelspartner individuell zu behandeln, setzt Transway ausgerechnet auf einen „elektronischen Verkäufer“. „Kurze Kommunikationswege oder hohe Transparenz“, verspricht Pfefferle. Die Kunden könnten digital direkt und unkompliziert Transportanfragen stellen, was Wartezeiten reduziere, weil unmittelbar ein Planungsprozess starte. Mittels automatisierter Prozesse erzeugt die Datenplattform die Vorauswahl passender Transportoptionen. Dann sollen die geschulten Mitarbeitenden sofort persönlichen Kontakt aufnehmen und Transportdetails klären. In Partnerschaft mit der Gebrauchtanlagen-Plattform Wind-turbine.de bieten die Hessen nun auch eine Wertschöpfungskette an, die mit dem Verkauf der Altanlagen beginnt. W

_Beteiligte Firmen dieses Specials:

_J..Müller (Brake) Telefon: 04401/9140

_NIedersachsen.Ports Telefon: 0441/350200

_Rhenus-Logistics Telefon: 02301/290

_Transway Telefon:.06051/9198147

Rotorblattumschlag im Cuxport 2022

Foto: Rhenus SE & Co. KG

Rotorblattumschlag im Cuxport 2022

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