Potenziale im Windparkausbau sind noch keine installierten Megawatt. Geschweige denn bedeuten selbst weit in der Planung fortgeschrittene Turbinen gesichert eingespeiste künftige Kilo-, Mega- oder Gigawattstunden. Es mögen Binsenweisheiten sein. Nur sind sie wohl selten so gültig wie jetzt: Windparkplaner türmten 2024 ein neu genehmigtes Rekordpotenzial an Windkraftzubau an Land von 13 Gigawatt (GW) Erzeugungskapazität auf, sammelten Vergütungszuschläge in Ausschreibungen für 10 GW. Während scheinbar die Verdoppelung des Onshore-Windkraftmarktes Deutschland im Vergleich zu dessen Bestjahr 2017 winkt, war der reale Zubau aber leider bestenfalls halb so stark wie sieben Jahre zuvor.
Windparkplanung bis zur ersten eingespeisten Kilowattstunde ist Mitte der 2020er-Jahre wohl eine nochmals komplexere Aufgabe als im vorigen Boom. Dabei gibt es auch eine gute Nachricht: Wo Planer im Moment kaum hinterherkommen, können nun viele neue oder viel breiter aufgestellte Dienstleistungsunternehmen die Prozesse anschieben.
So will der schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Offshore-Windkraft engagierte Projektmanagement-Anbieter Thost erstmals auch für große Onshore-Windparkprojekte an Land seine Organisations-, Beratungs- und Technikexpertise in Dienst stellen. Das Ingenieurdienstunternehmen verfügt über 800 Fachkräfte fürs sprichwörtliche Management jeder Art und setzt sie in eineinhalb Dutzend Wirtschaftszweigen ein. Künftig will es Windturbinenherstellern beim Bewältigen großer Auftragspipelines, Windparkprojektierern beim Organisieren von Baustellenlogistik und technischen Abläufen, Investoren und Planern bei aufwendigen Vergütungsausschreibungen sowie Komponenten- und Anlagenzulieferern beim Abwenden der Kostenexplosionen unter die Arme greifen.
Konkret bieten die als Juristen, Ökonomen oder Ingenieure qualifizierten Thost-Experten je nach Kunde ihren Einstieg in Windparkvorhaben schon beim Initiieren des Projektes an (siehe Interview Seite 34). Für fachfremde Investoren wie für phasenweise überlastete Projektierungsunternehmen begleiten sie den Projektierungsprozess von da an bis zur Inbetriebnahme des Onshore-Windparks oder bis zur schlüsselfertigen Übergabe an Betreiberunternehmen. Als klassische Berater klären sie im Vertrags- oder Nachtragsmanagement, welche Konditionen wie auszuhandeln oder am Ende von Vertragslaufzeiten finanziell abzurechnen sind. Sie recherchieren Marktbedingungen, helfen Planungsunternehmen beim Einführen eigener effizienter und transparenter Projektmanagementstandards, beheben im Erzeugungsbetrieb ineffiziente Reibungsstellen zwischen Betriebsführern und Instandhaltern. Oder sie setzen für Investoren deren Gewährleistungsansprüche durch. In Stoßzeiten überlastete klassische Projektierungsunternehmen, so erklärt es der Thost-Manager Cyrus Kaschanian, können zudem flexibel Kapazitäten anpassen: Sie „können durch uns atmen beziehungsweise kaufen bei uns punktuell fehlende Kompetenz ein“.
Sie können durch uns atmen beziehungsweise kaufen bei uns punktuell fehlende Kompetenz ein.
Ertragsgutachten: Service von Grund auf
Während solche Dienstleister eher aus dem Blickwinkel der Geschäftsführung heraus handeln, unterstützen andere von Grund auf – im Wortsinne – bei der Standortwahl. So dienen Windertragsgutachter wie Anemos aus Lüneburg ebenfalls dem Hauptziel der jetzt anstehenden Offensive der Dienstleistenden: Sie tun dies nicht weniger innovativ, schließlich müssen sie das Windparkplanen als Massengeschäft schneller, sicherer und qualitativ besser machen als bisher. Und am besten müssen sie den Windparkplanern höhere Margen ermöglichen.
Anemos bietet mit seinem im Markt seit vielen Jahren etablierten eigenen Windatlas für Projekte anschiebende Unternehmen ein Instrument, um Ertragschancen sowie Belastungssituationen für die Windturbinenkomponenten in einem Schnellcheck abzuschätzen. Der digitale Windatlas ermögliche „belastbare Ersteinschätzungen des Ertragspotenzials“ auch „zur Layoutoptimierung und Anlagenauswahl“, wirbt Anemos-Geschäftsführer Lasse Blanke (siehe Interview Seite 35). Der Windgutachter verweist so auf den für Flächensicherungen und auch für Finanzierungen eines Projektes wichtigen Vorteil, frühzeitig die mögliche Anzahl von Windturbinen, ihre Verfügbarkeit und die Standorte der einzelnen Bauwerke zu kennen. Je eher die für den Gesamtertrag besten Aufstellorte bekannt sind, desto eher können die Planer mit Kommunen und Anwohnern die genaue Gestaltung des Windparks aushandeln und zum Beispiel optische Zumutungen für Spaziergänger abmildern. Auch zu Luftwirbelwirkungen der Turbinen aufeinander und daraus folgenden Extralasten für die Bauwerke können die Anemos-Experten nach kurzen Bearbeitungszeiten qualitativ gute Aussagen treffen. Sie sind Voraussetzung für Standsicherheitsgutachten, wie sie Behörden, Banken und Versicherungen verlangen. Die vollständigen Windgutachten können die Lüneburger nach marktüblichen mehrmonatigen Bearbeitungszeiten nachreichen.
300 Meter beträgt die Höhe, bis zu der Ertragspotenzialgutachten liefernde Unternehmen inzwischen die Windverhältnisse messen müssen und können.
Beteiligte Firmen dieses Specials:
4Cast Telefon: 0331/98223830
Anemos Telefon: 04131/83080
Caeli;Wind Telefon: 030/688302300
Nefino Telefon: 0511/54688500
Thost Telefon: 07231/15600
TÜV;Süd Telefon: 089/57910
Zudem nimmt der Bedarf an aufwendigen Windmessungen mit bis zu 300 Meter hohen Sensorikmasten oder mittels Lasertechnik Lidar zum Abtasten sehr hoher Luftschichten zu, da die neue Richtlinie TR 6 immer neue Messungen vorgibt. Weil die Anemos-Daten auf Vergleichsdaten bestehender Windparks in einer Region beruhen, fehlen diese in neuen Windkraftregionen ebenso wie in den von heutigen Windturbinen angesteuerten höheren Luftschichten. Wobei Anemos den Windatlas immer neu an die Messergebnisse anpasst. Um die Anfragen schnell bedienen zu können, verdoppelte Anemos 2024 das Personal von 19 auf 36 Vollstellen.
Projektierungsunternehmen unterstützende Dienstleister reagieren aber auch auf die zunehmende Akteursvielfalt ihrer Kunden. So legen vorher in Windparkplanung fremde Investorenfonds mit großen Projektportfolios in Gigawattdimensionen wie Qualitas Energy oder alte und neue Kommunalversorger wie die Stadtwerke Stuttgart kräftig an Bedeutung zu. Für ihre ehrgeizigen Windkraftpläne brauchen sie Dienstleistungen, die auch mal ganze Abschnitte des Planungsgeschäftes erübrigen. Beispiel Stuttgart: Das 2011 neu gegründete Unternehmen hat anders als finanzstärkere traditionelle Stadtwerkekonzerne keine etablierte Projektierungsfirma für seine weitreichenden Energiewendepläne eingekauft. Nun aber betraut das Kommunalunternehmen Ingenieurdienstleister Thost mit dem Projektmanagement seines aktuellen Vorzeigeprojektes Hydrogen Hub Stuttgart: vier Elektrolyseure mit zusammen zehn Megawatt und Pipelines. Der Bau der Anlage zur Produktion und Lieferung von Wasserstoff soll 2025 beginnen. Bald soll der wohl auch mit Windstrom der Stadtwerke erzeugte, emissionsfreie Energieträger zum Beispiel als Treibstoff für Industrieprozesse und den Verkehr dienen.
Seit 2022 bietet Caeli Wind (siehe unten) nicht zuletzt solchen neuen Windenergieakteuren vorentwickelte Flächen an. Das 100-Mitarbeitende-Unternehmen aus Berlin startet die Planung von Windparkprojekten und verkauft sie gemäß Geschäftsführer Heiko Bartels „in unterschiedlichen Ausbaustufen von Greenfield über Machbarkeitsstudie bis ready to build“. Die Flächenscouts vermarkten Areale exklusiv, die in für Windkraft geöffneten offiziellen Windparkvorrangflächen liegen oder Planungsrecht zumindest in Aussicht haben. Sie schließen vorab gegenläufige Interessen von Bundeswehr oder Artenschutz aus, erledigen Netzanschlussprüfungen, ergänzen zu kleine private Grundstücksangebote durch Nachbarflächen, klären die Windhöffigkeit. Im Austausch mit Turbinenbauern prüft Caeli Wind, welche Luftturbulenzen zwischen den Anlagen wirken und wie sich Komponenten zur Baustelle fahren oder dort Baukräne aufstellen lassen.
2,9 Gigawatt Ausbaupotenzial neuer Windparks bringt alleine Caeli Wind durch vorgeprüfte und gesicherte mögliche Standortflächen nun kurzfristig in den Markt ein.
IT-Dienst für vorentwickelte Flächen
Hierbei versteht sich das Unternehmen als „IT-Company“: Im digitalisierten Prozess können Interessenten die Flächen in Auktionen gewinnen. Informationen zu den Flächen sind transparent einsehbar. Die Interessenten bezahlen nach Abschluss eines Flächengeschäfts, indem sie Caeli Wind am gewonnenen Potenzial orientiert vergüten. Nach der Flächenvergabe vermitteln sie den Gestattungsvertrag mit den Grundstückseigentümern. Bisherige Ergebnisse illustrieren den hohen Zeitgewinn – so beschleunigt das Programm den Vergabeprozess nach Caeli-Wind-Angaben um durchschnittlich 18 Monate. 25 Standorte mit Potenzial für 1,7 GW und weitere Standorte für 1,2 GW in Vorbereitung bringt der Dienstleister aktuell in den Markt ein.
Auch das große Kaufhaus für gehobene Ingenieursleistungen beschleunigt Windparkplanungen, weil es Reibungsverluste reduziert. Vor allem große Windpark-Planungsunternehmen dürften hier ihre vielstufigen Entwicklungsverfahren sowie später den Windparkbetrieb überprüfen lassen.
Ingenieurdienste „alles aus einer Hand“
Gemeint sind Anbieter wie TÜV Süd. Das aus München und Regensburg geführte Tochterunternehmen Industrie Service bietet umfangreiche Dienstleistungen zu erneuerbaren Energien an. Im Windkraftbereich übernimmt es Lastberechnungen (siehe Interview unten), Prognosen für Schallausbreitung und Schattenwurf, Standorteignungsprüfungen mit Windpotenzial- oder Turbulenzgutachten – sowie die technische Due Diligence. Das Wort aus dem internationalen Ingenieurssprech benennt eine Risikobewertung der technischen Bedingungen der Windparkprojekte: Wie plausibel sind Windpotenzialanalysen oder das Baugrundgutachten, wie plausibel die Zertifizierungsdokumente der Anlage oder das Instandhaltungskonzept? Welche technischen Risiken bergen verschiedene Anlagentypen und welche die Turbinengründung?
Projektierer bekämen bei TÜV Süd „alles aus einer Hand und müssen somit weniger Gutachter koordinieren“, sagte Florian Weber, bei TÜV Süd der Leiter des Bereichs Site Assessment. Der Prüf- und Zertifizierungsdienstleister bewertet auch die technischen Voraussetzungen für die Wirtschaftlichkeit des Projektes, übernimmt die Bauüberwachung sowie die wiederkehrenden Prüfungen im Betrieb oder die Bewertung des Potenzials für einen Weiterbetrieb einer Turbine, wenn deren Betriebszulassung abläuft.
Der Windmarkt Deutschland benötigt indes die Dienstleister nicht nur dafür, das bezuschlagte Windparkpotenzial erfolgreich umzusetzen. Beflügelt durch neue Regelungen im sogenannten Energiewirtschaftsgesetz und durch politische Diskussionen über einen Systemwechsel des Vergütungssystems erhöht sich auch der Wettbewerb. Das macht Informationen jeder Art für Windparkplaner wertvoller denn je.
Hier setzt Nefino an. „Daten, Software und Beratung für die Systematisierung der Projektentwicklung“ stellt Jan-Hendrik Piel als Beitrag des von ihm mitgeleiteten Unternehmens in Aussicht. Piel ist Mitgründer und führender Zuständiger im Unternehmen für geschäftliche Entwicklung. Auch Nefino ist ein IT-Dienstleistungsunternehmen. Es lässt Potenzialflächen für Windparks mitsamt Grundstücksgrenzen über Geodatenprogramme visuell auf landschaftliche Eignung oder hinderliche Bedingungen in ihrer Nachbarschaft überprüfen (siehe Fallstudie Seite 39). Auch Schattenwurf bilden die Simulationen am Bildschirm ab. Vor allem dient der Nefino-Infodienst dazu, dass Projektierungsunternehmen sehr früh die vor Ausschreibungen wichtigsten Fakten erfahren: Welche bundesweiten Ausweisungen von Windparkvorranggebieten oder auch nur Planungsentwicklungen stattfinden, wo es Ausschreibungen von Flächen für Energieprojekte gibt, welche Flächensicherungen gerade Konkurrenten vornehmen. Ein täglicher Informationshub trackt Neuigkeiten zu Flächenausschreibungen, Projekten und Netzkapazitäten in den Bereichen Wind, Solar, Batteriespeicher und Wasserstoff.
Seit zwei Jahren arbeitet ein neu gegründetes Nefino-Team für künstliche Intelligenz (KI) daran, ein Geoinformationssystem selbsttätig geeignete Windparkstandorte ermitteln zu lassen. Er wolle den Windparkplanern zur „Implementierung effizienter, personenunabhängiger Prozesse“ verhelfen, sagt Piel. Binnen 24 Stunden liefern die Experten als Beratungs-Service noch Bewertungen von Flächen, Repowering-Optionen und Luftfahrtkonflikten.
Planung ist ein Wettlauf gegen die Zeit.
KI-Berechnung auch der Stromeinspeisung
Weil die Wirtschaftlichkeit von Windparkplänen künftig wohl öfter auch von deren funktionierender Stromvermarktung abhängt, können indes auch hier Digitalisierungsdienste mit lernenden Rechenprogrammen den Windplanern helfen.
So bietet 4Cast (siehe rechts) internetbasierte Stromerzeugungsprognosen an – Langzeitertragsprognosen, Kurzzeitprognosen und Windgutachten für einen neuen Standort. Die „automatisierte Langzeitertragsprognose“ enthält eine Standortanalyse zu Komplexität und Rauigkeit der Landschaft, betrachtet Bestandsanlagen und geplante Anlagen, Vorschriften und Anforderungen am und um den Standort. Die Datenanalyse führt meteorologische Datensätze mit den Planungsdaten der Kunden zusammen und überträgt Leistungskennlinien der Turbinen und standardisiertes Parklayout in das System. In der Modellsimulation berechnet die eigens entwickelte Software noch Abschattungseffekte und Einflüsse umgebender Bestandsanlagen. Ergebnisse sind ein Bruttoertrag und ein Parkertrag, der auch Verluste durch Abregelungen nachts zum Schutz von Anwohnern vor Schall einbezieht. 4Cast ist als Windgutachter akkreditiert.
Das Unternehmen in Potsdam liefert außerdem für Energieerzeuger und für Netzbetreiber die kurzfristigen Produktionsprognosen. Ziel des selbstlernenden Prognose-Rechenprogramms soll eine immer genauere Vorhersage der Einspeisung einen Tag im Voraus und innerhalb eines Tages sein. Damit können die Windparkprojektierer auch nach der Inbetriebnahme noch so effizient wie möglich und ohne Strafzahlungen ihre Elektrizität im Day-Ahead- und Intraday-Stromhandel vertreiben oder die Netze stabilisieren.
„Planung ist ein Wettlauf gegen die Zeit“, beschreibt Chef Sascha Bauer seine Zielrichtung. „Jede Verzögerung erhöht die Projektkosten und verschiebt den Break-even-Point. Mit automatisierten
Ertragsprognosen können Sie diesen Prozess erheblich beschleunigen.“ Denn auch an schnellen Jahresertragsprognosen können Planer erkennen, an welchen Turbinenorten die besten Stromhandelswerte winken. Nur durch automatisierte Prozesse, sagt Bauer, ließen sich Komplexität und Ressourcenengpässe beim Windparkplanen „in den Griff bekommen“. Und Projektpipelines abbauen.