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Zersetzung durch Rostschutz von Stahlstrukturen

Der Rost und das Meer

von Alfons Westerwiede

Kaum eingelassen in das Seewasser beginnen Metalle einen ungleichen Kampf mit ihrer Umgebung. Das Wasser auf hoher See ist bestens für die Zersetzung metallischer Fremdkörper aus­gerüstet, das Salz verbessert seine Leitfähigkeit und macht es damit reaktionsfreudiger. Insbesondere im sauerstoffdurchfluteten Spritzwasserbereich verlassen Metallionen und Elektronen ihren Mutterstoff und finden ihr neues Glück in Sauerstoff- und Wasserstoffverbindungen. Offshore-Tragstrukturen können diesen Kampf nur verlieren – außer sie sind ausreichend geschützt.

Als der Mensch vom Holz auf Metall umgestiegen ist, um sich über das Wasser zu bewegen, entwickelte er zwei Verfahren, die seine Ausrüstung vor Korrosion schützen: Heute schirmen Beschichtungen auf Basis von Polyurethan oder Epoxyd­harz Schiffsrümpfe sowie Offshore-Förderanlagen von Öl und Gas im Übergangsbereich zwischen der Spritz- und der Unterwasserzone vor der feindlichen Umgebung ab. In der Unterwasserzone bieten Opferanoden einen kathodischen Schutz vor der Korrosionsbildung.

Eine Opferanode ist ein Stück unedles Metall, das zum Korrosionsschutz von Funktionsteilen aus anderen Metallen eingesetzt wird. Bei Schiffspropellern aus Alumiumbronze, die die Schiffe durch das aggressive Seewasser schieben, kommen hierfür häufig Zinkblöcke zum Einsatz. Sie sind mit Schraub- oder Nietverbindungen am Schiffsrumpf angebracht und umgeben die Propeller. Dieses Konzept hat auch die Offshore-Industrie übernommen: An den gefährdeten Flächen schützen angeschweißte Zinkanoden die Offshore-Stahlstrukturen.

Rostfavorit Spritzwasserzone

Eine andere, seit 50 Jahren bei Offshore-Bauwerken angewandte Form des Korrosionsschutzes, ist die Ummantelung der besonders beanspruchten Stahlbauteile auf Kupferbasislegierungen. Da der Korrosionsgrad in den sechs Zonen einer Offshore-Tragstruktur unterschiedlich stark ausgeprägt ist, sind verschiedene Rostschutzkonzepte entlang der Tragstruktur nötig.

Die höchste Korrosionsrate tritt im Bereich der Spritzwasserzone (Splash Zone) auf. Der immer wiederkehrende Kontakt mit sauerstoffreichem Seewasser unter den schleifmittelartigen Effekten der Wellen erhöht die Korrosion erheblich. Auch der Bereich unterhalb des mittleren Niedrigwassers zeigt einen erhöhten Korrosionsangriff. Hier werden aufgrund der guten Sauerstoffversorgung so genannte Belüftungszellen gebildet. Im Vergleich zur Gezeitenzone tritt hier ein anodischer Effekt auf.

Zink – ein Opfer für den Stahl

In der Dauertauchzone (Immersed Zone) können Opferanoden den kathodischen Schutz herstellen. Hierfür müssen die Tragstrukturen ständig mit Seewasser in Kontakt sein, weil dieses als Elektrolyt wirkt. Das Wasser ermöglicht den ununterbrochenen Transport der geladenen Teilchen und schließt so den Stromkreis. Ohne den Schutz der Opferanode verliert das Metall Elektronen, die mit Wasser und Sauerstoff reagieren. Durch den Verlust der Elektronen wird das Metallmolekül zum Kation, einem positiv geladenen Molekül. Um den Ladungsausgleich wieder herzustellen, gehen die positiv geladenen Metallmoleküle in die Lösung über. Um dies zu verhindern, wird die Opferanode installiert. Da sie unedler als das zu schützende Metall ist, fließt der Strom von ihr in Richtung des edleren Metalls, während sie ihre Elektronen abgibt und bis zur Unbrauchbarkeit korrodiert.

Der Korrosionsschutz von Offshore-Stahlbauteilen mit Beschichtungssyste­men auf Polyurethan- und Epoxydharz-Basis hat nur eine begrenzte Lebens­dauer, die weit unter der der Off­shore-Anlagen liegt. Daher sind bei all die­sen Korrosionsschutzsystemen in regelmäßigen Abständen Nachbesserun­gen oder Teilerneuerungen notwendig. Besonders im Übergangsbereich ist das mit er­heblichem Aufwand und Kos­ten verbunden.

Legierung als Schutzmantel

Einen effektiveren Korrosionsschutz bietet die Ummantelung von Stahlbauwerken und Schiffsrümpfen mit einem Kupfer-Nickel-Blech (CuNi 90/10), mit zehnprozentigem Nickelanteil. Bereits 1949 hat die Öl- und Gasindustrie die CuNi-Ummantelung im Golf von Mexiko unter anderem an den stählernen Tragstrukturen der Förderplattformen verwendet. Hat die Industrie anfangs noch hochnickelhaltige Legierungen verarbeitet, ging sie wenig später aus Kostengründen auf inzwischen verbesserte Kupferbasislegierungen über.

Die Kupfer-Nickel-Legierung ist gut verformbar und weist eine sehr gute Duktilität auf, wodurch sie bei Überbelastung nicht sofort bricht, sondern sich zunächst verformt. Beide Elemente sind im gesamten Legierungsbereich vollständig ineinander mischbar und bilden ein kubisch-flächenzentriertes Kristallgitter, wodurch sich die Legierung hervorragend schweißen lässt. Auch die Homogenität des Kupfer-Nickel-Materialgefüges verbessert die Weiterverarbeitung, insbesondere hinsichtlich der Schweißbarkeit. Die gute Schweißbarkeit von CuNi10 gegenüber unlegiertem Kupfer ergibt sich im Wesentlichen aus der geringeren Wärmeleitfähigkeit. Hierdurch ist es einfacher die notwendige Schweißtemperatur im Schweißbereich einzubringen und zu halten, sodass häufig auf eine Vorwärmung verzichtet werden kann. Weiterhin erhält man durch den Nickel-Gehalt einen Schmelzbereich, statt wie bei Kupfer einen Schmelzpunkt. Dieser Schmelzbereich macht das Schweißbad „teigiger“ und beherrschbarer. Es bilden sich in CuNi-Verbindungen keine weiteren, gegebenenfalls schädlichen Phasen aus.

Der Alleskönner Kupfer-Nickel

Die CuNi90/10-Legierung ist gegen gleichmäßige und lokale Korrosion im Meerwasser sehr beständig. Im Vergleich zu anderen Legierungen neigt sie auch nicht zur Spannungsrisskorrosion. Die Korrosionszugabe bei Anwendungen in Seewasser liegt lediglich bei 0,50 Millimeter in 20 Jahren. Anders als herkömmlicher Stahl hemmt die Legierung den Bewuchs der Konstruktionen.

Für die Ummantelung der Tragstrukturen kommen zwei Methoden in Frage, die für unterschiedliche galvanische Effekte sorgen: Der CuNi90/10-Mantel wird entweder durch eine isolierende Schicht mit den Stahlpfeilern verbunden oder direkt auf die Stahlpfeiler aufgeschweißt.

Bei der ersten Methode, der Isolierung, werden die CuNi-Rohre über die Stahlpfeiler geschoben. Der Zwischenraum wird mit Polymer oder Beton verfüllt, was die beiden Metalle elektrisch gegeneinander schützt. Bei dieser Methode beeinflussen sich die beiden Metalle nicht. Die positiven Eigenschaften des CuNi-Bleches hinsichtlich der Seewasserfestigkeit und der Bewuchshemmung bleiben in vollem Umfang erhalten. In der permanenten Unterwasserzone, wo der CuNi-Mantel endet, gilt das auch für den Stahl, da hier der kathodische Schutz durch permanente Berührung mit Seewasser greift.

Im zweiten Fall werden die beiden Metalle durch direktes Aufschweißen elektrisch gekoppelt. Die bewuchshemmende Eigenschaft der CuNi90/10-Legierung reduziert sich dadurch etwas, gleichzeitig sinkt jedoch auch die Korrosionsrate. Da die Kupferlegierung ein edleres elektrisches Potenzial hat als Stahl, wäre theoretisch ein beschleunigter Korrosionsangriff in der Übergangszone vom ummantelten zum ungeschützten Stahl durch galvanische Effekte zu erwarten.

Wissenschaftler des LaQue Centers im US-Bundesstaat North Carolina stellten in Feldversuchen jedoch fest, das dies nicht der Fall ist. Demnach gleicht sich das elektrische Potenzial der Kupferlegierung dem Stahl an, womit die Korrosionsrate des umgebenen Stahls deutlich geringer ist. Messungen des Korrosionsstroms, die die Forscher in einem 14-monatigen Test in der Gezeitenzone durchführten, bestätigten dieses Phänomen. In den Tests untersuchten sie verschiedene Proben in der Gezeitenzone, die mit einer unter Wasser befindlichen Stahlprobe gekoppelt waren. Sie haben den Gesamtstrom pro Gezeitenzyklus gemessen und stellten bei allen Proben einen Stromfluss fest. Bei der Kombination von zwei Stahlproben traten jedoch die höchsten Korrosionswerte auf.

Korrosionsfest seit 26 Jahren

Kupfer-Nickel 90/10 ist bekanntermaßen eine seewasserfeste Legierung, die in vielen Bereichen der Offshore-Industrie eingesetzt wird. Durch ihre Seewasserbeständigkeit und bewuchshemmende Eigenschaft kommt sie in unterschiedlichen Seewasser führenden Leitungssystemen, aber auch bei der Verkleidung von Schiffsrümpfen und Ummantelung von Stahlstrukturen an Öl- und Gasplattformen zum Einsatz. So wurden in der Irischen See 1984 alle Pfeiler der Plattformen im Morecambe Gas Field im Bereich der Gezeiten- und Spritzwasserzone mit CuNi90/10 ummantelt. Der Kupfer-Nickel-Mantel erstreckt sich, ausgehend vom niedrigsten Wasserstand, von 13 Meter über bis zwei Meter unter Wasser. Da der Hauptzweck dieser Ummantelung der Korrosionsschutz und nicht die Bewuchshemmung ist, haben die Errichter die vier Millimeter dicken Bleche direkt auf die Stahlpfeiler aufgeschweißt. Im Unterwasserbereich sorgen Zink-Anoden für den kathodischen Schutz der Pfeiler. Die Klassifizierungsgesellschaften forderten bei einer herkömmlichen Beschichtung eine Korrosionszugabe des Stahls von zwölf Millimetern. Diese Zugabe war aufgrund der CuNi90/10-Ummantelung nicht notwendig, sodass die Planer dieser Anlage rund 700 Tonnen Stahl einsparen konnten.

CuNi spart tonnenweise Stahl

Wegen dieser Einsparung sowie der deutlich geringeren Instandhaltungskosten im Vergleich zu einer Polyurethan- oder Epoxidharzbeschichtung wählten die Konstrukteure die Variante der CuNi90/10-Ummantelung [3]. Bis zum heutigen Tag finden regelmäßige Inspektionen statt. Nennenswerte Anzeichen von Korrosion am Stahl oder der Ummantelung stellten die Inspekteure dabei nicht fest. Der Bewuchs fällt mit rund 2,5 Zentimeter gering aus und ist sehr leicht zu entfernen.

Die außergewöhnlich korrosiv wirkenden Bedingungen auf offener See und die damit einhergehenden erhöhten Anforderungen an die Lebensdauer der Offshore-Gründungsstrukturen von mehr als 20 Jahren, ist mit herkömmlichen Korrosionsschutzsystemen kaum ohne kostenintensive Wartung zu gewährleisten, es sei denn, man wählt eine sehr schwere und kostspielige Struktur mit entsprechender Korrosionszugabe von mindestens zwölf Millimetern. Bezogen auf die Lebensdauer einer Anlage ist eine Ummantelung mit CuNi90/10 ein wirtschaftliches Langzeitkorrosionsschutzsystem. Damit lässt sich auch die Herausforderung bewältigen, die Tragstrukturen der Offshore-Windenergie­anlagen mit geringem Instandhaltungsaufwand über ihre gesamte Laufzeit vor Korrosionsattacken zu schützen.