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„Dieser Wert ließe einen Großteil der Rückbaukosten refinanzieren“

Sie beraten Kunden darin, den Wert und das Potenzial ihres Abfalls beim Rückbau von Windparks zu erkennen und zu bemessen. Was ist damit konkret gemeint?

Frank J. Kroll: Es gibt beim Rückbau von Windenergieanlagen drei wesentliche Wertstoffströme: Erstens die Mineralik – der Beton. Zweitens der Stahl. Drittens Faserverbundwerkstoffe wie GFK als wichtigstes Material der Flügelarchitektur sowie der Maschinenhaus-Verkleidung oder CFK-Komponenten zur Verstärkung der Flügel. Und dann finden sich zusätzlich zu den Hauptwertströmen beispielsweise noch Kupfer sowie Eisen- und Nicht-Eisen-Metalle im Rotorblatt. Auch Kabel und Ringgeneratoren sind mit ihrem Kupferanteil weitere hochwertige Komponenten. Mittels monatlicher BDSV-Notierungen wird nun beispielsweise der Marktpreis des Stahls ermittelt, der sich Mitte 2022 zwischen 300 bis 500 Euro pro Tonne bewegte. Nehmen wir einen Abbau von sieben Windenergieanlagen mit einer realistischen Stahlmenge von 1.500 Tonnen an, ist dieser Materialstrom also plus/minus 600.000 Euro wert. Dieser Wert gehört unseren Kunden. Er ließe einen Großteil der Rückbaukosten refinanzieren.

Neowa verwertet insbesondere auch den Glasfaserkunststoff der Rotorblätter, das GFK, als Energierohstoff und als Bindemittel für die Zementherstellung. Werden Sie so die künftig entstehenden Volumen an GFK-Granulat genügend loswerden?

Frank J. Kroll: Um dieses in der Zukunft zu gewährleisten, ändern wir gerade unser Konzept. Unsere ehemalige Anlage in Bremen nahm Material aus der ganzen Bundesrepublik wie dem benachbarten Ausland an. Die wirtschaftliche Grundlage dieser zentralen Anlieferung litt aber zunehmend darunter, dass inzwischen alle Windturbinenbauer ihre Rotorblattproduktionen aus Deutschland in Randregionen Europas verlegten. Für weite Anfahrten mit dem Lkw durch Europa, aber auch nur durch Deutschland stimmte in unseren Augen die ökologische Wirklichkeit nicht mehr mit der Zielsetzung überein, zumal die Stromkosten der Anlage einen Betrieb unwirtschaftlich machte. Parallel hatten wir daher frühzeitig alternative Wege mit Partnern entwickelt. Wir prüfen nun, künftig mobile Querstromzerspaner einzusetzen, die zwar mit vier statt bisher zehn Tonnen GFK pro Stunde etwas weniger Durchsatz aufweisen, aber Transportwege reduzieren.

Dabei soll unsere stoffliche Verwertung erstmals auch zu einer Qualitätsverbesserung für die Zementherstellung führen. Bisher ersetzten wir mit der Asche aus den stofflich/thermisch verwerteten GFK-Fasern teilweise den Sand im Zement. Künftig wollen wir aber die wirkliche Glasfaser so heraustrennen können, dass wir sie direkt als stabilisierenden Zuschlagsstoff in den Zement geben können. Durch Beimischung der zurückgewonnenen Fasern entwickeln unsere Forschungspartner sogar einen neuartigen Stein, der sich für den Bau eignet.

Was folgt auf Ihr Entwicklungsprojekt?

Frank J. Kroll: Im Moment sind US-amerikanische Partner dabei, gemeinsam mit unserem Schwesterunternehmen Xproducts Deutschland GmbH, das schon unsere Querstromzerspanung entwickelt und produziert hat, unser neues mobiles Verfahren in großindustrielle Nutzung zu überführen. Und wir führen interessierten Kunden die Technologie in Würzburg vor. Bei dezentraler Nutzung lohnt sich auch sofort die Behandlung kleinerer GFK-Mengen.

Recycling kostet auch Geld. Zahlen Ihre Kunden drauf, weil sie verantwortungsvoll handeln wollen oder künftig müssen?

Frank J. Kroll: Lange Zeit sah auch die Windenergiebranche die Wertstoffströme häufig als Abfall an, für dessen Beseitigung wir bezahlen mussten. Wir sehen hier nun eine Veränderung im Selbstverständnis. Eine im Wortsinn gelebte Kreislaufwirtschaft lässt sich auch auf die Weiterverwendung speziell nachgefragter Komponenten ausdehnen, nicht nur von Getriebe oder Generator. Echten Bedarf stellen wir zum Beispiel zunehmend auch bei CPUs, also elektronischen Steuereinheiten fest, deren Hardware- und Softwarelogik teilweise 20 Jahre alt ist und für die es keine Ersatzteile mehr gibt.

Als Generalunternehmer beim Rückbau wollen Sie die Abhängigkeit der Kunden von Dienstleistern reduzieren. Können Sie so Wartezeiten im Rückbau ausschließen?

Frank J. Kroll: Ausschließen können wir natürlich nichts! Aber wo wir die Organisation in einer Hand haben, können wir als darauf spezialisiertes Unternehmen die Kapazitäten der mit uns kooperierenden Kran-, Bau- und Recyclingfirmen über mehrere Rückbaustellen hinweg optimieren. Wir können dabei steuern, wie sich ein Zeitgewinn in einem Bauabschnitt für andere Abschnitte nutzen lässt. Ist ein Gewerk früher fertig, kann es schon an einem anderen Ort seine Aufgabe erledigen. Diese Feinplanung leisten wir in hohem Maße Software-unterstützt mit smarten Programmen. (tw)

Frank J. Kroll,
Geschäftsführer, neowa

Foto: neowa