Die Firma Green Energy Technology (GET) ist Taiwans größter Hersteller multikristalliner Solarwafer. Sie hat ihren Hauptsitz in Taoyuan, etwa eine Autostunde von der Hauptstadt Taipeh im Norden entfernt – der Hochburg für Halbleiter-Technologie auf der Insel. An der Eingangstür wartet Christine Chen und strahlt die Besucher an. Die sympathische Geschäftsführerin führt zu einem vor lauter Solarzellen leuchtend blauen Parcours aus unterschiedlichsten Solaranwendungen auf einer großen Fläche auf dem Firmengelände. Ein Fußweg aus Solarmodulen wird zunächst begutachtet. Bei 3,4 Kilowatt Leistung werden pro Tag und Kilowatt 3,4 Kilowattstunden Strom erzeugt. Unternehmenspräsident Swean Lin schreitet stolz darüber und erklärt dabei, wie die Module gegen Korrosion geschützt sind. „Sie wirken zudem schallminimierend, rutsch- und feuerfest, und selbst unter wolkigem Himmel produzieren sie noch reichlich Strom“, sagt er. Die Oberfläche ist rau – was einerseits eben die Rutschfestigkeit erzeugt und andererseits ertragsminimierende Reflektionen mindert. Für das hier eingesetzte GET Light Weight Module nahm die Firma 2016 den deutschen Designpreis Red Dot Award in Empfang.
Sonnenstrom von Solarbalkon und Dachterrasse
Der patentiert Solargehweg ist nur eine der Spielarten für die vielseitige Nutzbarkeit der robusten Module. Eine andere Möglichkeit ist der Solarbalkon: Als Bodenbelag für die Dachterrasse wird die Fläche für die Stromernte nutzbar. Sie wird zusammen mit einem Montagesystem angeboten, das die Installation besonders schnell und einfach macht. Und schließlich gibt es noch die Vision vom solaren Basketballfeld. Aber warum soll man überhaupt Solarstrom auf Radwegen und Sportfelder erzeugen und nicht wie bisher auf dem Dach oder einer Freiflächenanlage? Christine Chen erklärt die Idee, die dahinter steckt: „Wenn man keine oder nur begrenzte Dachflächen zur Verfügung hat, kann man auf diese Weise zusätzliche Flächen für die Stromernte gewinnen.“ Tatsächlich sind in Taiwan die Flächen für Solar besonders rar. Das erklärte Regierungsziel von 20 Gigawatt Solarstrom bis 2025 ist eine logistische Herausforderung, denn das Land besteht zur Hälfte aus bewaldeten Bergen, dazwischen ragen Hochhäuser und Fabrikhallen auf. Daniel Lee von der Taiwan Photovoltaic Industry Association erklärt, die meisten Dächer, die sich eignen, seien bereits für die Photovoltaik verplant. Kein Wunder: der feste Einspeisetarif von 15 bis 20 Dollarcent für die Kilowattstunde je nachdem ob Freifläche oder Dach und je nach Größe erscheint gerade aus deutscher Sicht attraktiv. Um zusätzlich Flächen zu gewinnen, hat man es bereits den Japanern nachgemacht und angefangen, Binnenlandgewässer und Überschwemmungsland mit PV zu bedecken.
Wasserknappheit und Speicher
Der solare Weg, den die Firma GET aufzeigt, ist also bei Platzmangel eine Chance. Auf dem Parcours der Firma gibt es neben Solarmodule auf einem kleinen Wasserbassin auch eine Solarfläche im Boden, die von Kunstrasen umsäumt ist. In dem Rasen ist ein quadratisches Loch, das den Blick auf ein unterirdisches Wasserreservoir freigibt. Was hat es damit auf sich? Geschäftsführerin Christine Chen erklärt: „Wir verfolgen drei Ziele mit unseren Produkten, 3 in 1 Eco Solution nennt sich das: Erneuerbare Energien werden kombiniert mit Möglichkeiten der Wassergewinnung und mit Kreislaufwirtschaft.“
Kreislandwirtschaft soll dem Mangel an Rohstoffen auf der Insel begegnen. In Taiwan herrscht zudem zunehmende Wasserknappheit, zumal die Regenzeit relativ kurz und die geografische Situation nicht ideal ist, um viel Wasser aufzufangen. GET hat darum stapelbare Plastikgestelle entwickelt. Diese Rain Bricks, also Regenziegel, können in Zeiten starken Regens das Wasser unter zum Beispiel einem Solarradweg auffangen und speichern. Entsprechend werden sie unter und neben dem Radweg ins Erdreich eingebracht. Das Wasser versickert nicht und spült auch nicht die Erde aus, sondern wird aufgefangen und kann genutzt werden.
Ladestation für E-Scooter
Ganz neu ist laut Christine Chen die Solarladestation für E-Scooter: Hier haben Mitarbeiter an einigen von zwölf Plätzen pro Seite ihre Elektroroller angeschlossen - an 280 Watt Ladekapazität pro Rollerparkplatz. Attraktiv ist das gerade auch für China, wo E-Scooter in großer Zahl über die Straßen rollen.
Und China ist definitiv ein attraktiver Markt für GET. Die Produktionsstätten des Unternehmens befinden sich entsprechend nicht nur in Taiwan, sondern auch in China (Shandong). Allerdings ist China auch ein schwieriger Markt, zumal die Preise für PV dort wesentlich niedriger sind wegen der Massenfertigung und wegen finanzieller Förderung vonseiten der Politik. Gleichwohl: Im vierten Quartal 2017 hat GET 48,1 Prozent seiner Ware im eigenen Land verkauft, 34,7 Prozent gingen nach China. Im ersten Quartal 2018 nahm der Anteil für den chinesischen Markt leicht zu auf 36,1 Prozent, während es im Heimatmarkt nur noch 45 Prozent waren. „Wir setzen auf Qualität. Dadurch sind wir in China wettbewerbsfähig“, sagt Chen. Bei Wafern kommt das Unternehmen auf 18,91 Prozent Effizienz, bei der effizienten PERC-Technologie auf 19,91 Prozent. „Unsere Produktionskapazität liegt bei 2,6 Gigawatt im Jahr.“
Fest steht, Green Energy Technology gönnt sich keine Verschnaufpause im Preiskampf mit China. Neue Produkte werden in der eigenen Forschungsabteilung und in Zusammenarbeit mit Hochschulen entwickelt. Das Speichern von Wasser ist auch für China ein spannendes Thema. Es wird sich zeigen, ob in den nächsten Jahren auch Solarradwege sich durchsetzen werden. Ein Problem bei diesen stark integrierten Produkten, zu denen auch gebäudeintegrierte Solaranlagen gehören, ist ihre Lebensdauer. Wie aufwändig und teuer ist es, eine Solarstraße nach 20 Jahren auszutauschen?
(Nicole Weinhold)