Ü20-Windenergie und Ü20-PV, Greenfield- und Corporate PPA, Redispatch 2.0, Erneuerbaren-Vollversorgung: Wo ist zur Zeit für Sie am meisten Musik drin und warum?
Christian Sdralek: Wir müssen hier natürlich differenziert draufschauen. Nehmen wir die klassische Direktvermarktung im Rahmen des EEG, die ich als subsidised PPAs oder balancing PPAs bezeichnen will, mit gesicherter Produktionsförderung durch das EEG: Bei diesen subsidised PPAs ist die meiste Musik in Deutschland zum ab Oktober 2021 durchstartenden Redispatch 2.0. Der Gesetzgeber weist dem Anlagenbetreiber, Direktvermarktern und Netzbetreibern eine ganz neue Verantwortung zu. Künftig müssen auch die Betreiber von EEG-Anlagen, wie Windenergie- und Photovoltaikanlagen, zum Beispiel verbindlich für den Folgetag anmelden, mit welchen Kapazitäten sie einspeisen werden. Das ist eine verantwortungsvolle Rolle. Viele Betreiber müssen das Thema fachlich einordnen. Als Direktvermarkter können wir die Pflichten des Anlagenbetreibers übernehmen, quasi als Rundum-sorglos-Paket.
Bietet das Redispatch 2.0 Chancen für die Direktvermarktung? Gibt es bei guter Betreuung durch den Direktvermarkter etwas zu gewinnen oder nur nichts zu verlieren?
Christian Sdralek: Sicherlich ist es für Anlagenbetreiber eine Chance, noch näher mit den Erneuerbaren in den Strommarkt integriert zu werden. Das Redispatch 2.0 gleicht die Behandlung der Erneuerbare-Energien-Anlagen an die marktübliche Beziehung zwischen Netz- und Kraftwerksbetreibern weiter an, gleicht sie dabei aber fair an. Es ist die Chance, die Akzeptanz der Erneuerbaren zu steigern.
Hanno Mieth: Wir haben eine hohe Dezentralität in der Erzeugung der erneuerbaren Energien erreicht, deren Betreiber und Investoren aber die energiewirtschaftliche Expertise oft nicht mitgebracht haben. Das Redispatch 2.0 sorgt für noch mehr Verantwortung, auch dass Anlagenbetreibende sich nun Gedanken über die Wahl des Bilanzierungs- oder des Abrechnungsmodells machen müssen.
Was bedeutet diese Wahlmöglichkeit und um welche Auswirkungen und Pflichten geht es für die Anlagenbetreiber?
Hanno Mieth: Die Wahl des Bilanzierungsmodells – entweder als Prognose- oder als Planwertmodell – entscheidet darüber, in welchem Umfang der Anlagenbetreiber seine Daten zur Verfügung stellen muss. Im Planwertmodell muss er eigene Erzeugungsprognosen an den Übertragungsnetzbetreiber übermitteln, im Prognosemodell erstellt der Anschlussnetzbetreiber die Prognose. Ich kann also schon Einfluss auf die Bilanzierung nehmen, wenn ich mich als Anlagenbetreiber für das Planungsmodell entscheide. Zusätzlich kann zwischen den Abrufmodellen des Duldungs- versus des Aufrechnungsfalls gewählt werden, zwischen Spitz-, Spitzleit- und Pauschalabrechnung. Welches Modell jeweils besser funktioniert, hängt also stark davon ab, welches Know-How die Anlagenbetreibenden nutzen können. Grundsätzlich ist das Prognosemodell für das Gros der ans Verteilnetz angeschlossenen Anlagen angemessen. Im Planwertmodell beraten wir vor allem Anlagen, die über ein Umspannwerk ans Übertragungsnetz angeschlossen sind. Für Großkunden im Offshore-Bereich ist das Planwertmodell sogar verpflichtend.
Wo modernisiert das Redispatch 2.0 das bisher übliche Einspeisemanagement?
Christian Sdralek: Die Anlagenbetreiber sind beim Einspeisemanagement heute schon mit dem Spitzabrechnungs- oder dem Pauschalverfahren vertraut, zwischen dem sie wählen konnten – um die durch eine Abregelung ihrer Anlagen seitens des Netzbetreibers entstandenen Vergütungsverluste nachzuweisen und sich ersetzen zu lassen. Nun kommt das Spitz-light-Verfahren hinzu, was den Prozess der Spitzabrechnung vereinfacht und besser digitalisieren lässt. Das neue Verfahren greift auf Datenbanken zu und löst eine Automatisierung der Abrechnung aus. Wir als Direktvermarkter können hier unterstützen und diese Abrechnung in eine Digitalisierungsstrategie einfügen, die uns gemäß unserer Rolle im Energiemarkt und gemäß vertrauten Standardprozessen einspringen lassen.
Sie raten auch, auf Sicherheit zu achten: Die Bonität der Vermarkter, eine Balance kommerzieller und technischer Steuerung der Anlagen. Was meinen Sie damit?
Christian Sdralek: Wir wollen Rücksicht auf die spezifischen Anlagenbedürfnisse nehmen, wobei wir möglicherweise preislich besonders attraktive Stromhandelsmomente nicht nutzen. Sie auszunutzen würde hohen Verschleiß garantieren und morgen in der Wartung Geld verlieren lassen. (Tw)
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