Sie erhöhen die Fertigung um 200 Türme. Das sind 50 Prozent mehr von heute auf morgen quasi. Wie ist das zu bewältigen?
Josef Knitl: Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir überall in jedem der Werke sowie auch in neuen Fertigungen für gleichartige Produktionsabläufe sorgen. So lassen sich bewährte Prozesse 1:1 in eine neue Fertigungsumgebung übertragen, ohne dass man jedes Mal bei null anfängt. Dieses Prinzip erstreckt sich dabei über alle Fertigungskomponenten, von den Bewehrungsarbeiten über die Produktion mit den Schalungsbatterien und das Schleifen der Betonsegmente per CNC-Anlagen bis hin zur Beschichtung.
Thorsten Betz: Kritisch für einen ausreichend schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten waren insbesondere die Lieferzeiten der Maschinenkomponenten wie CNC-Anlagen. Wir haben dafür vorausschauend frühzeitig Vorbestellungen getätigt, um die kritischen Komponenten im geplanten Zeitraum geliefert zu bekommen. Auch die Standortwahl für die Fertigungsstätte erforderte eine ausreichende Vorbereitungszeit. Zu klären war, ob wir überhaupt eine eigene neue Fertigungsstätte aufbauen wollen oder lieber auf einen Dienstleister mit einem bestehenden Werk und mit schon eigener Erfahrung in der Fertigung von Betontürmen setzen.
Je eine Fertigung in Emden, Schleswig-Holstein und Bayern: Die Standortwahl ist natürlich auch eine logistische Entscheidung. Wie viel verkürzt die neue räumliche Nähe zu den Kunden die Lieferzeiten?
Josef Knitl: Durch unsere Standortwahl berücksichtigen wir, dass zwei Drittel unserer Projekte im Norden stattfinden. Über 50 Prozent unserer derzeitigen Errichtungen finden in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und NRW statt. Mit der neuen Fertigungsstätte in Emden verkürzen wir die logistischen Wege für diese Auftragsregion. Sonst haben wir bisher Projekte in NRW aus unserem bayerischen Werk in Sengenthal entweder mit dem Zug oder mit dem Lkw beliefert, wobei wir mehr und mehr auf die Bahn umgestiegen sind.
Wie flexibel können Sie unterschiedliche Betonturmhöhen anbieten?
Josef Knitl: Grundsätzlich können wir mit unserem modularen System mit Höhensprüngen von 2,80 Meter jegliche Höhen anbieten. Dabei macht nicht jede Höhe für jeden Anlagentyp Sinn, zumal sie jeweils zertifiziert werden muss, Lasten und Eigenfrequenzen zu bemessen sind. In der Regel entwickeln wir ein bis drei verschiedene Nabenhöhen für jeden Grundtyp einer Anlage.
„Die Lasten sind im Vergleich zu 2010 um den Faktor drei gestiegen. Aktuell zielt unser bewährtes Turmsystem auf eine beständige Evolution statt auf eine Revolution.“
Die Höhe der Türme, die Lasten im Wind und die Turmkopfmassen nehmen stetig zu. Wie halten sie die Stabilität der Vorspannung für das Zusammenhalten der Turmsegmente aufrecht?
Thorsten Betz: Wir haben vor fünf Jahren das Turmsystem weiterentwickelt, um es im Hinblick auf immer höhere Lasten anzupassen. Diese sind im Vergleich zum Zeitpunkt unseres Markteinstiegs von 2010 um den Faktor drei gestiegen. Wir müssen unser Baukastensystem für diesen Lastenanstieg immer wieder weiterentwickeln und haben uns für diese Anpassungen eine gute Basis geschaffen. Aktuell zielt unser mittlerweile bewährtes Turmsystem auf die beständige Evolution statt auf Revolution ab.
Der Übergang vom Betonturm zum Stahlturm gilt als anspruchsvoll. Wie sichern sie diese Konstruktion gegen in Auslenkung und Kraftmoment zunehmende Lasten ab?
Thorsten Betz: Im Laufe dieses Jahres werden wir für das Übergangsstück ein neues Konzept zur Verfügung haben, mit dem wir für die nächste Anlagengeneration die bekannten neuralgischen Stellen in den Hybridtürmen deutlich robuster gestalten. Dabei wollen wir nicht unbedingt mehr Masse in die Konstruktion bringen, sondern tendenziell weniger im Verhältnis zu den wachsenden Lasten.
Welche Rolle spielt Sensorik im Turm, welche Überwachung bieten Sie an, welchen Turmservice?
Josef Knitl: Sensorik lässt sich nutzen, um die Lebenszeit des Turms oder seiner Komponenten entsprechend vorab definierter Anforderungen beibehalten oder erweitern zu können. Wir können sie auch dafür nutzen, um bestimmte Stellen im Turm zu optimieren. Wir nutzen beides in Abstimmung mit den Anforderungen unserer Kunden und den Erkenntnissen, die wir daraus gewinnen wollen.
Thorsten Betz: Auch früher schon haben wir insbesondere bei neuen Prototypen eine gewisse Instrumentierung vorgesehen, um Eingangsparameter klassifizieren und in der Entwicklung neuer Turmtypen nutzen zu können. Einen eigenen Service haben wir nicht, weil die Betontürme an sich in der Regel keinen benötigen.
Web-Wegweiser:
mbrenewables.com